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# taz.de -- Pläne für Humboldt-Forum in Berlin: Die Welt der Anderen
> Ein Weltstadt-Berlin-Museum ist das falsche museale und politische
> Signal. Besser wäre ein Konzept, welches das kulturelle Welterbe
> ausstellt und diskutiert.
Bild: Was soll hier rein? Die Baustelle des Humboldt-Forums, sprich Schlossnach…
Mit dem bevorstehenden Richtfest des Humboldt-Forums kommt endlich Bewegung
in die müde und festgefahrene Debatte über diese neue Kulturstätte von
internationaler Bedeutung. Vorweg: Ich vertrete die Auffassung, dass wir
hier von einer musealen Einrichtung sprechen müssen und nicht von einem
Kulturhaus im Stil eines Gemischtwarenladens.
Die Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische
Kunst bilden den Kern des Humboldt-Forums, und, obwohl das bisher nur sehr
leise zu hören war, die Sammlung des Museums Europäischer Kulturen gehört
ganz ohne Zweifel auch dazu. Nur so wird der Zusammenhang deutlich, dass
der größte Teil der ethnologischen Objekte aus ehemaligen europäischen
Kolonialgebieten stammt und die Forschungen und Ausgrabungen von Europa
ausgingen.
Warum muss man von Sammlungen sprechen? Weil sie und nur sie der
Ausgangspunkt für konzeptionelle Überlegungen sein können, die das
zukünftige Format des Humboldt-Forums bestimmen werden. Das Entscheidende
ist dabei jedoch, dass diese Sammlungen unter einer Leitidee zum Sprechen
gebracht werden müssen. Daran mangelt es bisher (fast) vollständig.
## Die Maximen Humboldts
Für meine Begriffe sollten dabei vier wesentliche Gedanken im Vordergrund
stehen: 1.) eine radikale Neugierde auf die Welt der Anderen, 2.) eine
wissenschaftliche Erforschung der Gefahren, denen gewachsene Kulturen in
anderen Teilen der Welt ausgesetzt sind, 3.) eine konsequente öffentliche
Kommunikation über die Folgen dieser Gefährdung für die Welt und 4.) eine
permanente Debatte über die Integration gefährdeter Kulturen in die
zukünftigen Stadtgesellschaften. Alle vier Gedanken sind Maximen Alexander
von Humboldts.
Das Humboldt-Forum verstehe ich als eine Art globales Kulturschutzzentrum.
Es vermittelt mit allen Möglichkeiten moderner Ausstellungstechnik dem
Besucher, welche Folgen die Bedrohung von materiellen und immateriellen
Kulturen für die gesamte Welt hat. Die abstrakte Formel vom „Dialog der
Kulturen“ muss also auf ein Ziel ausgerichtet werden. Und dieses Ziel ist
für mich mit der politischen Intention verknüpft, den Besuchern des
Humboldt-Forums in immer wieder wechselnden Präsentationen zu
demonstrieren, dass der Schutz von Kulturgütern zu den höchsten Werten der
menschlichen Gemeinschaft gehört.
Um zu verstehen, warum sie schützenswert sind, müssen wir sie dem Besucher
nahebringen und ihm zeigen, welche Folgen deren Verdrängung oder Zerstörung
haben.
Wer ständige Präsentationen und Wechselausstellung unter dieser Leitidee
konzipiert, ist gezwungen, seine Sammlungen systematisch nach Objekten zu
durchforsten, die ein entsprechendes Narrativ haben. Jede Kuratorin und
jeder Kurator bewertet Ausstellungsstücke nach ihrem Potenzial,
Zusammenhänge über die Möglichkeiten und Grenzen der Bewahrung von Kulturen
darzustellen. Dazu gehört natürlich auch der offene Umgang mit den
Rückgabeforderungen von indigenen Kulturen und Völkern sowie
kolonialisierten Regionen.
Nein, in dieses Konzept passt keine Ausstellung, in der Berlin sich selbst
feiert! Das ist nicht kompatibel mit dem Selbstverständnis einer Weltstadt.
Viel überzeugender wäre ein Gestus, der jedes Jahr eine andere Stadt der
Welt einlädt, sich im Humboldt-Forum zu präsentieren.
Daraus würde automatisch ein Dialog mit den Sammlungen der ehemaligen
Museen in Dahlem entstehen. Dadurch trifft Geschichte auf Gegenwart und
umgekehrt.
Jeder kann sich leicht ausmalen, wie faszinierend eine Präsentation der
Städte Hongkong, Neu-Delhi, São Paulo oder Helsinki in Berlin wäre. Dabei
darf es natürlich nicht um eine Selbstbeweihräucherung gehen, sondern die
Städte würden aufgefordert werden, sich zu bewerben und Lösungen zu
präsentieren, wie sie mit ihrem historischen Erbe verfahren und wie sie in
der Gegenwart mit den aktuellen Problemen der Stadtpolitik umgehen:
Umweltschutz, Konzepte zur behutsamen Stadterneuerung, Erhaltung von
bezahlbarem Wohnraum, Umgang mit Flüchtlingen und Zugewanderten,
Stadtraumbewirtschaftung, Grünflächennutzung und Energiefragen et cetera.
Denn der Umgang mit diesen Fragen wird die Entwicklungschancen der
internationalen Stadtkulturen bestimmen und sollte deshalb ein essenzieller
Bestandteil des Forums werden.
Und wer bezahlt das? Die drei oben genannten Museumssammlungen sollten in
eine selbstständige „Stiftung Humboldt-Forum“ überführt werden, damit ei…
handlungsfähige und neue Institution entstehen kann, die selbstverständlich
weiterhin eng mit den Staatlichen Museen zu Berlin kooperiert.
Das Programm „Zu Gast in Berlin“ wird ein integraler Bestandteil des
Forums. Seine Kosten tragen das Land Berlin und die ausgewählten Städte
jeweils anteilig. Eine solche Investition ist eine Investition in die
Zukunft Europas im Herzen Berlins. Sie schärft das Bewusstsein für den
Schutz des kulturellen Erbes der Menschheit und eröffnet Debatten über die
Frage, wie wir zukünftig in einer gemeinsamen Welt leben wollen.
2 Apr 2015
## AUTOREN
Udo Gösswald
## TAGS
Humboldt Forum
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Stadtschloss
Humboldt Forum
Kunst
Tim Renner
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