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# taz.de -- Fernsehfilm „Krüger aus Almanya“: Paul schafft sich ab
> Horst Krause ist diesmal mal nicht Horst Krause. Er ist ein
> kleinbürgerlicher Rentner, an dem Pegida Freude hätte – bis er in die
> Türkei fahren muss.
Bild: Heißt im Film mal ... Paul Krüger.
Horst Krause heißt in diesem Film einmal nicht Horst Krause. Sondern Paul
Krüger. Das spielt aber keine Rolle. Natürlich ist dieser Paul Krüger (auch
ein Name mit sechs Buchstaben und K am Anfang) niemand anderes als Horst
Krause: die nicht mit dem Schauspieler Horst Krause identische Kunstfigur
Horst Krause, die Horst Krause seit 1998 in 25 „Polizeirufen“ und vier
weiteren Filmen verkörpert hat.
Man darf diese Art des Schauspielens keinesfalls unterschätzen. Die
Giganten Charlie Chaplin, Jerry Lewis und John Wayne haben im Grunde immer
die gleiche Rolle gegeben. (Gut, bei Ralf Moeller und Til Schweiger verhält
sich das auch nicht anders.)
Horst Krause – die Kunstfigur, nicht der Schauspieler –, der hier also Paul
Krüger heißt, ist ein Pedant, ein kleiner Mann, nicht im wörtlichen Sinn,
von der Statur her ist er das Gegenteil. Seine linkische Motorik lässt ihn
immer etwas tölpelhaft aussehen und stellt damit klar, dass seine
Intelligenz eher von der emotionalen Art ist. Er ist ein Gemütsmensch.
Der RBB-„Polizeiruf“ soll bald ohne Polizeihauptmeister Horst Krause
auskommen. Es gibt eine Altersgrenze für Polizisten. Horst Krause ist 73.
Sein Alter Ego Paul Krüger, auch Ostler, Rentner, Exringer, fünfter Platz
bei der WM in Sofia 1971, muss sich gewissermaßen erst finden.
## Am Stammtisch eingerichtet
Zu Beginn von „Krüger aus Almanya“ ist der kleine Mann ein
ressentimentgesteuerter Kleinbürger. Ein potenzieller Pegidist. Der sich
eingerichtet hat mit seinen Vorurteilen und am Stammtisch in der Eckkneipe
mit dem schönen Namen „Am Flachbau“ – die gibt es in Berlin wirklich, in
der Neuenburger Straße. Die vielen Türken in seiner Kreuzberger
Nachbarschaft sind ihm zuwider, denn: „Mohammedaner bleibt Mohammedaner!“
Und: „Das sind doch alles Islamisten!“
Am Grab seiner vor 30 Jahren verstorbenen Frau klagt er: „Die Deutschen
sterben aus, Hildchen. Sei froh, dass du das nicht mehr erleben musst!“ Es
kommt noch viel schlimmer: „Meine Annie will sich verloben! Mit einem
Mohammedaner! Ausgerechnet! Und ich erfahre das aus ’ner Postkarte, in der
sie mich zur Verlobung in die Türkei einlädt!“
Paul Krüger muss also nach Antalya, um seine einzige Enkelin davor zu
bewahren, „zur Gebärmaschine für kleine Mohammedaner“ zu werden. Er packt
Wiener Würstchen, Schonkaffee und Entkeimungstabletten in den Koffer. In
der Türkei angekommen, geht es dann – nach ein paar Tölpeleien – recht
schnell. Paul Krüger lernt die türkische Gastfreundschaft und Herzlichkeit
kennen, die gute Küche und den starken Kaffee.
Er schaut in die Sterne und sagt: „Mensch, Hildchen. Das hätte dir auch
gefallen.“ Kurz: Paul Krüger findet sich. Er findet außerdem ein syrisches
Flüchtlingskind und einen türkischen Großonkel, der sich an die Ringer-WM
1971 in Sofia erinnert. Was wichtig ist für das Happy End.
## Schonkaffee
Der Film ist ein klassischer Entwicklungsroman im 90-Minuten-Zeitraffer,
und seine Moral hat Alexander von Humboldt formuliert: „Die gefährlichste
aller Weltanschauungen ist die Weltanschauung derer, die die Welt nie
angeschaut haben.“
Das Motiv des ausländerfeindlichen, grantelnden Kleinbürgers, der zunächst
widerwillig mit der türkischen Kultur vertraut gemacht wird (weil er,
gespielt von Elmar Wepper, sich plötzlich um ein kleines „Kopftuchmädchen“
kümmern muss), gab es vor vier Jahren schon in Christian Züberts
großartigem, unaufdringlichem, intensivem Film „Dreiviertelmond“.
Marc-Andreas Bochert (Buch, zusammen mit Elke Rössler, und Regie) hat nun
einen Film gemacht, der klischeesatter, schlichter gestrickt und
vorhersehbarer kaum sein könnte. Genau das, wofür das Degeto-Label der ARD
stand und immer noch steht: Schonkaffee.
Dass „Krüger aus Almanya“ trotzdem nicht zum Abschalten ist, hat nur einen
Grund: Horst Krause. Der hat auch eine Moral, mit Paul Krügers einfachen
Worten geht sie so: „Die Hauptsache ist doch, dass man sich nicht die
Butter vom Brot nehmen lässt.“
11 Apr 2015
## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
Fernsehfilm
ARD
Polizeiruf 110
ARD
Gewalt gegen Frauen
Arte
Mauer
Neukölln
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