| # taz.de -- Baustoffe und Photovoltaik: Das Elektrizitätswerk in der Wand | |
| > Strom aus der Wand, aber richtig: Wissenschaftler der Uni Kassel | |
| > entwickeln einen Baustoff, der wie eine Solarzelle funktioniert. | |
| Bild: Ein Prototyp des Baustoffs. | |
| FREIBURG taz | Die Vision kursierte schon in den neunziger Jahren: Man | |
| trägt auf die Wand eine Farbe auf, und anschließend wandelt diese | |
| Sonnenlicht in elektrischen Strom um. Doch man ahnt es schon: In der Praxis | |
| ist das ziemlich kompliziert. | |
| An der Universität in Kassel forschen nun Wissenschaftler an einem | |
| „energieerzeugenden Beton“. Er besteht aus einem speziellen leitfähigen | |
| Beton, der in mehreren Lagen unter anderem mit einem Farbstoff beschichtet | |
| ist. Das Projekt trägt den Namen DysCrete; darin steckt das englische Wort | |
| für Farbstoffsolarzelle, sowie das Kürzel „crete“ für den Werkstoff Beto… | |
| „So wollen wir zum Beispiel Fassaden für die Stromerzeugung nutzbar machen, | |
| an denen sich klassische Solarmodule nicht anbieten“, sagt Alexander Wetzel | |
| vom Institut für konstruktiven Ingenieurbau an der Uni Kassel. Ziel sei es | |
| nicht, die etablierte Siliziumtechnik zu verdrängen: „Wir wollen vielmehr | |
| eine zusätzliche Alternative schaffen.“ | |
| Die Farbstoffsolarzelle selbst ist keine Kasseler Erfindung, sie beruht auf | |
| einer Entwicklung des Schweizer Chemikers Michael Grätzel. Aber die | |
| Verschmelzung von Farbstoffzelle und Baustoff ist neu. Deswegen wird das | |
| Projekt, das zunächst bis Mitte 2015 läuft, auch vom Bundesbauministerium | |
| mit rund 150.000 Euro gefördert. | |
| ## Geringer Wirkungsgrad | |
| Doch der Weg bis zur praxistauglichen Farbstoffzelle ist noch weit, daran | |
| lassen auch die Forscher aus Kassel keine Zweifel. Aktuell liege der | |
| Wirkungsgrad – also die Energieausbeute – noch unter einem Prozent, sagt | |
| Forscher Wetzel. Ziel sei ein Wirkungsgrad von rund 2 Prozent, was | |
| allerdings noch immer bescheiden ist, verglichen mit den etablierten | |
| Modulen auf Basis von Siliziumzellen. Die nämlich erreichen heute in der | |
| Serie bis zu 20 Prozent, holen also zehnmal so viel Strom pro Quadratmeter | |
| heraus. | |
| Doch einen solchen Vergleich will Wetzel nicht ziehen. Auf den Dächern, wo | |
| sich die klassischen Module anbieten, werde man diese zweifellos auch | |
| weiterhin nutzen. Aber dort, wo Silizium-Module nicht brauchbar sind, könne | |
| der Solarbeton eine Option sein. Zumal DysCrete auch diffuses Licht nutze | |
| und deswegen auch auf Gebäude-Nordseiten angebracht werden könne. Und weil | |
| die Herstellungskosten von Farbstoffzellen – so die Hoffnung der | |
| Wissenschaftler – in Zukunft „deutlich geringer“ seien als jene von | |
| Silizium-Solarzellen, könne man eben auch Standorte nutzen, die nicht | |
| optimal sind. | |
| ## Jahre bis zur Serienreife | |
| Doch was sollen die Zellen kosten? Man rechne mit etwa 5 Euro pro | |
| Quadratmeter, sagt Forscher Wetzel. Siliziummodule kosten das 20- bis | |
| 30-Fache pro Quadratmeter – bei deutlich höherer Ausbeute und einer | |
| Haltbarkeit von 20 Jahren und mehr. Wetzel hingegen muss eingestehen: „Wir | |
| müssen die Schichten immer wieder erneuern, eventuell jährlich.“ Im | |
| Idealfall sei das aber gar nicht so aufwendig; er denkt an eine Art | |
| Druckroboter – „vergleichbar einem Tintenstrahldrucker“ –, der die | |
| Schichten immer wieder aufbringt. | |
| Bis man den Kasseler Solarbeton im Handel kaufen kann, dürfte es also noch | |
| Jahre dauern, sofern er überhaupt jemals kommt. Denn es bleibt auch die | |
| Frage, ob der Ansatz der „In-situ-Fertigung“, also der Herstellung der | |
| Zellen auf der Baustelle, überhaupt der richtige ist. | |
| Schließlich gibt es bei den Farbstoffzellen auch ein ganz anderes Konzept, | |
| das zum Beispiel vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in | |
| Freiburg verfolgt wird: Die Zellen werden in der Fabrik durch einen | |
| einfachen Siebdruck hergestellt und zwischen Glasscheiben versiegelt. Das | |
| Problem mit der mangelnden Langzeitstabilität ist damit zwar auch noch | |
| nicht gelöst, aber immerhin erreiche man mit dieser Technik im Labor | |
| Wirkungsgrade von 7 Prozent, sagt ISE-Forscher Andreas Hinsch. | |
| 7 Mar 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernward Janzing | |
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