# taz.de -- Öko-Plastik aus Milch: Kuhstoff wird Kunststoff | |
> Milch war das Basismaterial des weltweit ersten Kunststoffs Galalith. | |
> Eine Firma nutzt die Technik nun wieder zur Produktion von Öko-Plastik. | |
Bild: Überschüssige Milch lässt sich sinnvoll verarbeiten. Frage ist nur, ob… | |
NEUSS taz | Plastik aus Biomasse gibt es schon lange. Aber wer kennt | |
Plastik aus Milch? Die Hannoveraner Firma „Qmilch“ hat sich an genau das | |
herangewagt. Eigentlich ist das Unternehmen für eine Faser für die | |
Textilindustrie bekannt, die seit vier Jahren aus Milch hergestellt wird. | |
„Dabei haben wir den zweiten vor dem ersten Schritt gemacht“, sagt | |
Geschäftsführerin Anke Domaske. Denn es ist schwieriger, aus dem | |
Molkereiprodukt Casein eine dünne, reißfeste Faser herzustellen als das | |
Kunststoffgranulat. | |
Tatsächlich war Milch sogar das Basismaterial des weltweit ersten | |
Kunststoffs Galalith, den der Chemiker Adolf Spitteler 1897 entwickelte. | |
Doch das viel günstigere Erdöl verdrängte die Milch, und so geriet die | |
Technologie in Vergessenheit. | |
Nun führt Qmilch die ersten nichttextilen Produkte auf dem Markt ein. Sie | |
haben laut Unternehmen die gleichen positiven Eigenschaften wie | |
Textilfasern aus Milch: Sie wirken antibakteriell, sind kompostierbar und | |
aus einem nachwachsenden Rohstoff. Dabei verwendet die Firma nicht etwa die | |
Milch, die auch in den Supermarktregalen landen könnte: Laut Unternehmen | |
wird nur Rohmilch verarbeitet, die nicht mehr zum Verzehr geeignet ist. | |
Rolf Buschmann, Referent für technischen Umweltschutz beim BUND, findet es | |
begrüßenswert, dass sich die Firma dazu verpflichtet und somit keine | |
Lebensmittelkonkurrenz entsteht. Dennoch wolle er das Milchplastik nicht | |
grundsätzlich „über den grünen Klee loben“. Denn Müllvermeidung solle i… | |
Vorrang haben. Auch bleibt die Sorge, dass andere Firmen die Technologie | |
nutzen und dabei normale Milch verwenden. | |
## Aber: Rechnet sich das? | |
In Hannover bei Qmilch ist man zuversichtlich, genug Rohstoffe für die | |
wachsende Produktion beschaffen zu können. Die Firma geht davon aus, dass | |
deutschlandweit jährlich 2 Millionen Tonnen Milch entsorgt werden. Zurzeit | |
produziere die Firma 2.000 Tonnen Milchkunststoff im Jahr, Tendenz | |
steigend. | |
Kunststoff aus Milch sei ein Nischenprodukt, sagt Michael Herrmann von | |
PlasticsEurope, dem führenden Verband der Kunststofferzeuger. Die | |
entscheidende Frage sei, ob sich die Herstellung rechne. Ähnliche Bedenken | |
hat Michael Thielen von der Fachzeitschrift bioplastics Magazine: „Die | |
Marktchancen hängen vom Verkaufspreis ab, der bei größeren | |
Produktionskapazitäten günstiger wird.“ | |
„Wir sind eindeutig teurer als Hersteller von Erdölprodukten“, sagt Anke | |
Domaske. Noch sei das Hauptgeschäft die Textilfaser. Aber bald schon würden | |
Folien und auch massive Gegenstände die Produktpalette der Firma erweitern. | |
Die Folien seien biologisch abbaubar und böten trotzdem eine bessere | |
Aromabarriere, sagt Domaske. Deshalb seien sie bei der | |
Lebensmittelverpackung gut zu verwenden. Demnächst kommt sogar ein Beißring | |
für Babys auf den Markt – hergestellt aus Milch. | |
31 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Lutz Debus | |
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