Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- 250 Jahre Patriotische Gesellschaft: „Immer reformorientiert und …
> Die Patriotische Gesellschaft will für Demokratie und Frieden in Hamburg
> sorgen. Ein Gespräch mit Vorstand Jürgen Lüthje über den heute
> missverständlichen Namen und Vermittlungsprojekte.
Bild: Als Vermittlerin schaltete sie sich 1987 im Konflikt um die Hafenstraßen…
taz: Herr Lüthje, Sind Sie ein richtiger Patriot?
Jürgen Lüthje: Das kommt auf die Definition des Begriffs an: Im Sinne der
Patriotischen Gesellschaft, also der Aufklärung, fühle ich mich als
Patriot. Damals, vor 250 Jahren, waren die Patrioten Menschen, die als
Republikaner den Feudalismus und monarchische oder aristokratische
Herrschaft durch eine Republik ablösen wollten. Das hat die Patriotische
Gesellschaft als eine der ersten im deutschen Sprachraum aktiv vertreten.
Was heißt es, heute patriotisch zu sein?
Sich freiwillig und unabhängig für das Gemeinwohl zu engagieren. Der
Begriff ist erst durch den Nationalismus und den Chauvinismus diskreditiert
worden, der sich über die Ausgrenzung anderer Kulturen und Völker
definierte. Wir treten dafür ein, dass sich diese Missdeutung des Begriffs
nicht durchsetzt.
Glauben Sie, dass Sie damit in Zeiten von Pegida weit kommen?
Gegenüber dieser Bewegung haben wir uns mit einer Erklärung entschieden
abgegrenzt. Sie missbraucht sprachliche Begriffe und politische Werte. Die
Organisatoren von Pegida sind keine patriotischen Europäer, sondern
Populisten und Extremisten, die eine überhaupt nicht drohende Islamisierung
des Abendlandes als Gefahr an die Wand malen, um gegen Integration und
Asylrecht zu agitieren.
Wieso hat die Patriotische Gesellschaft im Dezember Räume an die AfD
vermietet? Instrumentalisiert die entsprechende Klientel da nicht Ihren
Namen?
Die Räume werden durch eine selbstständige Tochtergesellschaft vermietet.
Die Geschäftspraxis ist grundsätzlich durch Offenheit für alle
verfassungsgemäßen Institutionen und Organisationen geprägt. Insofern kann
auch die AfD sich um die Anmietung bewerben. Im Rahmen der Vertragsfreiheit
ist zu entscheiden, ob eine Organisation in ihrem öffentlichen Auftreten
unsere Programmatik von Toleranz, Weltoffenheit und Demokratie respektiert.
Würden Sie die Räume erneut an die AfD vermieten?
In dem konkreten Fall handelte es sich um eine AfD-interne, nicht um eine
öffentliche Veranstaltung. Insofern bestand keine Gefahr einer mit unseren
Grundsätzen unvereinbaren Außenwirkung. Künftig werden wir das kritisch
prüfen.
Sie kommen nicht aus Hamburg. Lässt man Sie hier überhaupt mitreden?
Warum denn nicht? Es gehörte immer zur Tradition der Patriotischen
Gesellschaft, auch solchen Menschen alle Möglichkeiten zur Mitwirkung zu
geben, die nicht in der Stadt geboren sind und sich beruflich in der Stadt
engagiert haben. Auch „Stand“ und „Rang“ haben in der Gesellschaft nie …
Rolle gespielt.
Woran machen Sie das fest?
Seit ihrer Gründung hat die Gesellschaft mit der Mehrheit der Stimmen
entschieden, in dieser Zeit eine ungewöhnliche, freie Form der
Willensbildung.
Aber die Hamburger Oberschicht ist doch bis heute eine geschlossene
Gesellschaft.
Die Patriotische Gesellschaft hat die damalige ständische Gesellschaft in
Hamburg erfolgreich aufgebrochen. Mitte des 19. Jahrhunderts ist sie sehr
entschieden für eine Verfassungsreform eingetreten, die das Recht zur
aktiven Mitwirkung in der Bürgerschaft von dem Grundeigentum gelöst hat.
Damals wurde die repräsentative, wenn auch noch keine gleiche Wahl
eingeführt. Das geschah erst mit der Verfassungsreform der Weimarer Zeit,
die von der Patriotischen Gesellschaft mitgetragen wurde.
Versteht sich die Patriotische Gesellschaft als Kitt zwischen den sozialen
Klassen?
In Hamburg hat sie fast alle wichtigen Reformen vorgedacht und in die
Politik hinein vermittelt, so dass sie verwirklicht wurden. Sie hat sich
von Anfang an sozial engagiert, sich etwa dafür eingesetzt, dass auch
Handwerker, Tagelöhner und Hausgehilfinnen ihr Geld bei einer Sparkasse
anlegen konnten. Das war bis dahin nicht möglich. Auch das damals
sogenannte Armenwesen wurde von der Patriotischen Gesellschaft grundlegend
reformiert.
Inwiefern?
Die Patrioten wandten sich gegen das damals gängige Vorurteil, dass Armut
eine Folge von Faulheit und falscher Lebensführung sei. Die Patriotische
Gesellschaft hat dem die Erkenntnis entgegengestellt, dass Armut durch
wirtschaftliche und soziale Entwicklungen verursacht wird. Sie hat immer
auf der Seite reformorientierter und sozialer Bestrebungen gestanden.
Als Vermittlerin schaltete sich die Patriotische Gesellschaft 1987 im
Konflikt um die Hafenstraßen-Häuser ein. Heute wirkt die Institution
dagegen angestaubt. Hat sie an Bedeutung verloren?
Das kann ich nicht erkennen. Mit dem Diesterweg-Stipendium etwa werden
Kinder und Familien aus anderen Kulturen wirksam gefördert. Ein anderes
erfolgreiches Programm heißt „Seitenwechsel“. Es gibt Menschen auf der
Managementebene die Möglichkeit, in sozialen Institutionen mitzuarbeiten
und so die Welt aus anderer Perspektive zu erleben. Gegenwärtig arbeiten
wir an einer Initiative, die einen langfristigen Hamburger
Wissenschaftskonsens vermitteln will.
10 Apr 2015
## AUTOREN
Lena Kaiser
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Hamburg
Schwerpunkt Pegida
Hafenstraße
Lesestück Recherche und Reportage
Häuserkampf
## ARTIKEL ZUM THEMA
Unter Reichen: Man spielt Tennis
In Hamburgs Elbvororten leben die meisten Vermögenden. Wie ist es, dort
aufzuwachsen, einen Habitus anzunehmen, der einem Tür und Tor öffnet?
Mehr als ein Alt-Herren-Verein: Die Patrioten und die Hausbesetzer
Die Patriotische Gesellschaft wird 250 Jahre alt. 1987 war sie die
entscheidende Vermittlerin im Konflikt um die besetzten
Hafenstraßen-Häuser.
Ex-Uni-Präsident zur Hochschulpolitik: „Es gibt Scheingefechte“
Der frühere Uni-Präsident Jürgen Lüthje will in der Wissenschaftspolitik
einen Konsens bewirken. Teilweise pflichtet er seinem Nachfolger bei.
Häuserkampf in der Hafenstraße: Acht Tage im November
Vor 25 Jahren errichteten die BewohnerInnen und Unterstützer der Hamburger
Hafenstraße Barrikaden. Die Stadt war gespalten. Alle wussten: Bei einer
Räumung hätte es Tote geben können.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.