# taz.de -- RALF SAUSMIKAT über Ironie: „Humoristisch oder bitterböse“ | |
> Neben einem Filmprogramm bietet auch das 28. European Media Art Festival | |
> in Osnabrück wieder Kunst und eine Konferenz. | |
Bild: Fingierte Castingshows auf Bildschirmen: "This Unfortunate Thing Between … | |
taz: Herr Sausmikat, Ihr Festival war immer wieder auf der Höhe der Zeit: | |
2012 gab es einen Schwerpunkt zum „Arabischen Frühling“, 2014 widmete es | |
sich mit „We are the Enemy“ der Überwachung. Warum haben Sie nun mit der | |
„Ironie“ einen eher stilistischen Fokus gewählt? | |
Ralf Sausmikat: Im letzten Jahr hatte sich schon gezeigt, dass viele | |
Künstler sich dem Thema mit Ironie und Sarkasmus genähert haben. Und obwohl | |
die Problematik Überwachung immer noch virulent ist, konnten wir sie nicht | |
einfach in diesem Jahr weiterführen. Aber wir waren uns sicher, dass wir | |
genügend Arbeiten finden würden, die diesen und andere politische Konflikte | |
auf eine humoristische oder auch bitterböse Art beackern. | |
Hat das geklappt? | |
Ein gutes Beispiel dafür ist der Film „Jedes Bild ist ein leeres Bild“ von | |
Christopf Faulhaber, der in Osnabrück geboren ist. Er arbeitet seit Jahren | |
als bildender Künstler mit Interventionen im öffentlichen Raum. Er ging | |
dabei soweit, dass er Verhaftungen oder körperliche Angriffe von | |
Wachkräften riskierte. Dann nutzt er aber genau die Möglichkeiten des | |
Rechtsstaates und beantragt etwa eine eigene Zone für einen Transporter, in | |
dem er seine eigene Wacheinheit mit eigenen Uniformen stationierte. Mit | |
denen hat er dann seinerseits vor den amerikanischen Botschaften in | |
Deutschland und Österreich überwacht, ob die offiziellen Bewacher ihre | |
Arbeit auch ordentlich machen. | |
Im Programm haben Sie die estländische Dokumentation „Ash & Money“. Mich | |
erinnerte sie an die Gründung von „Die Partei“ durch das Magazin Titanic. | |
Ja, richtig! Der Film wurde von einer Theatergruppe in Riga gemacht, die | |
2010 vor der nächsten Wahl als Kunstprojekt eine eigene Partei gegründet | |
hat. Sie haben dann einen Wahlkampf mit Plakaten, öffentlichen Auftritten | |
und so weiter durchgezogen, aber dabei lange nicht offenbart, dass es ein | |
Fake war. Sie haben zum Beispiel tagsüber in den Städten plakatiert und | |
dann nachts ihre eigenen Plakate übermalt oder zerrissen. Dabei haben sie | |
mit Slogans wie „Estland den Esten“ auf den Rechtsruck in ihrem Land | |
reagiert. | |
Woran sich niemand stieß … | |
Vor der Wahl haben sie dann zwar mitgeteilt, dass ihre „Partei“ nicht | |
wirklich gewählt werden konnte, aber davor gab es noch einen Parteitag in | |
einer riesigen Halle, zu der mehr als 7.000 Anhänger kamen. | |
Zu den Höhepunkten des European Media Art Festival (Emaf) gehört jeweils | |
die Ausstellung in der Kunsthalle. Was gibt es dort in diesem Jahr zu | |
lachen? | |
Zum Beispiel die Arbeit „This Unfortunate Thing Between Us“ des britischen | |
Künstlers Phil Collins: In zwei Wohnwagen laufen Fernseher, auf denen es | |
zumindest so scheint, als könne man sich für Castingshows anmelden. Diese | |
laufen dann im Stil von Werbeverkaufssendungen ab und wurden von Collins | |
inszeniert. So kann man sich etwa als Pornodarsteller bewerben. | |
Aha. | |
Tatsächlich partizipieren können die Ausstellungsbesucher dann bei der | |
Arbeit „Justified Beliefs“ von Christian Falsnaes aus Dänemark. Dabei | |
animieren zwei Künstler Besucher über fünf Kopfhörer dazu, zu tanzen, sich | |
auf den Kopf zu stellen und andere Handlungsanweisungen zu befolgen. Bei | |
den bisherigen Ausstellungen haben die Teilnehmer zu 90 Prozent mitgemacht. | |
So beobachtet das Publikum einen Teil des Publikums dabei, wie es auf die | |
Ansagen der Künstler reagiert. | |
Gibt es noch andere Mitmach-Arbeiten? | |
Zum Teil interaktiv ist auch „Loophole For All“ von Paolo Cirio aus | |
Italien. Darin wird gezeigt, wie man auch als normaler Mensch auf den | |
Bahamas oder den Cayman Islands Gesellschaften gründen und damit | |
tatsächlich Geld verdienen kann. Cirio beschreibt, wie real und legal man | |
dabei Steuern spart. Die Besucher können mit ihm ins Geschäft kommen und | |
bekommen Aktien, die sie mit nach Hause nehmen können. | |
Sie sind nicht nur einer der Emaf-Gründer, sondern waren schon beim | |
Vorläufer dabei, einem Festival für Experimentalfilme. | |
Es fing damit an, dass wir alle Medienwissenschaft studiert haben und zum | |
Teil auch eigene Filme gemacht haben – und nicht wussten, wo wir die zeigen | |
sollten. Also machten wir zuerst noch kein Festival, aber ein Treffen von | |
Leuten, die in diesem Bereich arbeiteten. Beim „Experimentalfilm Workshop“, | |
immer noch unser Trägerverein, gab es Anfang der 1980er-Jahre viele | |
Super-8-Filme und langsam haben sich die neuen Formen von Medienkunst | |
entwickelt. Der alten Name passte nicht mehr, so haben wir einen neuen | |
gesucht. | |
Schlau, dass Sie nicht das damalige Modewort „Video“ hineingepackt haben. | |
Dann nämlich hätten Sie längst einen neuen finden müssen … | |
Genau. Wir haben schon überlegt, ob wir uns anders nennen sollen: | |
Medienkunst ist ja auch nur ein Hilfsbegriff. Uns schwappt von allen Seiten | |
die Digitalisierung ins Programm, aber das ist auch nur eine Begriffshülle: | |
Drin strecken meist Filme, zum Teil sogar noch analog gedreht. So gibt es | |
den Titel wohl noch für ein paar Tage. | |
## 28. European Media Art Festival: 22.–26. April, Osnabrück | |
15 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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