| # taz.de -- Zivilgesellschaft in El Salvador: Leben unter dem Zocker-Präsident… | |
| > Die USA schieben Venezolaner:innen nach El Salvador ab. Dort sagt | |
| > Präsident Bukele Banden den Kampf an. Das stößt auf Zustimmung – und | |
| > Ängste. | |
| Bild: Salvadorianische Soldaten patrouillieren durch eine Straße in San Salvad… | |
| Gefangene mit kurz geschorenen Haaren, weißem Shirt, weißer Hose, weißen | |
| Socken. Doch das Wichtigste an dieser Choreografie ist: Es gibt nur | |
| Gruppenauftritte. Alle Darsteller werden in dieselbe geduckte Körperhaltung | |
| gezwungen, sie müssen nacheinander – möglichst in gleichem Abstand – Gän… | |
| ablaufen und sitzen schließlich – großes Finale – in waagerecht und | |
| senkrecht geordneten Reihen auf dem Boden. Diese gefilmte oder | |
| fotografierte Inszenierung wird in El Salvador schon seit Jahren | |
| aufgeführt. Man kann davon ausgehen, dass alle Salvadorianer:innen | |
| diese Aufführung mehr als einmal gesehen haben. Von alleine erzählen sie | |
| einem überall im Land davon. „Der Präsident hat ein Gefängnis bauen lassen, | |
| da passen 40.000 Menschen rein.“ Und dann folgt immer – bedeutungsschwer | |
| ausgesprochen – der Satz: „Und da ist noch viel Platz!“ | |
| Nun sorgte diese Inszenierung erstmals auch für weltweites Aufsehen, weil | |
| vor wenigen Tagen die unfreiwilligen Darsteller nicht aus dem eigenen Land | |
| kamen. [1][238 venezolanische Gefangene wurden Mitte März, in einer | |
| nächtlichen Blitzaktion, aus den USA nach El Salvador abgeschoben]. Der | |
| allgegenwärtige Satz „Und da ist noch viel Platz!“ war also auch ein | |
| Angebot an befreundete Herrscher wie Donald Trump. Präsident Nayib Bukele | |
| vermietet auch Gefängnisfläche. | |
| [2][Seit 2019 regiert Bukele in El Salvador]. Der 43-Jährige inszeniert | |
| sich dabei auf Social Media, nennt sich selbst den „coolsten Diktator der | |
| Welt“. Seit seiner Wahl geht das lateinamerikanische Land neue Wege. Bukele | |
| führte die Kryptowährung Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel ein. Vor | |
| allem aber sagte er der Bandenkriminalität den Kampf an, [3][verhängt seit | |
| 2022 einen Ausnahmezustand über das Land]. 82.500 Menschen wurden in den | |
| vergangenen Jahren inhaftiert, mit oft zweifelhaften Begründungen. | |
| Die ersten Angehörigen der nun abgeschobenen Venezolaner suchen bereits die | |
| Öffentlichkeit um zu beteuern, dass ihr Mann, Sohn, Bruder unschuldig sei. | |
| Gleiche Stimmen hört man auch zu den inhaftierten Salvadorianer:innen. Die | |
| Menschenrechtsorganisation Socorro Jurídico Humanitario beklagt, dass knapp | |
| jeder Dritte zu Unrecht in den Gefängnissen des Landes verschwunden sei. | |
| Bei über sechs Millionen Einwohner:innen kann man davon ausgehen: Jede | |
| und jeder kennt jemanden, der einsitzt – und viele kennen jemanden, der | |
| unschuldig einsitzt. [4][Im Januar 2024 wurde Präsident Bukele trotzdem und | |
| mit großer Mehrheit wiedergewählt]. Sein Kalkül ist zunächst einmal | |
| aufgegangen. | |
| Die 82.500 Gefangenen haben Cintia Flores (Name geändert) den Weg zurück in | |
| ihre alte Heimat ermöglicht. Die 24-Jährige verkauft selbstgemachte | |
| Teigtaschen aus ihrem Bauchladen auf dem Markt von Nahuizalco, einer Stadt | |
| mit etwa 50.000 Einwohner:innen im Westen des Landes. Sie hätte gerne | |
| einen festen Marktstand wie ihre Eltern, erzählt sie. Aber sie bekäme | |
| keinen, obwohl manche Frauen gleich drei Stände hätten. Doch das seien | |
