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# taz.de -- Intimsphäre im Gefängnis: Nackt in der Videozelle
> Das Bundesverfassungsgericht gibt einem Gefangenen Recht. Er wurde einen
> Tag lang nackt in eine videoüberwachte Zelle gesperrt.
Bild: Ungemütlich: JVA-Zellentrakt.
FREIBURG taz | Ein Strafgefangener darf nicht nackt in eine videoüberwachte
Zelle gesperrt werden, auch nicht zur Verhütung einer Selbsttötung. Das
entschied das Bundesverfassungsgericht in einem Fall aus Hessen. Der
Vorfall ereignete sich im September 2010 in der Justizvollzugsanstalt
Kassel I. Ein Häftling, der lange auf eine Zahnbehandlung gewartet hatte,
zeigte sich empört, als der angekündigte Termin ausfiel, und trommelte
gegen seine Zellentür.
Daraufhin wurde er in eine videoüberwachte Zelle für suizidgefährdete
Gefangene gebracht. Dort musste er sich einen Tag lang nackt aufhalten,
damit er die Kleidung nicht in die Toilette stopfe und so eine
Überschwemmung verursache, so die Begründung der Anstalt. Erst am nächsten
Tag bekam er eine Hose und eine Decke aus besonders leicht reißbarem
Material, aus dem kein stabiler Strick hergestellt werden kann. Tags darauf
wurde er in seine normale Zelle zurückverlegt.
Der Mann beschwerte sich, seine Rechte und seine Würde als Mensch seien bei
der Maßnahme zutiefst verletzt worden. Er habe auch gefroren und nicht
einschlafen können. Die Beamten hätten ihn auf dem Weg zur Zelle brutal
behandelt. Seine Klagen wurden jedoch vom Landgericht Kassel und vom
Oberlandesgericht Frankfurt als unbegründet abgelehnt. Seine
Verfassungsbeschwerde hatte jetzt Erfolg. Eine mit drei Richtern besetzte
[1][Kammer sah das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mannes verletzt],
das auch die Intimsphäre schützt.
Nach Auffassung der Richter ist es unzulässig, wenn ein vollständig
entkleideter Strafgefangener über mehr als einen Tag in einer durchgängig
videoüberwachten Zelle eingesperrt wird. Dem Gefangenen hätte „unmittelbar
und gleichzeitig mit der Entkleidung“ Spezialkleidung zur Verfügung
gestellt werden müssen, „um ihm ein Mindestmaß an Intimsphäre zu bewahren
und ihn nicht zum bloßen Objekt des Strafvollzuges zu degradieren“, so die
Richter.
Beanstandet wurde auch, dass die Anstalt nicht konkret begründete, warum
sie eine Selbstgefährdung des Gefangenen annahm. Die hessischen Gerichte
hätten bei der Frage, ob die Anwendung körperlicher Gewalt notwendig war,
nicht allein auf die Schilderung der Anstalt vertrauen dürfen. Auch der
Gefangene und Zeugen hätten angehört werden müssen. (Az.: 2 BvR 1111/13)
15 Apr 2015
## LINKS
[1] http://presseservice.pressrelations.de/standard/result_main.cfm?aktion=jour…
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Gefängnis
Videoüberwachung
JVA
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Tod
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Gefängnis
Griechenland
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