# taz.de -- taz-Serie Was macht eigentlich …? (Teil 2): Thaifood auf Preußen… | |
> Die Thaiwiese im Preußenpark, wo im Sommer asiatische BerlinerInnen | |
> kulinarische Spezialitäten anbieten, ist eine Attraktion – und Störfaktor | |
> zugleich. | |
Bild: Gegrillte Insekten – ebenso umstritten wie die Thaiwiese selbst | |
Mit den unterschiedlichen Namen gehen die verschiedenen Sichten schon los. | |
Als die taz eine Sekretärin im Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf fragt, | |
mit welchem Stadtrat sie denn über die Thaiwiese sprechen könne, antwortet | |
die: „So etwas haben wir hier nicht. Sie meinen bestimmt den Preußenpark.“ | |
„Preußenpark“ heißt auf Berliner Stadtplänen und bei den unmittelbaren | |
Anwohnern die staubige Brache zwischen den U-Bahnhöfen Fehrbelliner Platz | |
und Konstanzer Straße, auf der nur noch wenig daran erinnert, dass sie | |
einmal eine Grünfläche war. „Thaiwiese“ heißt der Ort hingegen in | |
Berlin-Reiseführern. Und unter diesem Namen lockt der Ort in der warmen | |
Jahreszeit Berliner aus allen Bezirken und Touristen an, die mitten in | |
Europa fernöstliche Streetfood-Gastronomie erleben wollen. | |
Garküchenbetreiber aus Thailand, den Philippinen, Vietnam, Korea und Japan | |
bereiten dann hier auf mitgebrachten Campingkochern und Bastmatten | |
Spezialitäten zu – allerdings ohne sich dabei an deutsches Recht zu halten. | |
Denn die mit den Jahren immer stärker gewachsene Streetfoodszene ist | |
vollkommen illegal: Weder zahlen die Händler hier Steuern, noch schaut die | |
Lebensmittelaufsicht nach dem Rechten. | |
Des halb will der Bezirk das Treiben auf der Thaiwiese in seiner jetzigen | |
Form nicht mehr dulden. Fernöstliche Gastronomie, die Touristen aus aller | |
Welt nach Wilmersdorf zieht, soll es allerdings weiter geben – darüber sind | |
sich alle Parteien im Bezirksparlament einig, ob sie nun „Preußenpark“ oder | |
„Thaiwiese“ sagen. Aber sie soll an den Rand der Brache in nur noch wenige | |
feste Stände ziehen. Dort sind Wasser- und Stromanschlüsse geplant, die die | |
Einhaltung von Hygienevorschriften und der Kühlkette ermöglichen. Wer einen | |
Stand will, muss Steuern und Miete zahlen und ein Gesundheitszeugnis | |
vorlegen. | |
Doch: Bis es so weit ist, will Ordnungsstadtrat Arne Herz (CDU) die | |
illegale Gastronomie in Wilmersdorf weiter dulden, „um keine Fakten zu | |
schaffen“, wie er sagt. Denn die Thaiwiese ist eine Institution und hat es | |
schon in bis in amerikanische Zeitungen gebracht. Danach soll es mit der | |
bunten Thaiwiese, deren Charme gerade das Spontane, Urwüchsige ist, vorbei | |
sein. Ob das schon 2019 ist, wie es der Bezirk eigentlich anstrebt oder | |
doch erst 2020, ist offen. | |
## Vorschläge von Studenten | |
Im Sommer hatten die Bezirksverordneten beschlossen, die Thaiwiese zu | |
verkleinern, Recht und Gesetz durchzusetzen und den Preußenpark wieder zu | |
begrünen. Dazu sollte es einen Bürgerdialog geben. Der sollte eigentlich im | |
September beginnen, lässt aber bis heute auf sich warten. „Wir werden erst | |
ab Februar damit starten“, erklärt der grüne Stadtentwicklungsstadtrat | |
Oliver Schruoffeneger der taz. „Entgegen unserem ursprünglichen Vorhaben | |
warten wir, weil die TU-Studenten der Landschaftsplanung in diesem Jahr | |
ihre Masterarbeiten dazu schreiben.“ Da könne er sich sinnvolle Vorschläge | |
vorstellen und die wolle der Bezirk mit einbeziehen. „Es ist aber möglich, | |
dass das Konzept dennoch im Frühjahr fertig sein kann,“ sagt | |
Schruoffeneger. | |
Der Handel, der im vergangenen Sommer auf einer riesigen Fläche mit bis zu | |
100 Ständen für Papayasalat, fernöstliche Suppen, Currygerichte und | |
Pasteten stattfand, hat einmal ganz klein angefangen. In den 1990er Jahren | |
trafen sich hier Berliner Thailänderinnen an warmen Sonntagen und brachte | |
ihre heimatlichen Gerichte zum eigenen Verzehr mit. Deutsche Parkbesucher | |
fragten, ob sie etwas kaufen dürften. Diese Nachfrage machte aus dem | |
geselligen Zusammensein ein Geschäft, das in den vergangenen vier Jahren | |
