Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Germanwings-Flugzeugkatastrophe: Stress für Stewardessen und Pilot…
> Airlines verpflichten sich zum Vieraugenprinzip, Piloten dürfen im
> Cockpit nicht mehr allein sein. Flugbegleiter befürchten noch mehr
> Arbeit.
Bild: Flugzeuge sind stressige Arbeitsplätze.
BERLIN taz | In den USA ist die Zweipersonenregel seit Langem Pflicht– nach
dem Absturz der Germanwings-Maschine führen die deutschen
Fluggesellschaften sie nun sofort ein. Die Airlines hätten die freiwillige
Vereinbarung als Reaktion auf das Flugzeugunglück beschlossen, teilte der
Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) am Freitag mit.
Danach müssen immer zwei autorisierte Crewmitglieder im Cockpit sein.
Experten bezweifeln, dass diese Maßnahme den Absturz verhindert hätte
In der Flugpraxis bedeutet die neue Regel, dass sich Flugbegleiter neben
den Piloten im Cockpit setzen, während der andere Pilot zum Beispiel für
einen Toilettengang das Cockpit verlässt. Ob das Vieraugenprinzip den
mutmaßlichen Selbstmordanschlag des Germanwings-Piloten Andreas L.
verhindert hätte, bezweifelt Germanwings-Chef Thomas Winkelmann im ZDF:
„Mir stellt sich die Frage, wenn ein Mensch mit solcher Energie einen
kriminellen Akt begehen will, ob das dann zu verhindern ist, wenn eine
Flugbegleiterin oder ein Flugbegleiter im Cockpit ist.“
Der Vorsitzende der deutschen Flugbegleitergewerkschaft UFO, Nicoley
Baublies, will sich gegenüber der taz nicht an einer Spekulation über
mögliche Szenarien des Germanwings-Fluges beteiligen. Flugbegleiter hielten
die Maßnahme allerdings nicht für notwendig. Baublies schätzt den
kurzfristigen Vorstoß vieler europäischer Airlines als „populistisch und
symbolistisch“ ein. Aber wenn es dem Sicherheitsempfinden der Fluggäste
helfe, „soll es so sein“.
Baublies warnt die Airlines allerdings davor, „den Anschein zu erwecken,
dass Flugbegleiter Piloten kontrollieren würden. Wir haben großes Vertrauen
in unsere Cockpitcrews“. Es gehe allenfalls darum, dass die anwesende
Flugbegleiterin in Notfällen die stark gesicherte Cockpittür öffne.
Der Gewerkschaftschef prognostiziert durch die Zweipersonenregel mehr
Stress für die Kabinencrews – vor allem auf serviceintensiven
Kurzstreckenflügen: „Der Service muss dann unterbrochen und die Wagen
weggeräumt werden.“ Schon jetzt arbeiteten die Kabinencrews aller deutscher
Gesellschaften mit einem Minimum an Personal. Da für die Airlines die
Erhöhung des Personals „ein Riesenkostenthema“ sei, würden Betriebsräte
wohl künftig darauf drängen, den Service auf Kurzstreckenflügen zu
reduzieren, um die Flugbegleiterinnen in ihrer Mehrarbeit zu entlasten.
## Frust in Billigfliegern
Die Arbeitsbedingungen bei Billigfluglinien sind nicht nur für die
Kabinencrews, sondern auch für die Piloten in den vergangenen Jahren
deutlich schwieriger geworden. Und dabei spielt Geld keine große Rolle: „Im
Alltag von Piloten sind andere Faktoren oft viel entscheidender“, sagt
Norbert Huchler, Wissenschaftler am Institut für sozialwissenschaftliche
Forschung in München.
Huchler hat die Arbeitswelt von Piloten untersucht. „Da sind die
Bedingungen bei der Lufthansa im Gegensatz zu den Billigfluglinien einfach
besser.“ Viel belastender als die unterschiedlichen Gehälter sei es für
Piloten, ob sie ihre Ruhezeiten gestalten und ihre Freizeit planen könnten.
Auch die Frage, wo sie stationiert werden und wie oft die Station vom
Arbeitgeber geändert wird, belastet Piloten.
Billigfluglinien wie Germanwings träfen in den Arbeitsverträgen häufig
Regelungen zum Nachteil des Piloten. Gerade diese sozialen Aspekte seien
aber belastend, hat Huchler herausgefunden. Das zeige sich, wenn sie zum
Beispiel zu Schlafproblemen führen oder das soziale Umfeld betreffen. „Bei
Billigfluglinien ist das Frustpotenzial viel höher“, sagt Huchler.
