# taz.de -- Neuer Wasserweg für Ozeanriesen: Hoher Preis für Nicaraguas Traum | |
> Eine chinesischer Konzern soll Nicaraguas Antwort auf den Panamakanal | |
> bauen. Dabei erhält das Unternehmen freie Hand für Enteignungen und | |
> strafrechtliche Immunität. | |
Bild: Noch kann man am Nicaraguasee die Ruhe vor den drohenden Bauarbeiten ausk… | |
BERLIN/NICARAGUA taz | „Vaterlandsverkäufer“ war lange eines der | |
schlimmsten Schimpfwörter der linken Sandinisten für ihre politischen | |
Gegner. In der vergangenen Woche haben sie selbst einen Teil Nicaraguas an | |
einen ausländischen Investor verschleudert. | |
Mit der sandinistischen Mehrheit im Parlament wurde ein Gesetz | |
verabschiedet, das der chinesischen Gesellschaft HK Nicaragua Canal | |
Development Investment für fünfzig Jahre das Recht gibt, einen Kanal vom | |
Pazifik zum Atlantik zu bauen und zu betreiben. Die Absicht ist klar: | |
Nicaragua will dem Panamakanal Konkurrenz machen. | |
Das Parlament brauchte fast eine Woche, um den lange geheim gehaltenen, | |
zwischen Präsident Daniel Ortega und den Chinesen geschlossenen Vertrag | |
abzusegnen. Es ist ein Abkommen, das tief in die Souveränität des Landes | |
eingreift: Die Investoren dürfen das für die künstliche Wasserstraße nötige | |
Land enteignen und können sogar Flüsse umleiten, damit das nötige Wasser in | |
die Schleusensysteme fließt. | |
Sollte es zu Konflikten mit Anrainern kommen, genießen die Kanalbauer sogar | |
strafrechtliche Immunität. Hauptsache, sie investieren die 40 Milliarden | |
Dollar, die der Bau voraussichtlich verschlingen wird. | |
Das Kuriose: Es ist noch nicht einmal festgelegt, wo genau der Kanal | |
verlaufen soll. Sechs Routen sind in der Diskussion, drei davon würden | |
teilweise den Río San Juan nutzen, den Grenzfluss zu Costa Rica. Das wäre | |
zwar der einfachste Weg, politisch aber ist er der unwahrscheinlichste. | |
Nicaragua müsste sich mit dem Nachbarland einigen, doch dort gibt es | |
schwere umweltpolitische Bedenken gegen das Projekt. | |
Favorit ist deshalb eine Route mit einem kurzen Durchstich vom Pazifik in | |
den Nicaraguasee, dann ein gut 100 Kilometer langer Kanal zum Río | |
Escóndito, der mitten durch das letzte große Regenwaldgebiet Mittelamerikas | |
zum Atlantik fließt. Im See und im Fluss müsste eine Fahrrinne ausgehoben | |
werden. | |
## Ortega verkauft das Vaterland | |
Umweltverbände und die Opposition laufen Sturm gegen das Projekt. „Es sieht | |
so aus, als sei der Präsident verrückt geworden“, sagte der Abgeordnete | |
Victor Tinoco angesichts der Rechte für die chinesischen Investoren. Die | |
„Bewegung für Nicaragua“, ein Zusammenschluss unabhängiger Organisationen, | |
schrieb in einem offenen Brief, das Land „ist nicht der Privatbesitz der | |
Familie Ortega“. Der Präsident verspricht Wirtschaftswachstumsraten von 15 | |
Prozent im Jahr und Zehntausende neuer Jobs. | |
Und er verspricht die Erfüllung eines nicaraguanischen Traums. Schon 1524 | |
schrieb der spanische Eroberer Hernán Cortés ans Königshaus in Madrid, ein | |
Kanal an dieser Stelle „wäre mehr wert als die Eroberung von Mexiko“. | |
Im 19. Jahrhundert favorisierten die USA lange eine Route durch Nicaragua, | |
bevor sie sich für den Bau des Panamakanals entschieden. Auch später sind | |
solche Pläne immer wieder aufgetaucht – und immer wieder verschwunden. | |
Dieses Mal scheint es ernster zu sein: Nie zuvor gab es eine Konzession. | |
Zweifler aber gibt es genug. Alberto Alemán etwa, von 1996 bis 2012 | |
Geschäftsführer des Panamakanals, glaubt nicht, dass es je einen | |
Nicaraguakanal geben wird. Die Route sei dreimal so lang wie die quer durch | |
Panama, die Kosten seien zu hoch. „So ein Kanal kann nie rentabel sein“, | |
sagt er. Zumal der Panamakanal gerade für größere Schiffe und die doppelte | |
Auslastung ausgebaut wird. | |
Ortega aber sucht in China einen neuen Partner. In den vergangenen Jahren | |
wurde seine Regierung mit billigem Öl aus Venezuela subventioniert. | |
Seit dem Tod von Hugo Chávez im März ist dieser Sponsor unsicherer | |
geworden. Die Chinesen bekamen so nicht nur die Kanalkonzession. Eine | |
andere Firma wurde mit einer Lizenz für ein neues Mobilfunknetz | |
ausgestattet. Die soll in den kommenden drei Jahren 2 Milliarden Dollar | |
Investitionen ins Land holen. Zudem gibt es ein Abkommen, gemeinsam mit | |
einer chinesische Firma 2016 einen Kommunikationssatelliten ins All zu | |
schießen. | |
17 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Toni Keppeler | |
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