kräftig wuchs. 2018 hatten sich zu den thailändischen Verkäufern längst | |
Kollegen aus anderen fernöstlichen Ländern gesellt. Und Brasilianer, die | |
hochprozentige Cocktails mixen und verkaufen. Zu viel Alkohol sowie dessen | |
Verkauf an Minderjährige sind ein Vorwurf, der immer wieder über der | |
Thaiwiese schwebt. | |
Den Anwohnern stinkt das – im wahrsten Sinne des Wortes. Der Dunst von | |
süßsauren Currygerichten, Knoblauch und Zitronengras liegt im Sommer über | |
Wilmersdorf. Anders als bei regulärer Gastronomie fehlen auf der Thaiwiese | |
Toiletten, sodass die Besucher ihre Notdurft in Treppenhäusern oder den | |
Gärten der Anwohner verrichten. Die private Müllentsorgung und Reinigung | |
der einzigen Toilette im Park, die die Händler bis 2016 organisiert hatten, | |
funktioniert nicht mehr. Und das Ungeziefer, das durch die hygienisch nicht | |
einwandfreie Großgastronomie unter freiem Himmel angezogen wird, verbreitet | |
sich auch zu den Anwohnern. Die machten Druck auf den Bezirk, das illegale | |
Treiben zu beenden. | |
„Warum lassen Sie den Park nicht räumen? Sie haben jede rechtliche Handhabe | |
dazu“, fragte eine Anwohnerin im Sommer auf der | |
Bezirksverordnetenversammlung. Zahlreiche Nachbarn pflichteten ihr bei. | |
Wenn es nach ihnen ginge, solle die Thaiwiese umziehen. Irgendwohin, nur | |
sehr weit weg von ihnen. Sie wollen den Preußenpark zurückhaben. | |
Dahinter steckt die Frage: Wem gehört die ehemalige Grünfläche? Den | |
Anwohnern, die dort Erholung und Ruhe suchen, oder der hippen | |
Stadtcommunity und den Touristen, die sich nach einem Stück Exotik mitten | |
in Berlin sehnen – sowie natürlich den asiatischen Berlinern? Preußenpark | |
oder Thaiwiese? | |
## Schweigen der thailändischen Community | |
Doch während die Kunden der Thaiwiese im Internet um deren Erhalt streiten, | |
ist die thailändische Community selbst still. Rund 5.000 Menschen aus | |
Thailand wohnen in Berlin. Etwa 80 Prozent von ihnen sind ältere Frauen, | |
die einmal als Krankenschwestern angeworben wurden und heute auf das | |
Rentenalter zugehen oder es bereits erreicht haben. Sie verdienen sich im | |
Sommer ein Zubrot auf der Thaiwiese, stocken so ihre Rente oder ihre | |
Sozialleistungen auf. | |
„Was sollen sie auch öffentlich sagen?“, fragt eine jüngere Thailänderin, | |
die Kundin auf der Thaiwiese ist und die Szene als geselliges Zusammensein | |
mit Freunden und Bekannten bei leckerem Essen schätzt. „Die Händler wissen | |
doch, dass ihr Verkauf nicht legal ist.“ Die Frau, die ihren Namen nicht | |
nennen möchte, kann sich nicht vorstellen, dass eine dieser Frauen ein | |
legales Gewerbe anmelden wird. „Dann müsste sie das ganze Jahr über | |
Standmiete bezahlen. Das Geschäft läuft aber nur in den Sommermonaten. Das | |
rechnet sich nicht.“ | |
Mehr und mehr Köchinnen würden zudem jeden Sommer eigens mit einem | |
Touristenvisum für drei Monate aus Thailand kommen und in Privatwohnungen | |
das Essen vorkochen, das dann Frauen mit deutschen Sprachkenntnissen vor | |
Ort aufwärmen und verkaufen, verrät sie. „Touristen können aber gar kein | |
Gewerbe anmelden. Ich glaube nicht, dass man den Verkauf hier in legale | |
Formen lenken kann.“ | |
Das baldige Ende der gesetzlosen Thaiwiese sieht die Frau mit einem | |
weinenden und einem lachenden Auge. „Unser geselliges Beisammensein könnte | |
damit wegfallen. Das ist die traurige Seite. Aber in den letzten Jahren | |
wurde dieses ohnehin immer stärker kommerzialisiert. Die Stimmung ist nicht | |
mehr wie vor fünf oder zehn Jahren. Wenn ich mit meiner Familie auf einer | |
Decke liege und mich alle zehn Minuten jemand fragt, ob ich eine Massage | |
oder Maniküre brauche, nervt das einfach nur.“ Zudem, fügt die Frau hinzu, | |
gäbe es Gesetzesverstöße, bei denen die Behörden wirklich nicht wegschauen | |
könnten. „Illegales Glücksspiel beispielsweise oder Alkoholverkauf an | |
Kinder.“ | |
31 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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