# taz.de -- Lizenz für Tiefseebergbau unterzeichnet: Im Rohstoffrausch vor Mad… | |
> Die Bundesregierung unterzeichnet einen Lizenzvertrag für die | |
> Rohstoffförderung im Indischen Ozean. Auch andere Staaten schielen | |
> dorthin. | |
Bild: Chinesische Experten forschen ebenso nach den Sulfiden. | |
HAMBURG taz | Tausende Kilometer vor Madagaskar sind die begehrten | |
Rohstoffe zu finden, auf die die Bundesrepublik nicht verzichten will. | |
Deshalb unterzeichnet die Bundesregierung am Mittwoch einen Lizenzvertrag | |
über die Exploration von Industrierohstoffen im Indischen Ozean. Im Meer | |
wartet ein Riesengeschäft – doch über die passenden sozialen und | |
ökologischen Regelungen zur Förderung wird bisher noch gestritten. | |
Die polymetallischen Sulfide, auch Schwarze Raucher genannt, sind heiße | |
Lösungen, die aus dem vulkanischen Untergrund sprudeln. Sie enthalten | |
Kupfer, Gold und verschiedene Spurenelemente, die für die Herstellung von | |
Hochtechnologieprodukten wie Photovoltaikanlagen oder Generatoren für | |
Windkraftanlagen dringend benötigt werden. | |
Der Generalsekretär der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) auf | |
Jamaika, Nii Odunton, ist extra für die Unterzeichnung nach Berlin gereist. | |
Der Ableger der Vereinten Nationen ist weltweit zuständig für die Vergabe | |
von Lizenzen für die Erforschung und den Abbau von Rohstoffen am | |
Meeresboden. | |
Gewöhnlich werden Verträge in der ISA-Zentrale in Kingston unterzeichnet. | |
Mit der medienwirksamen Veranstaltung im Zentrum der deutschen Hauptstadt | |
macht Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel den Tiefseebergbau erstmals zur | |
Chefsache. „Die Vertragsunterzeichnung ist ein wichtiger Meilenstein für | |
die weitere Erkundung von marinen mineralischen Rohstoffen in der Tiefsee“, | |
sagt ein Sprecher im Bundeswirtschaftsministerium. | |
Bereits 2006 erhielt die Bundesrepublik eine Forschungslizenz im | |
Zentralpazifik für Manganknollen voller Industriemetalle. Nun kommt die | |
zweite Lizenz hinzu: Östlich von Madagaskar haben Forscher der | |
Bundesanstalt für Geowissenschaften einhundert Claims zu jeweils zehn Mal | |
zehn Kilometer Länge abgesteckt, die nun grundlegend erforscht werden | |
dürfen. „Ab morgen hat Deutschland das Recht, fünfzehn Jahre lang allein | |
nach Rohstoffen zu suchen“, erklärt ein Sprecher der Bundesanstalt. | |
## „Interessante Marktchancen“ | |
Das Interesse des Berliner Ministeriums geht über die langfristige | |
Versorgungssicherheit mit Hochtechnologierohstoffen hinaus. Tiefseebergbau | |
verheißt „interessante Marktchancen“ für Meerestechnologiehersteller. | |
Zwar beklagen Marktkenner das Fehlen eines „Systemführers“ in Deutschland. | |
Doch arbeiten 500 oft namhafte Mittelständler in der Meerestechnik. Deren | |
Lobbyorganisation „Deep Sea Mining Alliance“ in Hamburg erwarte einen | |
Aufwind durch die Unterzeichnung, sagt ein Sprecher der Gruppe. | |
In Zukunft seien „große Geldbeträge nötig“, finanzielle Hilfe erhofft man | |
sich aus Berlin und Brüssel. Ohnehin sei das Projekt so groß, dass es nur | |
europäisch angegangen werden könne. Über einen Testbergbau im Indischen | |
Ozean werde unter anderem mit französischen Firmen verhandelt. | |
Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat sich in einem | |
Positionspapier für den Tiefseebergbau starkgemacht: Ankerfirmen könnten in | |
dem Geschäft Weltchampions werden, Bohrtechniker wie Wirth in Erkelenz oder | |
die bislang auf Ölförderung im Kaspischen Meer spezialisierten Ingenieure | |
von Impac in Hamburg. | |
Als dickster Fisch in der Branche gilt allerdings Siemens. Das Münchner | |
Unternehmen testet bei Trondheim in Schweden ein vollautomatisches | |
Kraftwerk am Meeresboden. Es wäre die Voraussetzung für einen erfolgreichen | |
Tiefseebergbau. | |
## Gewinne für alle? | |
Als das größte Problem gilt dabei der Wasserdruck. Die Sulfide vor | |
Madagaskar sprudeln in 3.000 bis 4.000 Meter Tiefe. 2016 könnten die ersten | |
sechs Länder mit dem Tiefseebergbau beginnen, darunter China, Russland und | |
Frankreich. Ob sie tatsächlich eine Abbaulizenz beantragen und von der ISA | |
erhalten, wird sich ab Sommer entscheiden. | |
Der Tiefseebergbau ist grundsätzlich im UN-Seerechtsübereinkommen von 1994 | |
geregelt. Grundsätzlich gibt es dafür auch soziale und ökologische Regeln: | |
Danach sollen beispielsweise die Gewinne allen Ländern zugutekommen. Und | |
auch die Umwelt soll maximal geschont werden. | |
Doch das ist erst mal Theorie: Die konkreten Abbauregeln stehen erst im | |
Entwurf und sind heftig umstritten. Die USA haben bis heute das | |
Seerechtsübereinkommen nicht unterschrieben. Auch gibt es noch keine | |
Kontrollbehörde für den Tiefseebergbau. | |
Die ökologischen Fragen sind auch in der Internationalen Meeresbodenbehörde | |
ISA, der 159 Länder angehören, umstritten. Die Schwarzen Raucher sind „ein | |
außergewöhnlicher Lebensraum“, mahnen deutsche Wissenschaftler, die sich im | |
Forschungsverbund „Ozean der Zukunft“ zusammengefunden haben. | |
Zu den Auflagen im deutschen Vertrag gehört der Schutz der Wale – den | |
müssen die Experten im Oktober auf der geplanten ersten Expedition zu den | |
Schwarzen Rauchern einhalten. | |
5 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Hermannus Pfeiffer | |
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