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# taz.de -- Diskussion um Erbschaftsteuer: Kretschmann lässt zurückrudern
> Will Baden-Württembergs Ministerpräsident Firmenerben privilegieren? Ein
> Sprecher der Landesregierung sagt, es gebe „keine konkrete Festlegung“.
Bild: Ist jetzt alles klar? Winfried Kretschmann.
BERLIN taz | Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann
(Grüne) hat seine Position zur Erbschaftsteuer klargestellt. Über eine
100-Millionen-Euro-Freigrenze gebe es in der Landesregierung keine
Verständigung, sagte Regierungssprecher Rudi Hoogvliet am Donnerstag der
taz. „Das ist ein Vorschlag des Finanzministers. Es ist sein gutes Recht,
Ideen zu entwickeln.“
Hoogvliet betonte, Kretschmann selbst habe keine Zahl in den Mund genommen.
„Es gibt auch noch keine konkrete Festlegung der Landesregierung.“
Baden-Württembergs Finanzminister Nils Schmid (SPD) wirbt in der Debatte
über eine Erbschaftsteuerreform für eine Freigrenze von 100 Millionen Euro.
Erben von Unternehmen, die weniger wert sind, würden von der Steuer
befreit. [1][Zwei Sprecher der Landesregierung hatten der taz am Mittwoch
zunächst bestätigt,] dass diese Linie mit Kretschmann abgestimmt sei.
Der Vorschlag von Schmid wäre eine deutlich mildere Reform, als sie
Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) plant. Der CDU-Politiker möchte die
Freigrenze bei 20 Millionen Euro ansetzen. So würde die Steuer bei mehr
Erbfällen greifen. Indem Kretschmann sich nun weiter bedeckt hält, umgeht
er die peinliche Deutung, ein grüner Ministerpräsident stünde in der
Steuerpolitik [2][rechts vom CDU-Finanzminister.]
## Mehr Geld für Länder und Kommunen
Sprecher Hoogvliet betonte, die Landesregierung sei sich bei zwei Kriterien
einig: „Eine Reform muss verfassungsfest sein, und sie muss
wirtschaftspolitisch vernünftig sein.“ Kleine Firmen müssten von der Steuer
verschont werden, so Hoogvliet. Aber auch große Unternehmen dürften nicht
in ihrer Existenz gefährdet werden. Diese vagen Aussagen sagen allerdings
nichts darüber aus, was Kretschmann wirklich will.
Nicht nur die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg ist sich bei
der Erbschaftsteuer uneins. Auch innerhalb der Grünen findet man
gegensätzliche Positionen. Manche Grüne finden die Vorschläge Schäubles
gut, andere würden sie gerne verschärfen, Wirtschaftspolitiker wollen eine
milde Reform.
Berlins Landeschef Daniel Wesener erklärte die Erbschaftsteuer zu einer
Gerechtigkeitsfrage. „Eine verfassungsgemäße Reform der Erbschaftssteuer
ist nicht nur eine zentrale Gerechtigkeitsfrage“, sagte er. „Es geht auch
um mehr Geld für Länder und Kommunen, für Bildung, Klimaschutz und die
Sanierung der maroden Infrastruktur – also auch für grüne Kernanliegen.“
Nordrhein-Westfalens Landeschef Sven Lehmann begrüßte die Pläne Schäubles.
„Es ist keine Leistung, Erbe zu sein“, sagte Lehmann. Die Erbschaftsteuer
sei eine Gerechtigkeitsteuer, weil sie Vermögende zur Finanzierung
wichtiger Zukunftsaufgaben heranziehe. „Große Betriebsvermögen zu
privilegieren ist einfach nicht mehr akzeptabel.“
## Gerecht oder ungerecht?
Lisa Paus, die Steuerexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion, kritisierte
hingegen Schäubles Pläne. „Freigrenzen von 20 Millionen Euro und mehr
bedeuten faktisch, dass Erben von millionenschweren Unternehmenswerten
pauschal von der Erbschaftsteuer befreit werden“, sagte sie. Dies geschehe,
obwohl die Erben mit Einkünften aus den Unternehmensgewinnen rechnen
könnten.
Die chaotisch anmutende Meinungsvielfalt bei den Grünen spiegelt einen
internen Konflikt, der seit der Bundestagswahl schwelt. Realos halten das
Finanzkonzept, das moderate Steuererhöhungen für Gutverdiener vorsieht, für
Gift in Wahlkämpfen, weil die Grünen viele Wähler in der oberen
Mittelschicht haben. Vertreter des linken Flügels finden die Idee richtig,
Vermögende für bessere Staatsfinanzen zu belasten.
Finanzminister Schäuble traf am Donnerstag erstmals die
Landesfinanzminister, um über die Erbschaftsteuer zu verhandeln. Ergebnisse
gab es noch nicht, dafür liegen die Positionen zu weit auseinander. Während
die CSU gegen eine Verschärfung Sturm läuft, finden andere Länder Schäubles
Eckpunkte sinnvoll.
„Die Eckpunkte von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble haben sich in dem
Gespräch mit den Länderministern als gute Grundlage erwiesen“, sagte
NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD). Sie berücksichtigten, dass
die Erbschaftsteuer auch, aber nicht nur unter wirtschaftspolitischen
Gesichtspunkten zu bewerten sei. Und auch Walter-Borjans findet: „Sie hat
auch eine Gerechtigkeitskomponente.“
12 Mar 2015
## LINKS
[1] /Reform-der-Erbschaftsteuer-/!156251/
[2] /Kommentar-Erbschaftsteuer/!156235/
## AUTOREN
Ulrich Schulte
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