Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- taz-Serie Stadtwerk (1/3): Der eigenen Stadt was Gutes tun
> Der Energietisch fordert ein Stadtwerk, das ökologisch, demokratisch und
> sozial ist. Die taz beleuchtet dies in einer dreiteiligen Serie. Teil 1:
> Das Öko-Stadtwerk.
Bild: Ein Teil der leistungsstärksten Solarstromanlage Berlins auf den Dächer…
Eine erstaunliche Argumentation hat die Wirtschaftssenatorin bemüht: Die
Pläne des Energietischs für ein neues Stadtwerk würden nicht funktionieren,
sagte [1][Cornelia Yzer] (CDU) dem [2][Tagesspiegel]. Denn selbiges habe
gar keine Erzeugungskapazitäten, müsste also Strom zukaufen. Solchen
Stromhandel habe der Energietisch aber nicht vorgesehen, sagte Yzer.
Das ist falsch. Stromhandel als Betätigungsfeld eines Stadtwerks hat der
Energietisch in seinem [3][Gesetzentwurf] nicht ausgeschlossen. Ganz anders
als Yzers eigene Koalitionsfraktionen in ihrem
[4][8080/starweb/adis/citat/VT/17/DruckSachen/d17-0704.pdf:Gegenentwurf]
zum Volksbegehren. Außerdem verfügt Berlin durchaus schon jetzt über
Erzeugungskapazitäten, die ein Stadtwerk mit Strom ausstatten könnten, um
Haushalte in Berlin zu versorgen.
So soll ein Stadtwerk Energiewende und Klimaschutz vor Ort voranbringen. Im
[5][Gesetzentwurf] des Energietischs heißt es: „Die Stadtwerke tragen dazu
bei, dass langfristig die Energieversorgung Berlins zu 100 Prozent auf der
Grundlage dezentral erzeugter erneuerbarer Energien erfolgt.“ Langfristig
ist auch die Machbarkeitsstudie „[6][Klimaneutrales Berlin 2050]“ angelegt,
mit der Umweltsenator Michael Müller (SPD) Experten unter Leitung des
[7][Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung] beauftragt hat. Ende des
Jahres soll sie konkrete Wege aufzeigen, wie die Stadt ihre
Treibhausgasemissionen von heute 6 auf weniger als 2 Tonnen CO2 pro Kopf
senken kann. Zentrale Handlungsfelder haben die Forscher schon benannt:
Umbau des Verkehrssektors, energieeffizientere Gebäude und eben: massiven
Ausbau erneuerbarer Energien.
Noch unter Rot-Rot entwickelte [8][der damalige Wirtschaftssenator Harald
Wolf (Linke)] erste Pläne für eine Plattform, die die Energieaktivitäten
bestehender kommunaler Unternehmen bündeln und für ein Stadtwerk nutzbar
machen sollte. Demnach produzieren allein die 15 in der
[9][Mehrwert-Initiative] zusammengeschlossenen Landesunternehmen, darunter
etwa Wasser-, Verkehrsbetriebe und Wohnungsbaugesellschaften, Strom für
50.000 Haushalte, den sie nicht für ihre eigenen Aufgaben benötigen. Noch
leuchtendere Augen bekommen Stadtwerke-Fans beim Blick auf die
[10][Berliner Reinigungsbetriebe (BSR)].
## Die Reinigungsbetriebe
Eine Rolle könnte vor allem das [11][Müllheizkraftwerk] der BSR in Ruhleben
spielen, denn aus diesem lässt sich schon jetzt Ökostrom für 100.000
Haushalte erzeugen. Allerdings liefern die BSR den Dampf aus der
Müllverbrennung bis mindestens 2018 an Vattenfall, weil der Konzern nebenan
im [12][Kraftwerk Reuter West] über die nötige Turbine verfügt. Wollten die
Stadtwerke einen Teil ihrer Energie aus Ruhleben gewinnen, so müsste das
Land wohl in eine eigene Turbine oder gar ein eigenes Kraftwerk
investieren.
Die BSR verfügen aber noch über andere Energiequellen. An ihren [13][drei
Deponiestandorten] betreiben sie Blockheizkraftwerke und speisen daraus
knapp 50.000 Megawattstunden Strom ins Netz ein – das reicht für 60.000
Haushalte. Außerdem liefern Photovoltaikanlagen an zehn Standorten derzeit
etwa 650 Megawattstunden Strom. Insgesamt benötigen die BSR die Hälfte der
von ihnen erzeugten Energie selbst. Den Überschuss gäbe es für ein
Stadtwerk nicht umsonst: Die BSR müssen wirtschaftlich arbeiten, ihr
Nebenprodukt Energie muss dem Kerngeschäft Abfallentsorgung zugute kommen.