Piloten müssten nahe am Flughafen wohnen, um diesen innerhalb einer Stunde
erreichen zu können. Doch verlegten Piloten nicht immer gleich ihren
Lebensmittelpunkt, wenn ihre Einsatzstation geändert werde. Viele Piloten
gründeten dann Wohngemeinschaften in Flughafennähe und pendelten zwischen
WG und Wohnort – was schwierig sei, weil die gesetzlich vorgeschriebenen
Ruhezeiten trotzdem eingehalten werden müssten. Huchler: „Das ist auf Dauer
sehr belastend.“
27 Mar 2015
## AUTOREN
Tobias Krone
Ruben Rehage
## TAGS
Germanwings
Flugzeugunglück
Arbeitnehmerrechte
Flugzeugunglück
Lufthansa
Piloten
Düsseldorf
Medien
Flug 4U-9525
Germanwings
Flug 4U-9525
Flugsicherheit
Germanwings
Piloten
Schwerpunkt Frankreich
## ARTIKEL ZUM THEMA
Flugzeugabsturz in Kolumbien: Totalversagen und Treibstoffmangel
Am Dienstag ist in der Nähe von Medellín ein Flugzeug abgestürzt. Der
aufgezeichnete Funkspruch des Piloten gibt Aufschluss über die Ursachen des
Unglücks.
Flugbegleiter der Lufthansa: Streik beginnt um 14 Uhr
Über insgesamt acht Tage wollen die Flugbegleiter der Lufthansa ihre Arbeit
niederlegen – bisher nur unterbrochen von einer Streikpause am Sonntag.
Kommentar Belastungen für Piloten: Von der Verantwortung
Depressionen dürfen nicht stigmatisiert werden. Die Krankheit verlangt aber
nach einer Betreuung, die zur kritischen Selbsteinschätzung befähigt.
Flugzeugkatastrophe Germanwings: Ermittlungsergebnisse zu Copiloten
Andreas L. soll vor dem Erwerb des Pilotenscheins wegen Selbstgefährdung in
Behandlung gewesen sein. Hinweise auf ein Tatmotiv gebe es jedoch bislang
nicht.
Crash der Germanwings-Maschine: Airbus-Chef kritisiert TV-Talkshows
Die Ermittler schließen die Möglichkeit eines technischen Defekts des
Airbus noch nicht aus. Unternehmens-Boss Enders empört sich über die
sogenannten Experten.
Germanwings-Crash: Das hätte man doch merken müssen!
Die Aufarbeitung beginnt. Mit unsinnigen Forderungen. Wenn Gesellschaften
nach unfehlbaren Vorbildern suchen, ist das selten erfreulich.
Flugzeugcrash in Frankreich: Trauerfeier im April im Kölner Dom
Die Suche nach den Opfern der Germanwings-Maschine in Frankreich dauert an.
Eine Trauerfeier ist für den 17. April geplant. Angehörige erhalten von
Lufthansa Soforthilfe.
Germanwings-Flugzeugkatastrophe: Copilot war krankgeschrieben
Hat Andreas L. eine Erkrankung verheimlicht? Der Copilot war am Unglückstag
offenbar nicht arbeitsfähig, in seiner Wohnung fand man einen zerrissenen
Krankenschein.
Konsequenzen nach Flugzeugabsturz: Immer zwei im Cockpit
Künftig soll sich kein Pilot während des Fluges mehr allein im Cockpit
aufhalten dürfen. Deutsche Fluggesellschaften wollen eine
Zwei-Personen-Regelung einführen.
Kommentar Flugzeugabsturz: Das Dilemma mit der Sicherheit
Der Copilot hat Flug 4U 9525 absichtlich abstürzen lassen. Der ständige
Versuch, Risiken auszuschließen, schafft am Ende neue Risiken.
Pilotenschule der Lufthansa: Harte Tests, gründliche Schulung
Der Nachwuchs muss anspruchsvolle Prüfungen bestehen. Psychologische
Gutachten gibt es nur am Anfang der Ausbildung.
Maßnahmen zur Flugsicherheit: Der fatale Cockpit-Panzer
Nach 9/11 müssen Cockpit-Türen während des Fluges verschlossen sein. Was
gegen Terroristen hilft, wurde jetzt offenbar zum tödlichen Verhängnis.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.