| Kleinigkeiten im Vergleich zu früher. Da sei es hier um Leben und Tod | |
| gegangen, sagt Flores. „Meine Eltern hatten einen Marktstand. 2009 sollten | |
| sie der Bande, die die Stadt beherrschte, eine ‚Abgabe‘ zahlen. Sie sahen | |
| das nicht ein. Die Marktfrauen, die der Bande kein Geld gaben, wurden | |
| umgebracht. Meine Eltern flohen mit uns drei Töchtern nach Guatemala.“ | |
| Cintia Flores war da neun Jahre alt. | |
| Diese Banden hatten sich ab 1992 in El Salvador ausgebreitet. Damals war | |
| der dreizehn Jahre währende Bürgerkrieg im Land zu Ende gegangen, viele in | |
| die USA geflüchtete Salvadorianer:innen wurden in ihre Heimat | |
| abgeschoben. Die meisten kamen aus Los Angeles. Dort hatten sie nur in | |
| Gruppen überleben können, gegen die mexikanischen, afroamerikanischen und | |
| philippinischen Gangs. Zurück in ihrem Heimatland trafen sie auf junge | |
| Männer, die in den Bürgerkriegsjahren mit Straßenschlachten und | |
| Messerduellen aufgewachsen waren. Schnell wuchs zusammen, was nur Gewalt | |
| als Mittel zum Überleben kannte. | |
| ## „Jetzt kann man hier ganz ruhig leben“ | |
| Seit Bukele Präsident wurde und anfing, zehntausende Männer einsperren zu | |
| lassen, die als Bandenmitglieder beschuldigt wurden, sank die Kriminalität. | |
| 2022 kam Cintia Flores daher zurück, nun mit Mann und Sohn, danach wurde | |
| noch ihre Tochter geboren. Ihr guatemaltekischer Mann, ein Elektriker, ist | |
| auf dem Markt dazugekommen und ergänzt, dass sogar die Uber-Fahrer in | |
| Nahuizalco erpresst worden seien. Flores ist heute 24 Jahre alt und | |
| zufrieden: „Ich kenne hier auf dem Markt so viele Familien. Nahuizalco ist | |
| übersichtlich. Jetzt, da Frieden herrscht, kann man hier ganz ruhig leben.“ | |
| Etwa eine Stunde weiter nordwestlich liegt der Nationalpark „El Imposíble“. | |
| Edwin Arévalo nennt ihn sein Wohnzimmer. Es vergehe kein Tag, an dem er | |
| nicht Stunden draußen verbringe, sagt er. Nur das würde ihn ins | |
| Gleichgewicht bringen. An diesem Tag ist es ein wenig windig. Bei Wind | |
| würden sich die Schlangen zurückziehen, sonst könne man sie zischeln hören, | |
| erzählt Arévalo. Der 35-Jährige hat mit neun Jahren angefangen, Touren | |
| anzubieten. Damals seien überwiegend Einheimische gekommen. „Die | |
| Salvadorianer und auch die Guatemalteken bewegen sich nicht gerne. Also: so | |
| nah wie möglich an die Wasserfälle heranfahren, dann Fotos machen und dann | |
| zurück zum Auto und essen gehen. Das ist für die meisten der perfekte | |
| Ausflug.“ | |
| Dann hätten die Banden die ganze Zone übernommen. Die salvadorianischen | |
| Tourist:innen seien weggeblieben, weil es zu gefährlich gewesen sei. | |
| Ausländer:innen sollten her und das habe auch funktioniert, sagt | |
| Arévalo. Die Tourist:innen hätten ihn nicht während der Tour bezahlen | |
| können, sondern per Banküberweisung oder außerhalb des Parks, eher | |
| konspirativ. Sonst wäre das Geld weg gewesen, berichtet Arévalo. Doch jetzt | |
| könne man hier in Frieden arbeiten. | |
| Arévalo zeigt auf eine Pflanze mit dem Namen Tarro. Wie Sterne stehen ihre | |
| Dornen vom Stamm ab. Sie sieht trocken und harmlos aus, doch wenn man sich | |
| an einer ihrer Dornen sticht, sei man innerhalb weniger Stunden tot. „Ein | |
| Tourist hat sich mal beim Hinsetzen gestochen, als er sich abstützte, und | |
| da war ein Dorn“, erzählt Arévalo so ruhig, dass man ihm Falle des Falles | |
