# taz.de -- Berlins Kulturstaatssekretär in der Kritik: Peymann pöbelt wieder | |
> Der Chef des Berliner Ensembles Claus Peymann knöpft sich Berlins | |
> Kulturstaatssekretär Tim Renner vor: Dieser sei die „Größte Fehlbesetzung | |
> des Jahrzehnts. | |
Bild: Da schaut der Renner doch ein bisschen geknickt | |
Berlins Kulturstaatssekretär Tim Renner (SPD) sieht sich nach einem knappen | |
Jahr im Amt heftigen Angriffen ausgesetzt. Nach Frank Castorf, Intendant an | |
der Berliner Volksbühne, der kürzlich der Kulturverwaltung Inkompetenz | |
vorgehalten hatte, kritisierte nun auch Claus Peymann Renner scharf. | |
Der Theaterdirektor des Berliner Ensembles (BE) bezeichnete am Mittwoch in | |
einem offenen Brief an den Regierenden Bügermeister und Kultursenator | |
Michael Müller (SPD) den Staatssekretär „als die größte Fehlbesetzung des | |
Jahrzehnts“. Dieser habe in seiner Arbeit „noch kein Fettnäpfchen | |
ausgelassen“. | |
Peymann nahm – wie sonst auch – kein Blatt vor den Mund: „Mir bricht | |
buchstäblich der Angstschweiß aus, wenn ich mir vorstelle, was dieser | |
unerfahrene und in dieser Position völlig überforderte Mann bereits | |
angerichtet hat – und was uns noch erwartet.“ Der BE-Chef hatte den Brief | |
demonstrativ per Boten ins Rote Rathaus bringen lassen. | |
Auslöser für den Wut-Rüffel sind Gerüchte, Renner wolle den Leiter der | |
Londoner Tate Gallery, Chris Dercon, zum Nachfolger des bis 2017 | |
amtierenden Volksbühnen-Intendanten Castorf machen. Renner habe vor, | |
kritisierte Peymann, die einst so ruhmreiche Volksbühne zum „soundsovielten | |
Event-Schuppen“ der Stadt umwandeln. Ebenfalls gehen derzeit Mitarbeiter | |
der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) mit dem Staatssekretär ins Gericht, | |
da dieser die Bibliothek strukturell nicht voranbringe. | |
Tim Renner reagierte noch am Mittwoch auf Peymanns Vorwürfe und wies die | |
Anschuldigungen zurück. Es sei schade, dass der BE-Mann „nur noch bedingt | |
für Änderungen und Neuerungen offen zu sein scheint“, sagte Renner. | |
„Unverständlich ist jedoch, dass er sich bezüglich der von ihm häufig | |
kritisierten Volksbühne an der Verbreitungen von Spekulationen und | |
Gerüchten beteiligt.“ | |
Trotzdem blieb die Luft für Renner gestern dünn: Auch aus dem Haus von | |
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und von den Berliner Grünen | |
kamen harte Worte. | |
Grütters‘ Sprecher Hagen Philipp Wolf forderte einen „verantwortlichen“ | |
Umgang mit der Volksbühne und warnte davor, Doppelstrukturen bei den | |
Berliner Kultureinrichtungen zu schaffen. „Außerhalb von Berlin könnte dann | |
die berechtigte Frage entstehen, ob das hohe Engagement des Bundes noch | |
vertretbar ist“, warnte Wolf. | |
Unterstützung erhielt Peymann von Sabine Bangert, kulturpolitische | |
Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus: „Ich hätte es nie für | |
möglich gehalten, dass ich mit Herrn Peymann eine nahezu 100-prozentige | |
Übereinstimmung erziele, aber ich muss sagen: Er hat recht. Und ich hoffe, | |
dass der Regierende Bürgermeister und Kultursenator möglichst bald sein | |
Gesprächsangebot annimmt.“ Peymann hatte in seinem Brief Müller daran | |
erinnert, dass dieser seit Dezember 2014 nicht auf den Vorschlag reagiert | |
hatte, gemeinsam über die Zukunft der Theater zu sprechen. „Vielleicht darf | |
ich Sie daran erinnern, dass Sie als amtierender Kultursenator für die | |
Agenda der Berliner Kulturpolitik verantwortlich sind“, so Peymann an | |
Müller. | |
1 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Rolf Lautenschläger | |
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