| # taz.de -- ZDF-Serie „Ripper Street“: Cool Britannia | |
| > Die BBC dreht den Trend um. Statt wie bei „Sherlock“ Vergangenes ins | |
| > Heute zu holen, erzählt sie den viktorianischen Jack the Ripper neu. | |
| Bild: Hart zur Sache geht's in der Ripper Street. | |
| Die Engländer hält man ja gern für notorische Traditionalisten, da | |
| verwundert es nicht, dass sie ihr historisches Crime-Erbe auch im Fernsehen | |
| pflegen. Sie machen es auf ihre ganz eigene Weise: Cool Britannia! Alle | |
| lieben Benedict Cumberbatch als nerdigen Smartphone-„Sherlock“, der für die | |
| BBC heute lieber mal auf dem Motorrad statt in der Kutsche durch London | |
| jagt. | |
| Der Dreh, das Geschehen in die Gegenwart zu holen, war nicht ganz neu, das | |
| wurde vorher etwa auch schon an Stevensons Dr. Jekyll und Mr. Hyde | |
| ausprobiert („Jekyll“, BBC), oder an Jack the Ripper („Whitechapel", ITV). | |
| Weil man eine gute Idee auch nicht überreizen soll (und weil man seinem | |
| eigenen Erfolgsprodukt – „Sherlock“ – nicht das Wasser abgraben wollte?… | |
| musste die BBC für eine Neuinterpretation des Ripper-Stoffs also einen | |
| anderen Weg einschlagen. | |
| „Ripper Street“, am vergangenen Montag schon auf ZDFneo zu sehen, ab | |
| Freitag auch im Hauptprogramm, spielt im Jahr 1889. Der Ripper hat seine | |
| Mordserie an den Prostituierten Whitechapels bereits verübt, die Morde sind | |
| aber noch nicht vergessen. Letzteres wurmt Inspector Reid (Matthew | |
| Macfadyen, „Stolz und Vorurteil“), der den Ripper nicht hat fassen können, | |
| er würde gern einen Schlussstrich ziehen: „Wir haben getan, was wir | |
| konnten. Mit allen Mitteln, die uns erlaubt waren, und darüber hinaus. | |
| Jetzt können wir nur noch hoffen, dass er fort ist. Und fort bleibt. Ich | |
| werde ihm nicht länger mein Leben opfern.“ | |
| Da kommt es höchst ungelegen, wenn nun ein anderer Mörder die clevere Idee | |
| hat, sein Opfer als Ripper-Opfer auszugeben, um die Strafverfolger in die | |
| Irre zu führen. Reid durchschaut das schnell, aber er muss den Mörder bald | |
| überführen, sonst wird die sensationsgierige Londoner Presse eine neue | |
| Ripper-Panik schüren. Dazu sitzt Reid noch ein Vorgesetzter mit | |
| Ripper-Obsession im Nacken: „Er lebt noch. Er atmet die gleiche Luft wie | |
| wir. Die Straßen verlangen Ihre Wachsamkeit!“ | |
| ## Bewährtes Rezept | |
| Diese Straßen der Londoner Elendsviertel sind, ebenso wie die Kostüme, | |
| sorgfältig und mit Sinn für Details ausgeführt. Da hat die BBC nicht | |
| gespart. Und die, zumal ziemlich schmuddelige, historische Kulisse führt | |
| auch keineswegs in den Eskapismus, vielmehr wird die Gegenwart in der | |
| Vergangenheit gespiegelt – das bewährte „Mad Men“-Rezept. Wie wir heute | |
| wähnen sich Reid und seine Zeitgenossen in einem Umbruch, es gibt neue | |
| Informationstechnologien, sie müssen damit umgehen lernen, sie wissen, in | |
| ein paar Jahren wird die Welt eine andere sein, sie wissen nicht, welche. | |
| Es nimmt sich geradezu niedlich aus, wie ein junger Polizist an den | |
| Komplikationen eines Schreibtelegraphen verzweifelt, während ein | |
| Ungeduldiger Reid hinter ihm steht: „Na mach schon, Junge, das ist die | |
| Zukunft!“ Das Wort Zukunft fällt in der ersten Folge der Serie ziemlich | |
| oft. In dem Fall geht es, wie sich zeigt, also nicht um den Ripper, sondern | |
| um „die Zukunft der Pornografie“, um Negative, die die Ermittler erst | |
| einmal staunend als bewegte Bilder, als Film erkennen müssen. Und dass | |
| Snuff-Filme so alt sein sollen wie die Filmgeschichte, ist natürlich eine | |
| etwas gewagte Drehbuchidee, aber andererseits eine Kreativleistung, die der | |
| menschlichen Spezies in ihrer Begabung zur Bösartigkeit durchaus zuzutrauen | |
| wäre. | |
| Dem Helden hat die BBC zwei zuverlässige Helfer an die Seite gestellt: den | |
| im Wortsinne schlagfertigen Sergeant Drake (Jerome Flynn, „Game of | |
| Thrones“) und – ohne Forensiker kann heute offenbar auch eine historische | |
| Krimiserie nicht auskommen – den ehemaligen Arzt der US Army, Captain | |
| Jackson (Adam Rothenberg). Beide Sidekicks sind einander in herzlicher | |
| Abneigung zugetan, was natürlich als Topos ein guter alter Bekannter des | |
| seriellen Fernsehens ist. Das gilt auch für andere Elemente und Klischees, | |
| die bedient werden. Allerdings mit – aus deutscher Perspektive, das | |
| deutsche TV-Programm vor Augen – beneidenswert souveräner Lässigkeit (Cool | |
| Britannia!). | |
| Die erste Folge „Ripper Street“ ist extrem vielversprechend. Das ZDF zeigt | |
| acht von insgesamt sechzehn Folgen, die die BBC produziert hat. Nach der | |
| zweiten Staffel war Schluss, die Quote zu schlecht. Und trotzdem wird der | |
| Ripper wieder umgehen, früher oder später, zumindest auf den Bildschirmen. | |
| 21 Feb 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Müller | |
| ## TAGS | |
| BBC | |
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