| sein Leben anvertrauen würde. „Innerhalb der ersten Stunde hat man die | |
| Chance, das Gift herauszuholen. Es macht sich erst langsam durch die | |
| Blutbahn auf den Weg zum Herzen. Ich hab das gemacht und der Tourist hat | |
| überlebt.“ | |
| „El Imposible“ ist der größte Nationalpark El Salvadors, ein „tropischer | |
| Trockenwald“. Mehr als 5.000 Schmetterlingsarten, 53 Amphibien- und | |
| Reptilienarten, 285 Vogelarten, gut 100 Arten von Säugetieren und mehr als | |
| 500 Pflanzenarten gibt es hier. Die meisten Besucher:innen kämen aus | |
| Deutschland, sagt Arévalo, dann USA, Frankreich, Italien und Niederlande. | |
| Den ganzen Tag über sieht man keinen Menschen. Wie sieht es mit seinen | |
| früheren Schulkameraden aus? Haben sich welche einer Bande angeschlossen? | |
| Ja, sagt Arévalo. „Manche sind nun tot, manche im Gefängnis, manche | |
| spurlos verschwunden.“ | |
| ## Die Angst, im Gefängnis zu verschwinden | |
| Davor hat auch Luis Marzo (Name geändert) Angst. Doch nicht, weil er einer | |
| Bande angehört hätte, sondern weil er gegen eine geplante Goldmine kämpft. | |
| Er lebt nahe der Stadt Juayua, wo es sieben Wasserfälle gibt. Die Regierung | |
| wolle den Goldabbau fördern, erzählt der 32-Jährige. „Hier sollen Minen | |
| entstehen. All die schönen Wasserfälle zum Beispiel würden dann zerstört. | |
| Die Bevölkerung ist dagegen.“ Alle seien in einer Hab-Acht-Stellung, sagt | |
| Marzo. „Wir haben Angst, festgenommen zu werden und in einem der | |
| Gefängnisse zu verschwinden.“ Da steht sie wieder im Raum, die | |
| Gefängnisdrohung: „Und da sind noch viele Plätze frei.“ | |
| Nach Marzos Worten könnten Bukele-Jünger – sei es ein Polizist, ein Soldat | |
| oder ein Nachbar – einen Vorwurf erfinden, zum Beispiel, dass man ein | |
| Bandenmitglied sei, und dann: ab in den Knast. Unter dem Ausnahmezustand, | |
| den die Regierung seit drei Jahren alle vier Wochen verlängert, dürfen | |
| Zeug:innen anonym bleiben. „Die Bukele-Fans hetzen auch in den sozialen | |
| Medien gegen die Menschen, die an Regierungsmaßnahmen konkret Kritik | |
| äußern. Dann folgt ein Shitstorm.“ | |
| Auf die Sache mit den Festnahmen hat der Polizist Pedro Ruiz (Name | |
| geändert) einen ganz anderen Blick. Früher habe die Polizei einen Menschen | |
| festnehmen können, wenn er eine Waffe trug, sagt Ruiz. Sie durfte ihm die | |
| Waffe abnehmen, musste aber den Menschen wieder freilassen. Ein paar Tage | |
| später sei dieser wieder aufgetaucht, mit einer neuen Waffe, und das ganze | |
| Spiel sei von vorne losgegangen. Heute könnten sie ihn festnehmen und er | |
| komme nicht mehr frei. Der Polizist findet das angemessen, denn es würden | |
| ja, so sieht er es, ausschließlich Bandenmitglieder festgenommen. | |
| Ruiz macht mit seiner Frau und seinen Söhnen, elf, acht und drei Jahre alt, | |
| an diesem Sonntag gerade einen Ausflug zur Laguna Verde in der Nähe der | |
| Stadt Apaneca. Der Kratersee liegt auf 1.830 Meter Höhe und ist umrahmt von | |
| Pinien, Zypressen und Teichbinsen. Ruiz grüßt freundlich. Grüßen ist | |
| überall in El Salvador – außer in der Hauptstadt – normal. Man lächelt v… | |
| und wünscht sich einen wunderschönen Tag oder Ähnliches. Der 37-Jährige | |
| freut sich sichtlich, aus seinem Leben erzählen zu können. Er und seine | |
| Frau seien schon drauf und dran gewesen, nach Italien auszuwandern, wo ein | |
| großer Teil der Familie lebe. Der Grund: „Die Kriminalität, die | |
| Unsicherheit. Die Kinder konnten nicht draußen spielen. Früher war es so, | |
