# taz.de -- Kurden gegen radikalisierte Muslime: „… und dann hast du hier B… | |
> Mobilisieren Salafisten wie Hassprediger Pierre Vogel Extremisten, um | |
> nach Celle zu reisen? | |
Bild: Die Polizei löste die Kundgebung in Hamburg schließlich auf | |
HAMBURG/HANNOVER taz | In der Nacht zum Mittwoch haben sich sich Kurden und | |
radikalisierte Muslime in Hamburg eine Straßenschlacht geliefert. 14 | |
Personen wurden mit Knochenbrüchen und Stichverletzungen in Krankenhäuser | |
eingeliefert, 22 vorübergehend inhaftiert. | |
Die Ausschreitungen hatten am frühen Abend im Anschluss an eine | |
Kurdendemonstration gegen den „IS-Terror“ begonnen, in deren Verlauf die | |
Gleise des Hauptbahnhofs für eine Stunde blockiert wurden. Nach | |
Augenzeugenberichten provozierten drei mit Messern bewaffnete Salafisten | |
dabei junge Kurden und flüchteten dann in einen islamischen Imbiss auf dem | |
Steindamm, dessen Scheiben eingeworfen wurden. Später versuchten rund 50 | |
Salafisten, in einen nahen deutsch-kurdischen Kulturverein einzudringen, | |
was die Anwesenden abwehrten. | |
Dann verlagerte sich der Konflikt auf die nahe Al-Nur-Moschee, wo sich | |
zunächst 70 Kurden versammelten. Bis Mitternacht erhöhte sich die Zahl dank | |
Mobilisierung durch Facebook, Twitter und SMS-Ketten auf etwa 400. Ihnen | |
standen rund 400 laut Polizei überwiegend salafistische Muslime gegenüber. | |
Beide Lager waren mit Messern, Macheten, Holz- und Eisenstangen bewaffnet. | |
Es folgte eine Straßenschlacht, bei der die Polizei trotz Einsatz von drei | |
Wasserwerfern zeitweise zwischen die Fronten geriet. Erst spätnachts | |
beruhigte sich die Lage langsam. | |
Ebenfalls am Dienstag war es in Celle erneut zu Auseinandersetzungen | |
zwischen kurdischen Jesiden und radikalisierten Muslimen gekommen. Nachdem | |
sich am Montag knapp 100 Angehörige beider Gruppen eine Massenschlägerei | |
geliefert hatten, versuchten am Dienstagabend etwa 500 Jesiden und 200 | |
Muslime, eine Polizeiabsperrung zu durchbrechen. | |
## Auslöser: ein Missverständnis? | |
Dabei griffen Angehörige beider Konfliktparteien Polizisten mit Steinen, | |
Flaschen und Dachlatten an. Die wehrten sich mit Schlagstöcken und | |
Tränengas. Beamte wurden nicht verletzt, einige Protestler erlitten | |
Augenreizungen. 470 Personen wurden in Gewahrsam genommen. Am Montagabend | |
waren sechs Menschen verwundet worden, einer so schwer, dass wegen | |
versuchter Tötung ermittelt wird. | |
Auslöser der Auseinandersetzung war nach Polizeiangeben „ein | |
Missverständnis zwischen zwei Familien“: Ein Tschetschene hätte Aufsehen | |
erregt, weil er wie ein die IS-Terrormiliz in Syrien unterstützender | |
Salafist ausgesehen haben soll. „Er ist aber definitiv kein Salafist“, so | |
Polizeidirektor Jörg Müller, der im niedersächsischen Innenministerium den | |
Bereich Einsatz verantwortet, am Mittwoch in Hannover. | |
Bereits am Dienstagnachmittag hatte sich Celles Oberbürgermeister | |
Dirk-Ulrich Mende (SPD) bei einer Diskussion in einem jesidischen | |
Kulturzentrum um Schlichtung bemüht. Die Stadt mit 70.000 Einwohnern gilt | |
als ein Zentrum des jesidischen Exils in Norddeutschland, dort leben rund | |
4.000 Angehörige dieser Religion, die seit Jahrzehnten in der Türkei, im | |
Irak und in Syrien verfolgt wird; im umliegenden | |
180.000-Einwohner-Landkreis sollen es 12.000 sein. | |
Sorge bereitet der Stadtverwaltung, dass offenbar Salafisten wie | |
Hassprediger Pierre Vogel für Reisen von Extremisten nach Celle | |
mobilisieren. „Am Dienstag waren rund 80 Prozent der Demonstranten | |
Auswärtige“, so Sprecher Wolfgang Fischer. Die Lage in Syrien | |
emotionalisiere beide Seiten: „Da reicht wenig aus, um Gewaltbereite von | |
außen nach Celle zu locken – und dann hast du hier Bambule.“ | |
8 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
Andreas Wyputta | |
Adil Yigit | |
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