Das heißt, ihre Energieeinnahmen dienen dazu, die Müllgebühren für die
Bürger niedrig zu halten. Geschenkt gäbe es die Energie auch nicht für ein
Schwesterunternehmen in Besitz des Landes, wie es das Stadtwerk wäre.
Ähnlich verhält es sich mit den [14][Berliner Stadtgütern (BSG)].
## Die Stadtgüter
Diese entstanden, als Berlin im 19. Jahrhundert eine Kanalisation baute und
Felder im Umland benötigte, um dort die Abwässer versickern zu lassen.
Heute gehören Berlin über die BSG 17.000 Hektar Land in Brandenburg. Ideal,
um zu realisieren, was Experten schon lange predigen: Berlin muss viel
stärker mit seinem Umland kooperieren, will es die Produktion von
erneuerbaren Energien steigern.
Derzeit erzeugen 28 Wind- und zwei Sonnenenergieanlagen auf den Flächen der
BSG Strom für 40.000 Haushalte. Diese Zahl könnte wachsen, die BSG haben
ein Konzept für den Ausbau der Energieanlagen auf ihren Flächen vorgelegt.
Demnach könnten sie bis 2016 Strom für 114.000 der insgesamt 2 Millionen
Berliner Haushalte, bis 2020 sogar für 200.000 bereitstellen. Für die erste
Stufe kalkuliert das Unternehmen mit eigenem Kapitaleinsatz von 12,5
Millionen Euro.
Das ist der Haken: Denn Finanzsenator Ulrich Nußbaum plant [15][in seinem
Haushaltsentwurf], dass die BSG mehr Geld für den Haushalt liefern – durch
höhere Gewinne oder Herabsetzung ihres Kapitals. Im BSG-Konzept heißt es:
„Erfolgt dies, werden die Stadtgüter bewegungsunfähig.“ Die Potenziale des
Unternehmens für eine dezentrale, grüne Stromversorgung Berlins würden
hinfällig. Das Abgeordnetenhaus kann Nußbaums Pläne noch stoppen.
Rechnet man allein das Stadtgüterpotenzial mit den BSR-Kapazitäten
zusammen, ergeben sich stattliche 360.000 Haushalte, die ein Stadtwerk bei
entsprechenden Kooperationen bis Ende des Jahrzehnts mit Strom versorgen
könnte.
## Kunden gesucht
Berlin besitzt das meiste energiewirtschaftliche Wissen in der
[16][Berliner Energieagentur (BEA)], an der das Land [17][ein Viertel
hält]. Sie hat gerade ihr neuestes Projekt vorgestellt: Aus dem
[18][Großmarkt] in der Beusselstraße soll ein [19][Vorbild für die
Energiewende] werden, mit einem neuen Blockheizkraftwerk, der Umstellung
des Fuhrparks auf Elektrofahrzeuge und dem Ausbau der jetzt schon größten
Photovoltaikanlage Berlins.
Das Konzept dazu entwirft die BEA. Außerdem plant, baut, finanziert und
betreibt sie für ihre Kunden Blockheizkraftwerke und Photovoltaikanlagen
oder realisiert Maßnahmen zur Energieeinsparung. Mit dem Ertrag daraus
verdient die BEA ihr Geld, [20][2012] insgesamt 905.000 Euro. Ihr nächstes
Vorhaben: Zusammen mit der Investitionsbank will sie Hausbesitzer bei der
energetischen Gebäudemodernisierung beraten.
BEA-Geschäftsführer Michael Geißler hat dem Abgeordnetenhaus ([21][Link:
Protokoll]) auch schon mal vorgerechnet, wie aufwendig es ist, überhaupt
Kunden zu finden, die einem Stadtwerk all den grünen Strom abkaufen: 100
Euro pro Neukunde kalkuliere die Branche, so Geißler. Wechselprämien und
Werbekampagnen für das tragende Stadtwerke-Argument: Wir liefern nicht nur
grünen Strom, wir reinvestieren das dafür bezahlte Geld in die Energiewende
vor Ort. Amortisieren würden sich die Investitionskosten erfahrungsgemäß
nach fünf Jahren, so Geißler.