| dass man zum Beispiel in Santa Ana als Polizist bestimmte Stadtviertel gar | |
| nicht betreten konnte. Die sind bewacht worden von der herrschenden Bande. | |
| Wenn man trotzdem reinging, ist man nicht mehr lebend herausgekommen.“ | |
| Dann wurde Bukele Präsident, und die Situation habe sich total geändert. | |
| „Die Kinder sind jetzt außer Gefahr“, lobt Ruiz. „Und die Polizei ist | |
| heutzutage viel moderner, auch bei der Ausstattung. Wir haben viele | |
| Schulungen bekommen, zum Beispiel zum Thema Menschenrechte.“ | |
| Ruiz sagt, er habe erwartet, dass der neue Präsident wie seine Vorgänger | |
| korrupt sein würde, aber das sei nicht eingetreten. Er findet, dass alle | |
| staatlichen Einrichtungen jetzt gut funktionierten, zum Beispiel bei | |
| Stellenbewerbungen. Ein Bekannter habe gedacht, da er jemanden kenne, würde | |
| er genommen werden. Aber nein: Alle müssten sich nun ordentlich bewerben | |
| und würden nach Qualifikation eingestellt. Der Bekannte habe die Stelle | |
| nicht bekommen. | |
| Ruiz’ drei Söhne toben herum. Seine Frau hat sie permanent im Blick und | |
| beteiligt sich nur mit gelegentlichem Nicken am Gespräch. „Bei der Polizei | |
| gibt es eigentlich keine Korruption mehr“, sagt Ruiz. „Aber jeder macht mal | |
| einen Fehler, und so gibt es einzelne Menschen, die korrupt sind. Sie | |
| verlieren sofort ihre Stelle, wenn das herauskommt, und zwar nicht nur in | |
| der Polizei, sondern im öffentlichen Dienst allgemein. Ich würde also | |
| sofort entlassen werden. Doch von mir hängt so viel ab: meine Frau, meine | |
| Kinder, mein Haus. Es wäre völlig töricht, mein gutes Leben zu gefährden. | |
| Und so sehen das auch meine Kollegen.“ | |
| ## Als erstes Land Bitcoin als Staatswährung eingeführt | |
| Mit seinem Vorgehen gegen die Banden, mit den Festnahmen und dem | |
| Ausnahmezustand versucht Präsident Bukele eine Kehrtwende hinzubekommen, | |
| die seinen Vorgängern nicht gelungen war. Doch das sind nur einige der | |
| Wände eines Kartenhauses. Die Bel Etage, mit der man richtig Einnahmen | |
| erzielen kann – in anderen Ländern die Rohstoffe oder die Ingenieurskunst | |
| –, soll in El Salvador der Bitcoin sein. Bukele hat alles auf diese Karte | |
| gesetzt. | |
| Über sechs Millionen Salvadorianer:innen leben in ihrem Land und noch | |
| einmal drei Millionen im Ausland. Diese tragen mit ihren Überweisungen nach | |
| Hause erheblich zum Wohlstand – wenn man das so nennen mag – des Landes | |
| bei. Bukele wollte das gleich mehrfach nutzen. [5][2021 führte El Salvador | |
| als erstes Land überhaupt den Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel ein, | |
| neben dem US-Dollar]. Wenn nun die Salvadorianer:innen im Ausland in | |
| der Kryptowährung Überweisungen machen, sparen sie die Auslandsgebühr. Die | |
| Regierung gibt dazu keine Zahlen heraus, doch die Rechercheplattform „El | |
| Faro“ trug Zahlen zusammen, die den Schluss nahelegen, dass diese | |
| Möglichkeit kaum genutzt wird. | |
| Anders sieht es mit dem Bitcoin als Geldanlage aus. Polizist Ruiz | |
| berichtet, wie andere auch, dass seine Familienmitglieder in Italien und | |
| der Schweiz sich bereits mit Bitcoins eindecken würden. Sie würden auch | |
| viele Investitionen in El Salvador tätigen. Nun wollten sie ihre Häuser und | |
| Grundstücke hier auf Vordermann bringen um zurückzukehren. Und Bukele hatte | |
| noch einen Extrabonbon für sie: In seiner ersten Amtszeit ließ er das | |
