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# taz.de -- Kolumne Besser: Die Islamfaschisten und ihre Feinde
> Was hätten Leute, die nun über die kurdischen Kämpfer gegen den IS die
> Nase rümpfen, über die ukrainischen Bauern gesagt, die Auschwitz
> befreiten?
Bild: Gedenkdemonstration für Ivana Hoffmann am Wochenende in ihrer Heimatstad…
Am Wochenende haben sich in Duisburg etwa 3.000 Menschen auf einer
Gedenkdemonstration von Ivana Hoffmann verabschiedet. Am Wochenende wurde
sie im kleinen Kreis bestattet.
Die junge Frau [1][war Anfang März bei den Kämpfen in Rojava], also den
kurdischen Gebieten Syriens, ums Leben gekommen – nicht auf Seiten des
Islamischen Staates, sondern im Kampf gegen ihn, als Mitglied der
türkischen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) und
unter dem Kommando der syrisch-kurdischen „Volksverteidigungseinheiten“.
Die erste deutsche Frau, die beim Kampf gegen den IS getötet wurde. 19
Jahre alt, lesbisch, der Vater aus Togo, die Mutter Deutsche. Eine
Abiturientin, die im Sommer vorigen Jahres die Schule abbrach, um sich,
[2][wie sie es formulierte], der „Revolution in Rojava“ anzuschließen.
Die MLKP ist eine stalinistische Partei, die in ihrer Programmatik wie in
ihrer der Symbolik aus der Zeit gefallen wirkt. Auch der [3][Märtyrerkult,
den sie nun um Ivana Hoffmann betreibt] („unsterblich geworden“), ist
befremdlich, um nicht zu sagen: abstoßend. Auch bei PKK oder ihrem
syrischen Ableger, der PYD, gibt es gute Gründe, Distanz zu wahren, ebenso
wie bei den irakisch-kurdischen Peschmerga oder der Freien Syrischen Armee.
Doch es sind nun mal diese Menschen, die sich der islamfaschistischen
Barbarei des IS entgegenstellen. Als effektivster Gegner des IS haben sich
bislang die PKK und die PYD erwiesen – natürlich auch dank der USA und
ihrer Verbündeten, was wiederum viele derer, die die „Revolution von
Rojava“ bejubeln, lieber verschweigen, weil es nicht in ihre
antiimperialistische Streichholzschachtelwelt passt.
Aber genau darum, eben weil diese Leute nicht nur für sich, sondern, wie es
Stéphane Charbonnier, der ermordete Chefredakteur von Charlie Hebdo
formulierte, stellvertretend für die gesamte Menschheit den Kampf gegen IS
führen, sind diese selbstgefälligen Kommentare aus der Ferne, die nach dem
Tod von Ivana Hoffmann allenthalben zu vernehmen waren, so niederträchtig.
Dieser Pseudohumanismus („Da werden junge Menschen als Kanonenfutter
verheizt“), diese pegidahafte, aber auch unter türkischen Nationalisten
beliebte blödsinnige Äquidistanz („Da kämpft eine Terrorgruppe gegen die
andere“), diese Herabwürdigung („Die 19-jährige wurde verblendet“).
## 19-Jährige aus Kansas
Man muss Organisationen wie die MLKP und die PKK nicht feiern. Aber man
kann wenigstens bei Todesmeldungen einfach mal die Klappe halten, erst
recht, solange niemand – am allerwenigsten die Bundesregierung – daran
denkt, eigene Soldaten in den Kampf gegen den IS schicken.
Und: Was wussten eigentlich 19-Jährige aus Kansas oder Georgia von der
Welt, als sie in der Normandie landeten? Welches Weltbild hatten 19-Jährige
aus dem galizischen Sumpfland oder der kasachischen Steppe, die Auschwitz
befreiten? Was trieb 19-Jährige aus Manchester oder Danzig dazu, sich den
Verteidigern von Madrid anzuschließen?
Und was hätten diese Leute, die nun über Ivana Hoffmann und die anderen
Kämpferinnen und Kämpfer gegen den IS die Nase rümpfen, wohl über diese
Menschen gesagt?
Besser: Sie behalten es für sich.
16 Mar 2015
## LINKS
[1] /Im-Kampf-gegen-den-IS-getoetet/!156112/
[2] http://de.indymedia.org/node/3812
[3] http://www.mlkp.info/index.php?icerik_id=9813
## AUTOREN
Deniz Yücel
## TAGS
„Islamischer Staat“ (IS)
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PKK
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