Übertroffen hat das Hamburg. Das dort 2009 gegründete Stadtwerk verbuchte
[22][schon nach drei Jahren] erstmals Gewinn: 800.000 Euro, vor allem, weil
es mit 80.000 Stromkunden mittlerweile zu den drei größten Versorgern der
Stadt gehört. Und in Stuttgart machten die frisch gegründeten Stadtwerke
kürzlich vor, wie sich der Standortvorteil ummünzen lässt. Einen 101 Jahre
alten Neukunden [23][zitierten sie so]: „Ich bin froh, dass ich auch mit
über 100 Jahren meiner Heimatstadt noch etwas Gutes tun kann.“
16 Jul 2013
## LINKS
[1] http://www.berlin.de/sen/wirtschaft/struktur/leitung/sen.de.html
[2] http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/rueckkauf-der-energieversorgung-in-be…
[3] http://berliner-energietisch.net/images/gesetzentwurf%20und%20begrndung.pdf
[4] http://www.parlament-berlin.de
[5] http://berliner-energietisch.net/images/gesetzentwurf%20und%20begrndung.pdf
[6] http://www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/klimaschutz/studie_klimaneutra…
[7] http://www.pik-potsdam.de/aktuelles/pressemitteilungen/forscher-unterstuetz…
[8] http://www.die-linke-berlin.de/?id=29333
[9] http://www.mehrwert-berlin.de/
[10] http://www.bsr.de/
[11] http://www.bsr.de/8668.html
[12] http://kraftwerke.vattenfall.de/powerplant/reuter-west
[13] http://www.bsr.de/5350.html
[14] http://www.berlinerstadtgueter.de/
[15] http://www.berlin.de/sen/finanzen/presse/archiv/20130625.1520.386447.html
[16] http://www.berliner-e-agentur.de/
[17] http://www.berliner-e-agentur.de/die-gesellschafter
[18] http://www.berliner-grossmarkt.de
[19] http://www.berliner-e-agentur.de/presse/nicht-nur-gurken-und-zucchini-sind…
[20] http://www.berliner-e-agentur.de/presse/berliner-energieagentur-steigert-u…
[21] http://www.parlament-berlin.de/ados/17/StadtUm/protokoll/su17-020-ip+wp.pdf
[22] http://www.hamburgenergie.de/presse/pressemeldung/artikel/hamburg-energie-…
[23] http://stadtwerke-stuttgart.de/aktuelles/2013/jun/24/burger-wechselt-mit-u…
## AUTOREN
Sebastian Puschner
## TAGS
Energiewende
Stadtwerk
Vattenfall
Energie
Kommunalisierung
Energiewende
Berlin
CO2-Emissionen
Berlin
Energiewende
Energiewende
Energiewende
## ARTIKEL ZUM THEMA
Volksentscheid am 3.11.: Energietisch erhöht Widerstand
Die rot-schwarze Resolution zum Volksentscheid verbreitet Unwahrheiten –
sagen die Initiatoren des Begehrens.
Volksentscheid in Berlin: Alle stark unter Strom
SPD und CDU können sich auf eine Haltung zum Energietisch einigen. Es ist
der bislang größte Streit in der Koalition – in Gefahr ist sie nicht.
Stockende Energiewende: Kohlekraftwerke auf Hochtouren
Braun- und Steinkohlekraftwerke sowie Gas-Anlagen lieferten im ersten
Halbjahr des Jahres 12,4 Prozent mehr Strom. Die Ökostrom-Produktion ging
hingegen zurück.
Kommentar Volksentscheid: Liebes Volk, leck uns doch!
Mit seiner Entscheidung, den Volksentscheid für ein grünes Stadtwerk
getrennt von der Bundestagswahl abzuhalten, tritt der Senat dem Souverän
gezielt vors Schienbein.
taz-Serie Stadtwerk (3/3): Damit das Wasser warm bleibt
Der Berliner Energietisch fordert ein Stadtwerk, das ökologisch,
demokratisch und sozial ist. Die taz beleuchtet dies in einer dreiteiligen
Serie. Teil 3: Das faire Stadtwerk.
taz-Serie Stadtwerk (2/3): Alle Macht den Räten
Der Energietisch fordert ein Stadtwerk, das ökologisch, demokratisch und
sozial ist. Die taz beleuchtet dies in einer dreiteiligen Serie. Teil 2:
Das Räte-Stadtwerk.
taz-Serie Energiewende in Berlin: Alle wollen ein Stadtwerk
Der Berliner Energietisch fordert ein Stadtwerk, das ökologisch,
demokratisch und sozial ist. Die taz beleuchtet diese Aspekte in einer
dreiteiligen Serie.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.