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# taz.de -- Verhungert im Gefängnis: War es fahrlässige Tötung?
> In Baden-Württemberg starb ein Häftling, nachdem er sich nur noch von
> Müsli und Wasser ernährte. Er saß in ungenehmigter Isolationshaft.
Bild: Ein Blick in einen Zellentrakt im Gefängnis Bruchsal. Dort starb der Hä…
STUTTGART taz | Rasmane Koala aus Burkina Faso starb im August 2014 in der
Justizvollzugsanstalt Bruchsal an Unter- oder Mangelernährung. Sein Fall
könnte nun in Baden-Württemberg zu Vollzugsreformen führen.
Der Mann aus Burkina Faso kam 2003 nach Deutschland und beantragte Asyl. In
seiner Heimat sei er von einer Miliz als Kindersoldat rekrutiert worden.
Sein Asylantrag wurde aber abgelehnt. Als er mit seiner deutschen Freundin
ein Kind zeugte, erhielt er ein Aufenthaltsrecht.
Die Beziehung war aber konflikthaft. Koala soll seine Lebensgefährtin
geschlagen haben, zeitweise lebte diese im Frauenhaus. 2011 erstach er sie
nach einem Streit. Das Landgericht Offenburg verurteilte ihn zu zehn Jahren
Haft wegen Totschlags.
Auch in der Haft zeigte sich Koala aggressiv. 2012 brach er einem
Vollzugsbeamten mit einem Kopfstoß das Nasenbein und die Stirnhöhle. Der
Beamte ist heute noch dienstunfähig. Weitere Angriffe gegen Bedienstete
folgten. Er wurde deshalb mehrmals verlegt. Im Bruchsaler Gefängnis
näherten sich die Mitarbeiter dem Gefangenen nur noch zu viert. Ab Mitte
2012 galt für Koala Isolationshaft, das heißt er hatte keinen Kontakt mehr
zu anderen Gefangenen. Der Versuch, den gefährlichen Häftling an ein
anderes Gefängnis abzugeben, scheiterte.
## Angst vor Vergiftung
Ab Februar 2014 verweigerte Koala regelmäßig die Anstaltsverpflegung. Er
befand sich aber nicht im Hungerstreik und stellte keine Forderungen. Eher
scheint er Angst gehabt zu haben, vergiftet zu werden. Er ernährte sich nur
noch von Müsli, das er im Gefängnisladen kaufte, und Wasser. Zunehmend
magerte er ab. Der 1,85 Meter große Mann wog zum Schluss nur noch 57 Kilo.
Am 9. August 2014 lag der 33-Jährige tot in seiner Zelle.
Als Todesursache wurde von der Staatsanwaltschaft Unter- oder
Mangelernährung festgestellt. Es habe keine Gewalteinwirkung gegeben, auch
eine Vergiftung wurde ausgeschlossen.
Zum Politikum wurde der Fall durch eine anonyme Anzeige bei der Karlsruher
Polizei. Darin hieß es, die Anstalt habe den Gefangenen sehenden Auges
verhungern lassen. Tatsächlich gab es Unregelmäßigkeiten. So war die
Essensverweigerung entgegen der Erlasslage dem Stuttgarter
Justizministerium nicht gemeldet worden. Auch wusste das Ministerium nicht,
dass Koala immer noch in Isolationshaft saß, obwohl dies eigentlich alle
drei Monate vom Ministerium genehmigt werden muss.
## JVA-Chef suspendiert
Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) suspendierte daraufhin den
JVA-Leiter Thomas Müller. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft
Karlsruhe gegen Müller und eine Anstaltsärztin wegen fahrlässiger Tötung.
Ein Gutachter prüft derzeit, ob Koala am Ende seines Lebens noch frei
verantwortlich handeln konnte – wenn ja, wäre dies günstig für Müller. Der
Anstaltsleiter ging jedoch laut interner E-Mails davon aus, dass Koala
unter „Wahnvorstellungen“ litt und behandlungsbedürftig war.
Die CDU-Opposition im Landtag versuchte Minister Stickelberger anzugreifen.
Er sei politisch dafür verantwortlich, dass ein Gefangener „unter dem
Wappen des Landes“ zu Tode kam, erklärte der CDU-Fraktionsvorsitzende Peter
Hauk und beantragte Ende November im Landtag die Abwahl Stickelbergers –
ohne Erfolg.
Der bedächtige Sozialdemokrat entschloss sich dann aber selbst zur
Offensive. Er tauschte seinen für Strafvollzug zuständigen Abteilungsleiter
aus und setzte eine Expertenkommission ein, die Reformvorschläge zum Umgang
mit psychisch auffälligen Häftlingen machen soll.
10 Feb 2015
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Tod
Isolationshaft
JVA
Hungerstreik
Gefängnis
Hungertod
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