# taz.de -- Kolumne Die Kriegsreporterin: „Ich bin für die taz hier“ kling… | |
> Die Kollegen auf Journalistenreise im heiligen Land sind meschugge. Und | |
> ein Imagefilm aus dem „Spiegel“-Haus ist sehr eigenartig. | |
Bild: „Spiegel“-Chef Brinkbäumer sucht das Kaffeearoma in der Ferne. | |
Shalömchen taz-Medienredaktion! | |
Wie angekündigt, melde ich mich heute aus Israel, einem kleinen Land mit | |
viel Knall. Nun ist es ja nicht so, dass nur hier Dinge geschehen, von | |
denen mein Opa gesagt hätte: „Sachen gibt's, die gibt's gar nicht“. Nein, | |
völlig irre Dinge passieren auch in Deutschland, weswegen ich mich | |
entschieden habe, die online-Ausgabe dieser hübschen Kolumne als extended | |
Version anzulegen. Das bedeutet, für die Holzklasse wird’s monoländarisch, | |
während es in der Stromabteilung mit viel G&J- und Spiegel-Gaga weitergeht. | |
Also, Israel. Ich hatte angenommen, dass ich mich zu diesem Zeitpunkt, am | |
vierten Tag, unterwegs mit der Bundeszentrale für politische Bildung, gar | |
nicht retten könnte vor Infos. Zumal wir so schöne Termine hatten, wie die | |
Korrespondenten von ARD, ZDF, der Zeit und der Welt zu treffen. Aber, was | |
soll man sagen? Außer mir hatte keiner Lust, was über das | |
Korrespondentendasein zu erfahren. | |
Darüber, was man so als staatstreuer ZDF-Mann sagen darf und was nicht. Und | |
ob es nicht etwas eigenartig ist, wenn man sich als Journalist des | |
Weltenretters Axel Springer verpflichtet, für „die Unterstützung der | |
Lebensrechte des israelischen Volkes“ einzutreten. Eine Leitlinie, gegen | |
die „kein Journalist des Hauses ungestraft verstoßen darf“ – ungeachtet | |
dessen, dass auch ich den Anspruch eines jeden Volkes auf ein Lebensrecht | |
nicht infrage stellen möchte. Nee, darauf hatte irgendwie keiner Bock. | |
Stattdessen haben vier Korrespondenten und ein Psychiater in jeweils | |
gefühlten 87 Minuten ihre Sicht der Koalitionsbildung in Israel dargelegt. | |
Und sich dann gefühlte 59 Minuten lang gegenseitig ergänzt, bevor 27 | |
Minuten lang einander widersprochen wurde. | |
## Das Perle-vor-die-Säue-Happening | |
Ich glaube, mich finden nun alle doof. Was an sich nicht schlimm ist, aber | |
etwas unglücklich, wenn man keinen Helm dabei hat, den man über den Kopf | |
ziehen kann, um versteckt unter der Krempe, Mandalas zu malen. | |
Heute war es etwas lustiger. Wir trafen in Kleingruppen interessante Denker | |
und ich war da, wo Haim Yavin war, der Joachim Friedrichs Israels. Dass wir | |
hier die Top-of-the-Pops-Auswahl am Tisch hatten, war in unserer meschuggen | |
Gruppe keinem klar, bis die Kellnerin eine nicht bestellte Flasche Sekt | |
brachte, „Weil wir Haim so lieben!“ und der Gast vom Nebentisch im | |
Hinausgehen das Perle-vor-die-Säue-Happening mit den Worten bedachte: „Ihr | |
habt hier den Tom Broker Israels sitzen!“ | |
Es war endlich mal etwas spaßig, obwohl der sympathische Kollege von der | |
Sendung mit der Maus so blöd war, die Gesprächsrunde mit der Frage zu | |
eröffnen, wie Yavin den Ausgang der Koalitionsbildung einschätze. Was | |
dieser allerdings in einer Zeit unter acht Minuten beantworten konnte. | |
