| # taz.de -- Österreichischer Musik-Hype: Pimmel und Philosophie | |
| > Alle roten Teppiche sind für die Wiener Band Bilderbuch und ihr drittes | |
| > Album „Schick Schock“ ausgerollt. Jetzt kommen sie damit auf Tour. | |
| Bild: Urarges Wien: Bilderbuch mit Maurice Ernst, 3. von links | |
| „Wie plakativ kann ein Text sein?“, fragt Maurice Ernst am Telefon. Und hat | |
| die Antwort selbst längst mit dem Song „Softdrink“ gegeben: „Zimmer mit | |
| Blick aufs Meer / So much love is in the air“ beginnt das Lied, das in der | |
| Aufzählung von stark gesüßten Erfrischungsgetränken mündet. Viel stärker | |
| könne man Werbung nicht mehr parodieren, findet der Sänger der Wiener Band | |
| Bilderbuch. Doch ist das Entscheidende an dem Song der Beat, der | |
| „Softdrink“ untermalt. „Soft! Drink! Hörst du das? Da ist der Beat doch | |
| sofort da.“ | |
| Wörter, die strahlen, suche er, wenn er die Songtexte schreibt. Englisch, | |
| Deutsch, egal. Hauptsache, es knallt. Und passt zur Musik. Musik zum | |
| Tanzen, zum Arschbewegen, zum Abgehen. Ist man ja gar nicht gewohnt, wenn | |
| jemand auf Deutsch singt. Weswegen jetzt auch alle ausrasten, der Band die | |
| roten Feuilleton-Teppiche ausrollen und die ganze Zeit von Sex reden, wenn | |
| sie „Schick Schock“, das neue Album von Bilderbuch, rezensieren. „Ich lese | |
| Proust, Camus und Derrida, mein Schwanz so lang wie ein Aal“. | |
| Wahrscheinlich wegen Zeilen wie diesen. | |
| Selten kamen Pimmel und Philosophie so charmant zusammen, haben | |
| französischer Dekonstruktivismus und Anbaggersprüche so zärtlich Händchen | |
| gehalten. Und am Ende ist alles nur Spaß. Der fette Pool, die nackten | |
| Köper, die schicken Autos, das Goldkettchen aus den Videoclips. All das | |
| Hinterm-Hintern-Hersein: „Sag es laut, jaul es raus, gib es zu“, wie es im | |
| titelgebenden Song „Schick Schock“ heißt. „Du bist hinter meinem Hintern | |
| her!“ „Wir sind Rock ’n’ Roller“, behauptet Ernst. | |
| ## Falco auf der Vergleichsliste | |
| Rock ’n’ Roller aus Österreich mit Tanzmusik? Schwuppdiwupp schreiben alle | |
| Falco auf die Vergleichsliste. Weil Österreich halt sonst niemanden hat, | |
| der international in Erscheinung getreten wäre. „Da spielen wir dann mit | |
| dem Klischee“, sagt Ernst, der manchmal so tanzt wie „Mr. Rock Me Amadeus“ | |
| persönlich. | |
| Kanye West und Prince stehen aber viel eher Pate für die Songs von | |
| Bilderbuch. Und alles, was man auf Spotify hören kann. „Wie Jugendliche | |
| halt Musik hören“, erklärt Ernst Einflüsse, die daher auch von Madonna bis | |
| ZZ Top reichen, bevor er über das baldige Sterben der CD sinniert, das | |
| sofort eintreten werde, wenn in Autos keine CD-Geräte mehr installiert | |
| sind. | |
| Ihr neues Album erscheint vorsichtshalber auf Vinyl, die vier Mittzwanziger | |
| haben dafür ihr eigenes Label Maschin Records gegründet, weil es „voll | |
| bescheuert“ wäre, sich in die Abhängigkeit anderer zu begeben. „Für so w… | |
| nimmt man Kredite auf und gibt auch noch Rechte ab.“ Auch sonst hat sich | |
| einiges geändert seit dem Debüt „Nelken & Schillinge“, das 2009 beim Wien… | |
| Label Schoenwetter Schallplatten erschien und noch sehr nach | |
| Indie-Gitarrenrock klang. | |
| ## Videos mit Swimmingpools | |
| Zwei Alben, Touren mit Casper und den Beatsteaks und einige Knallervideos | |
| voller Autos und Swimmingpools später ist die Band nun allen | |
| Festivalgängern und YouTube-Usern bekannt, aber auch all jenen, die | |
| Illustrierte im Wartezimmer oder beim Friseur studieren: Sie wissen, dass | |
| das Männermagazin GQ Ernst zum bestgekleideten Mann Österreichs gewählt hat | |
| („Ich schwöre, ich kenn’ da keinen“). | |
| Neben seinen extravaganten Jogginghosen und blondierten Haaren ist Ernsts | |
| Stimme am auffälligsten, neuerdings klingt sie eunuchenhoch. „Uns treibt | |
| immer eine Trotzhaltung an“, erklärt er die Bandphilosophie. „Das ist kein | |
| Konzept, vielleicht klingt das vierte Album ja ganz anders.“ Neuerfindungen | |
| à la Bowie schweben Ernst vor. „Verführerisch gesellschaftskritisch“ möc… | |
| der 25-Jährige mit Bilderbuch sein, „nicht pädagogisch“. | |
| Was gut funktioniert, wenn er sich in „Plansch“ am Pool räkelt, um dann zu | |
| singen: „Wenn du Angst vor der Zukunft hast, kauf dir einen Pool / Wenn du | |
| alles hast / Kauf noch mal einen Pool / Wenn du zu viel Geld hast, schmeiß | |
| es in den Pool / Wenn du alles hast, ersauf dich im Pool.“ Schließlich | |
| klingt Plansch auch wie „plunge“ (engl. Börsensturz). Wieder eines dieser | |
| Wörter, die ihn anstrahlen. Ob das nun alle verstehen, ist Ernst egal. „Ich | |
| biete Teenagern keine Lösungsvorschläge“, sagt er. „Gute Popmusik muss | |
| einem nicht auf die Nase binden, dass alles scheiße ist.“ Wo er recht hat, | |
| hat er recht: „Schick Schock“ ist gute Popmusik. | |
| 18 Mar 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Juliane Streich | |
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