# taz.de -- Analyse der Lage im Jemen: Iran und Saudi-Arabien vor der Tür | |
> Keine der militärischen Parteien im Jemen scheint stark genug, es droht | |
> ein langer Bürgerkrieg – oder gar eine Regionalisierung des Konflikts. | |
Bild: Die Angst vor der Regionalisierung des Konflikts durch den Iran und Saudi… | |
KAIRO taz | Als Arabia Felix, das glückliche Arabien, war der Jemen in der | |
Antike bekannt. Doch dieser Tage braut sich Unheil über dem Land an der | |
Südspitze der Arabischen Halbinsel zusammen. Schon seit Wochen droht im | |
Jemen ein offenen Bürgerkrieg, der, einmal ausgebrochen, lange anhalten | |
dürfte, da keine Seite militärisch und politisch stark genug ist, den | |
Konflikt für sich zu entscheiden. | |
Normalerweise befindet sich das Land außerhalb des internationalen | |
Medienradars. Das änderte sich vergangenen Freitag, als bei mehreren | |
Anschlägen auf Moscheen der schiitischen Huthis fast 150 Menschen getötet | |
wurden. Das waren selbst für die leidgeprüften Jemeniten die schwersten | |
Attentate seit Jahren. | |
Doch erklärte sich nicht al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (Aqap), für | |
die der Jemen in den vergangenen Jahren zum idealen Rückzugsgebiet geworden | |
ist, als Verursacher der Tat. Stattdessen bekannte sich eine Gruppe im | |
Namen des Islamischen Staates (IS) in einer Audiobotschaft zu den | |
Anschlägen, wobei die Authentizität dieser Botschaft nicht endgültig | |
geklärt ist. Sollte der IS tatsächlich hinter der Tat stehen, würde das | |
bedeuten, dass der IS erstmals auch im Jemen operiert. Bislang hatten die | |
Dschihadisten ihrem Konkurrenten al-Qaida vorgehalten, gegenüber den | |
Schiiten zu wenig Härte zu zeigen. | |
Die unübersichtliche Gemengelage im Jemen besteht neben den militanten | |
Islamisten aus drei Hauptspielern. Da ist zunächst die | |
zaidistisch-schiitische Huthi-Bewegung, Ziel der Anschläge am Freitag. Die | |
einst im Norden des Landes marginalisierte Bewegung hat sich letztes Jahr | |
zur militärisch und politisch potentesten Gruppe des Landes entwickelt. Vor | |
sechs Monaten eroberten die Rebellen die Hauptstadt Sanaa, lösten das | |
Parlament auf und übernahmen mit einer Verfassungsdeklaration selbst die | |
Macht. | |
## Der Ex-Diktator hat noch Kontrolle über Teile des Militär | |
Sie taten das in Zusammenarbeit mit dem zweiten wichtigen Mitspieler, den | |
im Zuge des Arabischen Frühlings zum Machtverzicht gezwungene langjährigen | |
Diktator Ali Abdullah Salih, der mit seinem Sohn Ahmed noch Einheiten des | |
Militärs kontrolliert. Den Huthis verschafft dies mehr Feuerkraft und einen | |
sunnitischen Partner; Salih erhofft sich zumindest für seinen Sohn ein | |
politisches Comeback. | |
Der dritte wichtige Spieler, Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi, verließ am | |
Mittwoch mit unbekanntem Ziel den Präsidentenpalast in Aden im Süden des | |
Landes, wo er sich nach seiner Flucht aus Sanaa aufhielt. Damit setzte er | |
auf die Unabhängigkeitsbewegung. Die Einwohner des Südens fühlen sich seit | |
der Wiedervereinigung mit dem Norden im Jahr 1990 vernachlässigt. Doch ob | |
Hadi die Bewegung wirklich hinter sich bringen kann, ist fraglich, weil er | |
zu sehr mit der alten, verhassten Regierung verbunden ist. Umgekehrt ist | |
unwahrscheinlich, dass die Huthis langfristig die Kontrolle über das ganze | |
Land gewinnen und halten können – obwohl sie derzeit als die militärisch | |
stärkste Gruppierung erscheinen | |
Im Moment gibt es für den Jemen drei Optionen. Die erste ist eine lokal | |
begrenze militärische Auseinandersetzung, die lang andauern kann. | |
Die zweite Option ist, dass die Akteure erneut versuchen, doch noch eine | |
politische Lösung unter Vermittlung der UNO auszuhandeln. Der UN-Gesandte | |
Jamal Benomar warnt bisher relativ ohnmächtig vor der bevorstehenden | |
Spirale der Gewalt: „Keine Seite kann einen Bürgerkrieg gewinnen, der | |
einzige Weg nach vorn wäre Verhandlungen, die von allen Seiten | |
Zugeständnisse und Kompromisse abverlangen würden.“ Bisher scheint aber | |
keine Seite willens, sich ernsthaft darauf einzulassen. | |
## Wieder einmal droht der Konflikt Schiiten gegen Sunnniten | |
Bleibt als dritte Option eine Regionalisierung des Konflikts. In Syrien | |
erleben wir derzeit, welch verheerende Folgen das haben kann, wenn keine | |
Seite militärisch gewinnt und Regionalmächte von außen Öl ins Feuer gießen. | |
