# taz.de -- Der deutsche Ägyptologe Carl Richard Lepsius: Ein Tüchtiger am Nil | |
> Eine Ausstellung in Kairo widmet sich Carl Richard Lepsius, dem berühmten | |
> preußischen Altertumsforscher, der Mitte des 19. Jahrhunderts die | |
> Ägyptologie in Deutschland begründete. | |
Bild: Die Pyramiden von Gizeh. | |
Mit neun Kamelen und ein paar Eseln brach er am 15. Oktober 1842 in Kairo | |
auf, um die Pyramiden von Gizeh zu erforschen. Doch schon bald musste der | |
deutsche Ägyptologe Carl Richard Lepsius feststellen, dass es mit der | |
Feldforschung am Nil nicht ganz so einfach war. Unter großen Mühen und bei | |
starkem Wind setzten Mensch und Tier mit einer Barke über den Fluss und | |
einen Bewässerungskanal. Doch das Schiff kenterte. Die Esel ertranken, die | |
Menschen und Kamele konnten sich gerade noch retten. Lepsius aber führte | |
seine Expedition weiter, die ihn später nicht nur zum Begründer der | |
Ägyptologie in Deutschland machen sollte, sondern auch zu einem der | |
Pioniere der modernen Archäologie. Nun wird sein Werk auch in Ägypten | |
selbst gewürdigt: Das Ägyptische Museum in Kairo zeigt in Zusammenarbeit | |
mit den Staatlichen Museen Berlin und der Brandenburgischen Akademie der | |
Wissenschaften die Ausstellung "Lepsius - die deutsche Expedition an den | |
Nil". | |
Fast wirken die Exponate im Saal 44 ein wenig verloren. Es mag an den | |
weiten Hallen und Säulengängen des Museums liegen, die vollgestopft sind | |
mit gigantischen altägyptischen Sarkophagen, Mumien, Götter- und | |
Pharaonenstatuen. Dennoch: Die ausgestellten optischen Instrumente, | |
Skizzen, Bilder und Tagebücher lassen die Anfänge der archäologischen | |
Feldforschung lebendig werden. | |
"Ein tüchtiger Mann muss tüchtige Mittel und ein tüchtiges Vertrauen | |
erhalten, wenn er tüchtiges leisten soll", hieß es in einem Vorabgutachten | |
zu Lepsisus' Ägyptenprojekt. Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV., | |
unterstützt von Alexander von Humboldt, rüstete den gerade einmal 32 Jahre | |
alten Lepsius mit 36.000 Talern und einem handschriftlichen | |
Empfehlungsschreiben an den damaligen ägyptischen Herrscher Mehmet Ali | |
Pascha aus. Außerdem gab er ihm einige Vasen aus der Königlich-Preußischen | |
Porzellanmanufaktur als Geschenk für den Patriarchen mit. | |
Der junge deutsche Ägyptenforscher sollte seinen König nicht enttäuschen. | |
Mit einer Gruppe von Architekten, Kartografen und einem eigens für die | |
dreijährige Expedition ausgebildeten Hieroglyphenzeichner setzte er in | |
Sachen archäologische Denkmäleraufnahme neue Maßstäbe. | |
Heute ist es fast unmöglich, über die Pyramiden zu forschen, ohne immer | |
wieder Hinweise auf die Arbeiten von Lepsius zu finden. Auf seiner | |
Expedition, die bis in den Sudan und den blauen Nil hinaufreichte, | |
entdeckte und dokumentierte er 67 Pyramiden und 130 Noblengräber. An der | |
großen Pyramide von Gizeh ist bis heute eine von ihm in Hieroglyphen | |
verfasste Inschrift zu sehen, in der der preußische König geehrt wird. | |
Bemerkenswert sind dabei in der Zeit, in der es noch keine Fotografie gab, | |
die Methoden der genauen Erfassung und Lageplanerstellung der Baudenkmäler. | |
Reliefe wurden damals "abgeklatscht", indem nasses Papier daraufgelegt | |
wurde, um sie dann nachzuzeichnen. Eine Methode, die ab 1900 verboten | |
wurde, weil die Antiquitäten darunter litten. Ein großes Panorama, von der | |
Spitze der Cheops-Pyramide aus gezeichnet, wurde mit Hilfe der Camera | |
lucida erstellt. Das ausgestellte elegante Zeichengerät spiegelt mit Hilfe | |
eines winzigen Glasprismas das in der Wirklichkeit Gesehene auf ein Papier, | |
auf dem es dann nachgezeichnet werden kann. | |
Zurück in Preußen veröffentlichte Lepsius sein monumentales zwölfbändiges | |
Werk "Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien", das sich mit fünf Textbänden | |
und 900 Skizzen durchaus auch mit der berühmten "Déscription de l'Egypte" | |
der Napoleon-Expedition messen kann. Tragisch ist dabei, dass viele der von | |
Lepsius vor über 160 Jahren dokumentierten Baudenkmäler inzwischen zerstört | |
oder beschädigt sind. "Wir haben festgestellt, dass nicht weniger als 18 | |
Prozent dieser Baudenkmäler, Farben und Szenen verlorengegangen sind, weil | |
sich niemand um deren Erhaltung gekümmert hat", schätzt Zahi Hawas, der | |
Chef der ägyptischen Altertumsbehörde. Deshalb lautet sein Resümee zur | |
Eröffnung der Ausstellung: "Wäre Lepsius am Leben, er würde jedem klar | |
machen, dass wir uns auf eine einzige Sache konzentrieren müssen: erhalten, | |
erhalten, erhalten." | |
Später, vor den ägyptischen Reportern, setzt Zahi Hawas auf Arabisch dann | |
doch noch zu einem kleinen Seitenhieb gegen die ausländischen Forscher an. | |
Viele von ihnen seien sauer gewesen, als die ägyptische Altertumsbehörde | |
vor vier Jahren Genehmigungen für ruhmreiche neue Ausgrabungen einschränkte | |
und forderte, mehr Geld für die Erhaltung des Ausgegrabenen aufzuwenden. | |
"Früher hatten die Ägypter bei den Ausgrabungen immer nur das zweite oder | |
dritte Wort", moniert Hawas. Heute aber, erklärt er stolz, "haben wir das | |
erste." | |
9 Nov 2006 | |
## AUTOREN | |
Karim Al-Gawhary | |
## TAGS | |
Reiseland Ägypten | |
NS-Ideologie | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Edles Geschirr aus Tiergarten: Zwischen Kitsch und Zeitgeist | |
Die Königliche Porzellan-Manufaktur wirkt wie aus der Zeit gefallen. Für | |
frischen Wind sollen jetzt Currywurstschalen sorgen. Am Samstag wird | |
gefeiert. | |
Wissenschaft im Dritten Reich: Ägyptologen mit Nazi-Hintergrund | |
Wie stark kollaborierte die Ägyptologie im Dritten Reich mit den Nazis? | |
Eine Untersuchung, die den Wissenschaftler Hermann Grapow entlasten will, | |
überzeugt nicht. |