# taz.de -- Wissenschaft im Dritten Reich: Ägyptologen mit Nazi-Hintergrund | |
> Wie stark kollaborierte die Ägyptologie im Dritten Reich mit den Nazis? | |
> Eine Untersuchung, die den Wissenschaftler Hermann Grapow entlasten will, | |
> überzeugt nicht. | |
Bild: Höchst umstritten: Hermann Grapow (1885-1967), Ägyptologe. | |
„Überzeugter Nationalsozialist“ sei er gewesen, mit „absoluter Loyalität | |
zum NS-Staat“, urteilen Forscher über Hermann Grapow (1885–1967). Grapow | |
war ein deutscher Ägyptologe, wissenschaftlich hoch geschätzt für seine | |
Mitarbeit am Wörterbuch der ägyptischen Sprache, zugleich Beispiel für die | |
politische Belastung des Fachs im „Dritten Reich“. Der Ägyptologe und | |
Wissenschaftshistoriker Thomas L. Gertzen hat nun ein Buch vorgelegt, mit | |
dem er den Bereich zwischen diesen Sichtweisen ausleuchten will. | |
Am Donnerstag stellte er sein Werk „Die Berliner Schule der Ägyptologie im | |
Dritten Reich – Begegnung mit Hermann Grapow“ in der | |
Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften vor. Gertzens Vortrag | |
bildete den Abschluss eines Kolloquiums zum Thema. Die These: Es gibt keine | |
hinreichende Beweise dafür, dass er der „nationalsozialistische Ägyptologe�… | |
schlechthin war. Im Kern geht es um die Frage, wie stark die Ägyptologie | |
nach der Machtergreifung im Jahr 1933 von den Nazis beeinflusst wurde. | |
Hermann Grapow erscheint bei Gertzen als Profiteur: Nachdem er 1937 in die | |
NSDAP eingetreten war, wurde er im Jahr darauf zum ordentlichen Professor | |
ernannt, 1943 zum Prorektor der Berliner Universität, und er amtierte bis | |
1945 als Vizepräsident der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Dass | |
spätestens ab 1938 jüdische Forscher konsequent ausgeschaltet worden waren, | |
kam ihm zugute. Zwischen Grapows Parteieintritt und seiner Beförderung | |
findet sich laut Gertzen in den Quellen keine Verbindung. Die Nähe zum | |
Nationalsozialismus sei für ihn in erster Linie ein Vehikel im | |
Wissenschaftsbetrieb gewesen – und hilfreich zur Eintreibung von | |
Drittmitteln. | |
Während des Kolloquiums hatte die Ägyptologin und Archäologin Susanne Voss | |
zwar beschrieben, dass „die völkische Weltanschauung auch in der deutschen | |
Ägyptologie ein eigenes Forschungsfeld herausgebildet hat, dessen | |
Ergebnisse ihren Anschluss an das nationalsozialistische Geschichtsbild | |
erleichterten“. Gerade Grapow sei jedoch kein Beispiel für die Anbiederung | |
an den Nationalsozialismus. | |
## Alles nur persönliche Abneigung? | |
Mit einer Ausnahme: 1940 hatte der belgische Ägyptologe Jean Capart in | |
einem Nachruf auf den verstorbenen jüdischen Fachkollegen Adolf Erman | |
dessen Verfolgung kritisiert. Als Grapow davon erfuhr, denunzierte er | |
Capart bei Heinrich Himmler, Reichsführer SS und Leiter der Gestapo. Die | |
Deutschen hatten Brüssel besetzt und verhörten Capart umgehend. Der konnte, | |
was den Vorwurf der Deutschfeindlichkeit betraf, zwar seinen Kopf aus der | |
Schlinge ziehen – doch Grapow legte nach: Er sei „von der Harmlosigkeit | |
Caparts in dieser Sache nicht überzeugt“. | |
Einen weitere kollegiale Feindschaft bestand mit Georg Steindorff, der bis | |
zu seiner Emigration in die USA 1939 einer der herausragenden Ägyptologen | |
war: Steindorff hielt Grapow für einen fanatischen Nazi. Grapows negatives | |
Bild beruhe stark auf diesen Angriffen, sagt Gertzen. Konkrete | |
Anschuldigungen äußere Steindorff jedoch nicht. Allerdings sei er, der | |
große alte Mann der Berliner Schule, ab 1938 aus der deutschen Ägyptologie | |
gedrängt worden. Erklären sich die heftigen Nazi-Vorwürfe also einfach aus | |
persönlicher Abneigung? | |
„Dixi et salvavi animam meam – ich sage dies zur Rettung meiner Seele“, h… | |
Thomas L. Gertzen seinen Vortrag überschrieben. Dass die Seele Hermann | |
Grapows vielleicht doch dem Nationalsozialismus gehörte, scheint dem | |
nichtwissenschaftlichen Betrachter eindeutig. Allein, die Belege fehlen. | |
13 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Christopher Resch | |
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