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# taz.de -- Fernsehdrama „Die Ungehorsame“: Die tägliche Demütigung
> Überraschend gut: Sat.1 zeigt einen Film über häusliche Gewalt – auf
> einem Sendeplatz, der sonst Politsatiren und Beziehungskomödien
> vorbehalten ist.
Bild: Die Ehe als Hölle: Alexander verprügelt Leonie.
Die Wände der Küche sind voller Blut, ein Toter liegt auf dem Fußboden, und
für die Polizeibeamten ist die Sache klar: Hier hat gerade eine Frau ihren
Ehemann brutal mit einer Tranchiergabel niedergemetzelt. Die ersten Minuten
des Fernsehfilms „Die Ungehorsame“ (20.15 Uhr, Sat.1) verlaufen nach
routiniertem Krimimuster, aber dann entwickelt er sich in eine andere
Richtung, wird zu einem aufwühlenden Justiz- und Beziehungsdrama.
Die verschlossene Mordverdächtige (Felicitas Woll) bekommt nämlich eine
junge Pflichtverteidigerin (Alina Levshin) zugewiesen, der sie die
Vorgeschichte der Tat erzählt und von der sie aufgefordert wird, auch dem
Richter alles zu berichten. Durch Rückblenden erfährt der Zuschauer, dass
die Angeklagte von ihrem Ehemann (Marcus Mittermeier) jahrelang gedemütigt
und geschlagen wurde und keine Chance sah, sich aus ihrer Lage zu befreien.
War es also Mord, Totschlag oder eher Notwehr?
Der Autor Michael Helfrich beschäftigt sich schon länger mit dem Thema und
sprach vor dem Verfassen des Drehbuchs mit zahlreichen Betroffenen: „Das
waren vor allem Frauen, die seit einiger Zeit in Frauenhäusern
untergekommen waren oder bereits ihr neues Leben ohne den früheren Partner
lebten. Auch in meinem erweiterten Bekanntenkreis traf ich Frauen, die
solche Erfahrungen machen mussten. Eine der wichtigsten Erkenntnisse bei
den Gesprächen war für mich, dass die häusliche Gewalt ein
schablonenartiges Muster aufweist, bestimmte Zyklen hat, die sich ständig
wiederholen.“ Dieses Muster, die psychologischen Mechanismen der
Täter-Opfer-Beziehung werden in dem Film nun klug aufgearbeitet, von allen
Schauspielern überzeugend gespielt und wirkungsvoll in Szene gesetzt.
Schade eigentlich, dass Sat.1 sich nicht häufiger an solch ambitionierte
Stoffe wagt, denn offenbar ist man dabei zu sehr guten Ergebnissen fähig,
die sich hinter öffentlich-rechtlichen Top-Produktionen nicht zu verstecken
brauchen. Aber der Schwerpunkt der Eigenproduktionen, von denen in diesem
Frühjahr acht TV-Filme bei dem Sender laufen, ist ein anderer.
## Nur selten drängt sich gehobenes Drama zwischen die Werbeblöcke
„Grundsätzlich steht der Dienstagabend in Sat.1 für die leichte,
unterhaltsame Komödie, und das erwarten die Zuschauer auch von uns“, sagt
Sat.1-Fiction-Chef Jochen Ketschau und hat vermutlich recht. „Von unseren
Produktionspartnern fordern wir mit Nachdruck neue, mutige Stoffe – und das
unabhängig vom Genre. Sind wir von Entwicklungen aus den Genres Drama und
Krimi überzeugt, dann produzieren wir sie wie in diesem Fall auch.“ Und so
gibt es dann also neben den manchmal überraschend quotenstarken Komödien à
la „Zwei Familien auf der Palme“ und den immer etwas albernen Politsatiren
wie „Der Minister“ eben nur ab und zu ein gehobenes Drama zwischen den
Werbeblöcken.
Das Risiko für den Sender besteht nun natürlich darin, dass sich die
Stammseher der Dienstagsfilme nicht für „Die Ungehorsame“ interessieren und
alle anderen, die sich für solche schweren Stoffe interessieren könnten,
den Sender gar nicht auf dem Schirm haben.
Direkt im Anschluss an den Film zeigt Sat.1 eine Dokumentation zum Thema.
„Wir wollen zwei- bis dreimal im Jahr solche Themenabende anbieten“, sagt
Jochen Ketschau. „In erster Linie dann, wenn der Inhalt unseres Films eine
große gesellschaftliche oder soziale Relevanz hat. Gerade haben wir eine
bundesweite Studie in Auftrag gegeben, die diese Programmstrategie noch
einmal bestätigt hat: 73 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass ein
Themenabend um ,Die Ungehorsame‘ die Bevölkerung für das Thema häusliche
Gewalt sensibilisieren kann.“
Das wäre eine gute Sache, denn Studien zeigen, dass jede vierte Frau im
Alter von 16 bis 85 Jahren schon einmal Gewalt durch den Partner erlebt
haben. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein, und gesprochen wird
darüber zu wenig.
31 Mar 2015
## AUTOREN
Sven Sakowitz
## TAGS
Gewalt gegen Frauen
Drama
Sat.1
häusliche Gewalt
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Frauenhaus
Fernsehfilm
Sexualstrafrecht
häusliche Gewalt
häusliche Gewalt
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