Vor allem Saudi-Arabien blickt mit großer Sorge auf das südliche | |
Nachbarland und die schiitische Huthi-Bewegung, die Riad als einen | |
verlängerten Arm Teherans ansieht. | |
Die Saudis haben in den vergangenen Jahren schon mehrfach gegen die Huthis | |
militärisch interveniert. Sollten sie das erneut tun, ist die | |
Wahrscheinlichkeit groß, dass sich der Iran aufseiten der Rebellen direkt | |
einmischt. Dies würde bedeuten, dass der vielschichtige Konflikt im Jemen | |
auf einen Konfessionsstreit zwischen Schiiten und Sunniten und einen Kampf | |
um Einflusssphären zwischen den Regionalmächten Saudi-Arabien und dem Iran | |
verkürzt wird. | |
Alles deutet im Moment auf die letzte Option hin. Der in Aden bedrängte | |
jemenitische „Außenminister“ und Hadi-Loyalist Raid Yassin forderte in | |
einem Interview mit der saudischen Zeitung Al-Schark Al-Aussat den | |
Golf-Kooperationsrat auf, zu intervenieren, ohne weiter ins Detail zu | |
gehen. Fast zeitgleich meldete sich auch der saudische Außenminister Saud | |
al-Faisal am Montag zu Wort und kündigte, auf den Jemen angesprochen, an: | |
„Wenn das nicht friedlich gelöst wird, wird die arabische Welt die | |
notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Region vor weiteren Aggressionen zu | |
schützen.“ | |
Symptomatisch für die Lage ist, dass US-Spezialeinheiten vergangene Woche | |
den von ihnen benutzen Luftwaffenstützpunkt al-Annad im Süden hastig | |
geräumt haben. Von dort hatten sie Operationen gegen Aqap koordiniert. Wie | |
es ein Pentagon-Beamter zusammenfasste: „Es war Zeit, unsere Jungs da | |
rauszuholen, ehe es zu spät ist.“ Am Mittwoch wurde der Stützpunkt von den | |
Huthis erobert. | |
25 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Karim El-Gawhary | |
## TAGS | |
Huthi | |
Saudi-Arabien | |
„Islamischer Staat“ (IS) | |
Jemen | |
Arabischer Frühling | |
Saudi-Arabien | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Huthi-Rebellen | |
Sunniten | |
Huthi | |
Iran | |
Bürgerkrieg | |
„Islamischer Staat“ (IS) | |
Huthi | |
Putsch | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Debatte Konflikt im Jemen: Riads seltsame Freunde | |
Viele Medien berichten tendenziös über den Konflikt im Jemen. Sie übersehen | |
die Verantwortung des Westens für die Eskalation des Konflikts. | |
Luftangriffe im Jemen: Dutzende Todesopfer | |
Um die Huthi-Miliz im Jemen zurückzudrängen, greift Saudi-Arabien | |
Raketenabschussrampen und andere militärische Ziele an. In Sanaa sterben | |
auch Zivilisten. | |
Kommentar Krieg in Jemen: Der Feind eint | |
Saudi-Arabien und seine Verbündeten riskieren einen Flächenbrand. Iran wird | |
nicht zusehen, wie die Arabische Liga die Huthi-Milizen niedermetzelt. | |
Reaktion auf Krieg im Jemen: Gemeinsame Armee aufbauen | |
Die Arabische Liga gründet eine Eingreiftruppe, um auf den Konflikt im | |
Jemen zu reagieren. Saudi-Arabien setzt die Angriffe auf Stellungen der | |
Huthi-Rebellen fort. | |
Krieg im Jemen: Attacke der „sunnitischen Allianz“ | |
Saudi-Arabiens Luftangriffe auf schiitische Huthi-Rebellen sollen Irans | |
Einfluss schwächen. Zugleich braucht der Westen Iran im Kampf gegen den IS. | |
Luftangriffe auf Huthi-Rebellen: Golfstaaten bombardieren Jemen | |
Die Huthis im Jemen kontrollieren immer mehr Gebiete. Saudi-Arabien und | |
Bündnisländer wollen den Vormarsch nun mit militärischen Mitteln stoppen. | |
Huthi-Rebellen im Jemen: Regierungschef auf der Flucht | |
Der Präsident flieht vor den Rebellen an einen geheimen Ort. Die Huthi | |
setzen ein Kopfgeld von 100.000 Dollar auf ihn aus und nehmen den | |
Verteidigungsminister fest. | |
Vormarsch der Huthi-Rebellen: Jemen wünscht militärische Hilfe | |
Präsident Mansur bittet die UN um die Errichtung einer Flugverbotszone. | |
Saudi-Arabien kündigte „notwendige Maßnahmen“ an, falls der Umsturz nicht | |
friedlich ende. | |
Kommentar Gewalt im Jemen: Tödliches „Jeder gegen jeden“ | |
Islamisten schüren den Glaubenskrieg, die Gewalt im Jemen nimmt immer | |
weiter zu. Das Land droht zu zerfallen. Und der Westen ist ratlos. | |
Jemens Staatschef widerruft Rücktritt: Kampfansage an Rebellen | |
Bisher kannte man ihn zurückhaltend und passiv. Nach seinem erzwungenen | |
Rücktritt erwarteten viele Resignation, ja Flucht. Aber Präsident Hadi will | |
aufgeben. | |
Putsch im Jemen: Immer weiter an die Macht | |
Zug um Zug, militärisch wie politisch, haben die Huthi-Rebellen die Macht | |
im Land an sich gerissen. Ob das ihr Ziel war, ist unklar. |