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# taz.de -- Ausstellung zur Problem-Immobilie: Spitzenmäßiger Brennpunkt
> Studierende gestalten die Grohner Düne um und betonen die positiven
> Aspekte der Hochhaus-Siedlung – bemerkenswerte Denkanstöße für den Bremer
> Norden.
Bild: Mit der Grohner Düne wollten die Architekten Urbanität und Kleinanleger…
BREMEN taz | Sie gilt als sozialer Brennpunkt, Spekulationsobjekt und als
Symbol für den Niedergang der Nordbremer Wirtschaft: Die Hochhaussiedlung
„Grohner Düne“ in Nähe des Vegesacker Bahnhofs. Entsprechend irritierend
klingen die Slogans, mit denen 18 Architektur-StudentInnen der Hochschule
ihre ab Mittwoch ausgestellten Arbeiten zur Problem-Immobilie anpreisen:
„Spitzen Lage, super günstig, top Aussicht“. Das mündet schließlich im
Titel der Ausstellung: „1A Düne“.
Dass ihre Perspektive quer zur gegenwärtigen Debatte verläuft, wissen die
Studierenden freilich ganz genau, wie eine Presse-Collage im
Eingangsbereich belegt: „Desinteresse an der Düne“, titelt dort der Weser
Kurier, „Grohner Düne im Müll“ die Bild – und die taz schrieb: „In der
Höhle der Heuschrecke“.
Diese Heuschrecke ist der Investor „Grand City Property“, der die 570
Wohnungen umfassende Anlage im vergangenen Jahr gekauft hat. Bevor sich
private Investoren die Klinke in die Hand gaben, gehörte die Siedlung der
Bremer Treuhand, die sie Anfang der 1970er-Jahre gebaut hat. Mit der
Geschichte der Eigentümer haben sich die Studierenden im ersten
Ausstellungsteil befasst – flankiert von Fallbeispielen zum Stand
bundesweiter Privatisierungs- und Rekommunalisierungskonzepte.
„Die Grohner Düne war von Anfang an ein Spekulationsobjekt“, sagt
Architektur-Professor Stefan Rettich, der das Projekt angeleitet. Gewohnt
und auch spekuliert habe hier damals die Mittelschicht: Kleinsparer mit
Anlagen ab 1.000 Mark und Arbeiter der nahen Vulkan Werft. Die beengende
Architektur entsprach dem Zeitgeist: „Urbanität durch Dichte“ war die
Leitformel solcher geballten Siedlungen.
Da setzen schließlich die konkreten Entwürfe der StudentInnen an. Sie
brechen etwa den festungsartigen Komplex auf und machen den Innenhof
zugänglich. Die Gruppen waren mehrfach vor Ort, um sich mit den
Lebensumständen der multikulturelle Bewohnerschaft vertraut zu machen. Das
findet sich in bisweilen auch kuriosen Details wieder: Die jungen
ArchitektInnen hätten auf einem Balkon Hühner entdeckt, sagt Rettich. Der
Selbstversorgungsgedanken fände sich nun in Dachgärten wieder. Aber auch
wenn sich die Landwirtschaft auf dem Hochhaus nicht durchsetzt – schön sind
die Gärten allemal.
Bisweilen sind die Interventionen recht einfach, aber pointiert:
Durchbrüche im Treppenhaus sorgen für klare Wegführung, die Umgestaltung
der Eingangsbereiche für gemeinschaftlich nutzbaren Raum. „Hier kann man
von Tenever lernen“, sagt Rettich – und tatsächlich wirken die dortigen
Wohnkomplexe erheblich offener und freundlicher. Das Mehr an Lebensqualität
geht allerdings zu Lasten des Wohnraums. Für eine Öffnung des
Gebäudekomplexes müssten etwa 50 Wohnungen weichen – angesichts des Bremer
Wohnungsmangels keine unproblematische Entscheidung. Bei einer derart
gravierenden Aufwertung müsse Architektur solche Gedanken aber „offen zur
Diskussion stellen“, so Rettich.
Weitere diskussionswürdige Denkanstöße finden sich in den Entwürfe der
Studierenden insbesondere beim Einbezug des nahen Bahnhofs und des
Hafenarreals. Einer dieser Arbeiten fokussiert auf die umliegenden
Grünflächen, wo sechs Schulen und Kitas angesiedelt sind. Auf der Zeichnung
sind die heute getrennten Bereiche zu einem „Bildungswald“ verschmolzen –
einer Parkanlage, in die sich das Hochhausrondell öffnet. Das wäre nicht
nur weniger beengend, sondern würde auch die Sonne rein lassen:
Ausgerechnet im Süden steht das höchste Gebäude des Komplexes.
Bemerkenswert ist auch, wie dieses Weg von der Ballung an gegenwärtige
Entwicklungen im Stadtteil anknüpft. In der Nachbarschaft befinden sich
etwa ein kaum besuchtes Einkaufszentrum und ein meist leeres Parkhaus,
während sich in Richtung der Friedrich-Klippert-Straße ein ungeplantes
neues Zentrum etabliert. Daran anzuschließen, wie es die Ausstellung
vorschlägt, leuchtet auf den ersten Blick ein und wäre möglicherweise
tatsächlich ein Ansatz, die unausgeschöpften Potenziale des Bremer Nordens
zu nutzen.
## Vernissage: 19 Uhr, Ausstellung: bis 28. April, AB-Gebäude der
Hochschule, Neustadtwall 30
17 Mar 2015
## AUTOREN
Jan-Paul Koopmann
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Bremen
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Rendite.
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