| # taz.de -- Kommentar Griechenland: Lasst die Griechen wurschteln | |
| > Die ständigen Gipfel bringen nichts. Deutschland und die EU müssen | |
| > pragmatisch handeln und festlegen: kein neues Geld. Ansonsten macht, was | |
| > ihr wollt. | |
| Bild: Tsipras am 20.3.2015 auf dem Gipfel in Brüssel. | |
| Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel: Das nächtliche Treffen zwischen dem | |
| griechischen Premier Tsipras und einigen EU-Granden hat nichts gebracht – | |
| nur die Stimmung etwas aufgehellt. Aber die Schlachtordnung ist | |
| unverändert. Die Eurozone besteht auf Reformen in Griechenland, die gern | |
| auch „Hausaufgaben“ genannt werden. Die Griechen hingegen wehren sich | |
| direkt und indirekt gegen diese Einmischung von außen. | |
| Tsipras hat jetzt zwar versprochen, eine „vollständige Liste“ abzuliefern, | |
| welche Reformen er anstoßen will. Aber Papier ist geduldig, worauf der | |
| griechische Finanzminister Varoufakis immer wieder hinweist. Es sollte der | |
| Eurozone zu denken geben, dass die Troika nun schon seit fünf Jahren | |
| „Reformen“ anmahnt – und jedes Mal enttäuscht konstatieren muss, dass sie | |
| gar nicht oder nur unvollständig umgesetzt wurden. | |
| Der griechische Staat funktioniert nicht, wie es sich die Bürokraten in | |
| Brüssel oder Berlin vorstellen. Die Regierung hat nur eingeschränkte Macht. | |
| Selbst wenn Tsipras plötzlich zum rigiden Sparkommissar mutieren würde, | |
| blieben die Erfolge bescheiden. Denn die griechische Verwaltung und Justiz | |
| führen ein Eigenleben und widersetzen sich den Anordnungen von oben. | |
| ## Griechenland ist nun mal kein moderner Staat | |
| In Deutschland fanden es viele absurd, dass Varoufakis Touristen und | |
| Studenten einsetzen wollte, um den Mehrwertsteuerbetrug in Restaurants | |
| aufzudecken. Aber was absurd klingt, beschreibt nur die Realität in | |
| Griechenland. Der Tourismus ist die wichtigste Wachstumsbranche – läuft | |
| aber weitgehend schwarz. | |
| Griechenland ist kein moderner Staat, sondern steckt in einer Art | |
| Postfeudalismus fest. Daran verzweifeln nicht nur die EU-Minister – sondern | |
| auch viele Griechen. Es ist Konsens, auch in Griechenland, dass Reformen | |
| dringend nötig sind. Aber dieses Projekt erfordert mindestens eine | |
| Generation und lässt sich nicht mal eben zwischen zwei Gipfeln erledigen. | |
| Die Eurozone muss daher die Perspektive wechseln. Es bringt nichts, jede | |
| Woche mindestens ein Krisentreffen zu Griechenland abzuhalten und | |
| vorwurfsvoll-besorgt mit den Köpfen zu wackeln. Stattdessen sollte die | |
| Eurozone nüchtern ihre eigenen Interessen verfolgen, die da sind: Man will | |
| kein neues Geld für Griechenland ausgeben - und man will einen Grexit | |
| vermeiden, weil die Risiken nicht kalkulierbar sind. | |
| ## Wenn die Griechen keine Steuern zahlen wollen, ist das ihre Sache | |
| Beide Ziele wären billig zu erreichen. Momentan gewährt die Eurozone neue | |
| Kredite, damit die Griechen ihre alten Schulden bedienen können. Die | |
| Europäer wirtschaften also von einer Tasche in die andere. Diesen | |
| Kreisverkehr kann man genauso gut stoppen und ein Schuldenmoratorium | |
| vereinbaren. | |
| Ansonsten lässt man die Griechen einfach mit dem Geld wurtschteln, das sie | |
| haben. Und wenn viele Griechen es eine gute Idee finden, keine Steuern zu | |
| zahlen – dann sei es so. Dann müssen die Armen eben ohne Geld auskommen. | |
| Die „humanitäre Katastrophe“ in Griechenland würde endlich als das erkann… | |
| was sie ist: eine Katastrophe, die sich die Griechen gegenseitig antun. | |
| 20 Mar 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Herrmann | |
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