## Manchmal etwas peinlich | |
Ungeachtet des Umstands, dass Yavin drei Sympathiepunkte bei mir eingebüßt | |
hat, weil er den unglaublichen, zum Niederknien großartigen | |
Friedensaktivisten Abi Nathan für einen Schwätzer hält, überlege ich, etwas | |
bei ihm abzuschauen. Vor dem Hintergrund, dass vom Israelischen Fernsehen | |
zu kommen, nicht gerade die Wurst vom Bedeutungsteller zieht, hat er oft | |
behauptet: „Ich komme von der BBC.“ Diese Taktik könnte ich übernehmen. | |
Auch mit Dir, taz-Medienredaktion, ist es ja mitunter etwas peinlich. „Ich | |
bin für die taz hier“ klingt manchmal schlicht sehr traurig. Vielleicht | |
werde ich demnächst, wenn ich auf einem Termin bin, wo das Essen viel Geld | |
gekostet hat, sagen: „Ich bin von der FAZ“. Wobei ich nicht weiß, ob ich | |
die mitleidigen Blicke gut aushalte. Dann lieber im Namen eines Verlages | |
erscheinen, der in Zeiten, in denen andere wohlmöglich ihre Garage an DHL | |
vermieten, ein neues Verlagshaus baut. | |
So, die Gestrigen aus der Holzabteilung sind wir jetzt los. Wir | |
Zukunftsorientierten sind unter uns. Und gehen gleich mit einem großen | |
Hallooo! Zum Spiegel-Verlag, der aus noch unbekannten Gründen [1][diesen | |
Film] produzieren ließ, der wohl ein Imagefilm sein soll und ein etwas | |
eigenartiges Licht auf die Akteure wirft. | |
## Jakob Augstein beim Gärtnern fehlt | |
So behauptet Maria Gresz, das Zusammenspiel aus Print, Online und | |
Bewegtbild „macht sonst keiner“, während der Chefredakteur Klaus | |
Brinkbäumer wie in einer Kaffeereklame – nur etwas trauriger – am Fenster | |
steht und in der Ferne das Aroma sucht. Ausgerechnet der Chef der | |
Onlineabteilung findet in diesem Bilitis-Machwerk Zeit, durch die Welt zu | |
stromern, herumzusitzen und in Büchern mit arabischer Schrift zu lesen. | |
Auch sonst scheint das Leben der Verantwortlichen des Blattes, von Spiegel | |
TV und Spiegel Online von viel Muße bestimmt. Unklar bleibt, warum man dann | |
versäumt, Jakob Augstein, der zwar ohne Verantwortung ist aber omnipotent | |
wichtig, beim Gärtnern zu zeigen. | |
Das allerallerverrückteste aber ist, dass der Film genau so aussieht, genau | |
so daher kommt, wie diese unglaublich peinlichen, weil vor Borniertheit | |
strotzenden [2][Werbefilmchen], mit denen Die Zeit sich letztes Jahr | |
blamiert hat. | |
## Inhaltenbude mit Hafenblick | |
Nicht nur, dass ich mich frage, ob hier die selbe Agentur am Werke war (war | |
sie nicht), es bleibt ein totales Rätsel, wie ein Magazin, das einen | |
Führungsanspruch formuliert, einem 500 Meter Luftlinie entfernt | |
residierendem Konkurrenzblatt – beide sind wöchentliche Publikationen, | |
beide fischen im selben Zielgruppenbecken – den Imagefilm nachmachen kann. | |
Und dann noch einen, über den Freischreiber sich so erfolgreich lustig | |
gemacht hat, dass dessen [3][Verarschung] Kultstatus erreicht hat. Nee, | |
nee, nee, Spiegel, so wird das nix mit der Zukunft und dem Leadership. So | |
kann man sich als Flow-Magazin positionieren, aber doch nicht als Erben | |
Augsteins. Die Kollegen von Clap haben das sehr hübsch [4][aufgegriffen]. | |
