# taz.de -- taz.berlin-Adventskalender (9): Hipster-Engel in Neukölln | |
> Immer diese Touristen, ständig stehen sie im Weg. Doch dann stolpert | |
> unsere Autorin in Neukölln über ihre eigenen Vorurteile. | |
Bild: Gefährliches Pflaster, da kann man schon mal ins Stolpern geraten: Berli… | |
Vorweihnachtshektik, unter coronabedingten Masken noch anonymer, | |
Begegnungen finden in Eile und mit Sicherheitsabstand statt. Und dann | |
öffnet sich plötzlich doch manchmal eine Tür: eine freundliche Geste, eine | |
Hilfeleistung, ein Gespräch. Die taz.berlin berichtet in ihrem | |
[1][Adventskalender 2021] von solchen Türchen, die die Anonymität einen | |
Moment vergessen lassen. | |
Den Wohnungsschlüssel schon in der Hand stürze ich nach Hause, es ist zehn | |
vor 6, um 7 erwarte ich Besuch und ich muss noch aufräumen, kochen, den | |
Tisch decken! Und mit den Nerven noch ein bisschen runterkommen, das wäre | |
auch ganz schön. | |
Vor mir geht ein junges Paar im Hipster-Look, sie trägt farbenfrohe | |
Ballonseide, er einen eng gegürteten knielangen Trenchcoat und das Haar zum | |
Half-Bun (Dutt hieß das früher) aufgesteckt. Beide halten in der einen Hand | |
jeweils eine große Pizzaschachtel, in der anderen ein Stück Pizza, sie | |
schlendern, plaudern, lachen und brauchen dabei reichlich Platz. | |
„Touristen!“, denke ich wütend, „sie nehmen überhaupt keine Rücksicht! | |
Denken nicht mal daran, dass hier auch Leute einfach wohnen! Es eilig | |
haben! Nach Hause wollen!“ Als wir um eine Ecke biegen, schränkt eine | |
Baustelle den Platz auf dem Gehweg weiter ein. | |
## Der Länge nach in Zeitlupe | |
Wütend brummelnd dränge ich mich trotzdem an dem Paar vorbei, und dann | |
stürze ich wirklich, habe im Dunkeln den Fuß einer Baustellenabsperrung | |
übersehen und falle der Länge nach hin, wie in Zeitlupe, erst im letzten | |
Moment fällt meinen Armen ein, mich abzustützen. | |
Ich liege einen Moment lang auf dem Boden, fassungslos, geschockt – aber | |
plötzlich ganz ruhig. Dann kann ich mich langsam wieder bewegen, | |
unverletzt, so weit ich das im Schreck fühlen kann. | |
Als ich mich umdrehen und aufsetzen kann, hockt das junge Paar vor mir, die | |
Pizzaschachteln haben sie irgendwo abgelegt. Besorgt fragen die beiden | |
mich, ob alles ok sei, ich mich verletzt hätte, ob es mir gut gehe? Ja, | |
nein, alles gut, stammele ich. Die Zwei helfen mir auf. Als sie dabei den | |
Schlüssel in meiner Hand sehen, bieten sie mir an, mich nach Hause zu | |
bringen. „Nein, danke, nicht nötig, alles gut“, murmele ich. | |
Jetzt, von vorne, fällt mir auf, wie schön die beiden sind. | |
9 Dec 2021 | |
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## AUTOREN | |
Alke Wierth | |
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