Apropos Flow. Gruner & Jahr, die verrückte Inhaltebude mit Hafenblick, hat | |
ihr Bastelverlagsprogramm um ein Häkelheft für Männer erweitert. Sollen | |
Frauen mittels handarbeitlichen Beschäftigungen von Dingen wie Politik | |
ferngehalten werden, hat man jetzt endlich etwas für den Mann im Programm, | |
der bei seiner Partnerin keinen mehr wegstecken kann, weil sie lieber das | |
Hundekörbchen windet, als zu vögeln. | |
## „Die Natur will Dich zurück“ | |
Mit Walden ist nicht nur das Männermagazin der schärfsten Axtburschen | |
überhaupt erschienen – das Pressefoto zeigt vier Herren jenseits der | |
46dreiviertel, die alle das Bauch-weg-Programm hinter sich haben und mit | |
einer Dynamik in die Kamera strahlen, die einem nicht nur Angst macht, | |
sondern die fragen lässt, wieso solche bio-dynamischen Potenzbrocken was | |
mit Journalismus machen und nicht schon längst die Welt regieren? Oder | |
zumindest einen Tele-Shopping-Kanal für Holzfällerbedarf. | |
Nein, mit Walden zeigt der Verlag auch, was ihm seine neuen Objekte wert | |
sind: Als ich letzte Woche zum Zwecke des Erwerbs von Karteikarten durch | |
die Hamburger Schanzenstraße ging, kamen mir zwei junge Menschen mit einem | |
sehr großen Hirsch auf einem Schiebgerät entgegen. Auf der einen Flanke war | |
Walden geschrieben, auf der anderen „Die Natur will Dich zurück“. Was wohl | |
der Aufruf zur Selbstkompostierung sein soll. | |
Die jungen Menschen waren durch Walden-Sweatshirts als Werbevertreter des | |
Magazins zu erkennen und Jägerin, die ich bin, ging ich in meiner offenen | |
Art auf sie zu. Was sie denn da hätten, wollte ich wissen. „Ein neues | |
Magazin“, sagte die junge Frau und als ich fragte, ob ich mal gucken dürfe, | |
gab sie mir ein Exemplar. | |
## Eingeweide kocht selbst | |
Ich blätterte hin und her, war aber durch das Straßengeschehen zu | |
abgelenkt, um das Potential des Heftes zu erkennen. So fragte ich, ob ich | |
eines mitnehmen könne, und musste erfahren: Nö, sie hat nur das eine. Das | |
ist Gruner-Marketing 2015 zum Launch eines neuen Magazins: Man lässt ein | |
paar arme Studenten Hirsche durch die Großstadt schieben und Interessierte | |
in ein ANSICHTSexemplar gucken. | |
Vielleicht, so denke ich, ist das die neue Seite einer alten | |
Verleger-Allianz: Die Hamburger Verlage tun sich zusammen und kaufen | |
gemeinsam Werbestrategien ein. So haben vielleicht Die Zeit, Spiegel und | |
Gruner ein 2+1 Angebot wahrgenommen. Zwei Imagefilme plus eine „Innovative | |
Streetcampaign“ zum Preis von einem Volontärsjahresgehalt. Aber nee, so war | |
es dann doch nicht. In einem Branchendienst war zu lesen: Die Werbung für | |
Walden wurde „intern“ entwickelt. Hier kocht das Eingeweide quasi selbst. | |
Und damit zurück nach Berlin! | |
13 May 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.youtube.com/watch?v=4u_Ujvm2pis | |
[2] http://fuer-die-zeit.de/ | |
[3] http://www.freischreiber.de/fuerdie.html | |
[4] http://www.youtube.com/watch?v=A9rxxOoqY08 | |
## AUTOREN | |
Silke Burmester | |
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