| Wahlrecht ändern. Nun dürfen auch Salvadorianer:innen im Ausland ihre | |
| Stimme abgeben. Über Nacht kamen damit etwa fünfzig Prozent mehr | |
| Wahlberechtigte hinzu, und zwar solche, die ein Interesse daran haben | |
| könnten, dass der Bitcoin floriert, und die zumindest keine Angst haben | |
| müssen festgenommen zu werden. | |
| Und schon 2021 verkündete Bukele auch seine Vision einer „Bitcoin City“, | |
| und zwar im Osten des Landes, am Fonseca-Golf. Dort befindet sich der | |
| Conchagua-Vulkan und dieser sollte mit seiner Wärmeenergie die Bitcoin City | |
| betreiben. Klingt verrückt? Ist es auch. Doch einige Familien konnten über | |
| die Pläne gar nicht lachen. Ihnen gehörte das Land, auf dem die neue Stadt | |
| gebaut werden sollte, und sie wurden mit sehr perfiden Methoden gezwungen, | |
| ihr Haus und Hof zu verkaufen – und das noch unter dem Marktpreis. | |
| ## Eine luxuriöse Strandparty für die Investor:innen | |
| Auf der anderen Seite tat die Regierung alles für den schönen Schein, denn | |
| die Investor:innen aus den USA und Europa sollten ihr Geld am | |
| Fonseca-Golf anlegen. Zunächst wurden sie zu einer luxuriösen Strandparty | |
| eingeladen, bei der die Pläne, eine Bitcoin City zu bauen, präsentiert | |
| wurden. In der geplanten Stadt sollte es weder Grundsteuer noch | |
| Kapitalertragsteuer geben. Luxusappartements für eine Viertelmillion Dollar | |
| sollten zu kaufen sein, elegante Hotelzimmer bereitstehen und natürlich | |
| sollte ein Flughafen gebaut werden. Bitcoin City sollte hauptsächlich | |
| finanziert werden durch die Gewinne der Transaktionen, welche die Regierung | |
| mit dem Bitcoin machen würde – sie wollte vom Auf und Ab der volatilen | |
| Kryptowährung profitieren. | |
| Am Fonseca-Golf, im Hafen von La Unión, sitzt der Fährmann Rudolfo und | |
| wartet auf Ausflugsgäste. Unter seinen Kollegen ist er der Einzige, bei dem | |
| man die Bootstour mit Bitcoin bezahlen kann. Manche Tourist:innen würden | |
| das machen, sagt der 51-Jährige. Er nutze die Kryptowährung nicht nur als | |
| Zahlungsmittel, sondern habe auch in Bitcoin investiert. Unter den | |
| Fährleuten sei er auch damit der Einzige. Vergangene Saison habe er 1.600 | |
| Dollar gewonnen und 100 Dollar verloren. Derzeit habe er keine Bitcoins – | |
| Rudolfo zeigt sein Konto in der App –, da der Preis viel zu hoch sei. | |
| Im Fonseca-Golf mit dem Conchagua-Vulkan im Hintergrund ist von der Bitcoin | |
| City noch nichts zu sehen. Die Surfer-Stadt El Zonte, weiter westlich, gilt | |
| als Bitcoin-Mekka, ist aber zu klein, um mit den Zahlungen der jungen Leute | |
| das Kartenhaus des Präsidenten zu stabilisieren. Zahlenmäßig zeugt nur das | |
| nahegelegene Berlin vom Aufbruch. In der 20.000-Einwohner:innen-Stadt nutzt | |
| ein Viertel der Bevölkerung den Bitcoin. Die Temperatur ist angenehm hier | |
| auf über 1.000 Meter Höhe, anders als die über 30 Grad überall in den | |
| tieferen Zonen des Landes. An vielen Läden und Restaurants klebt das | |
| Bitcoin-Zeichen. | |
| Eine Cafébetreiberin berichtet, dass Kund:innen aus den USA, Kanada, | |
| Deutschland, Australien, Neuseeland, Irland, Argentinien, Italien, | |
| Frankreich, Indien, Spanien, Kolumbien und Panama bei ihr mit Bitcoin | |
| bezahlt hätten. „Es gab eine erste App, die ‚Chivo Wallet‘, die hat aber | |
| nicht gut funktioniert.“ „Chivo“ ist umgangssprachlich für „cool“. S… | |
| sich eben auch Bukele als „coolster Diktator der Welt“ bezeichnet. | |
| Vielleicht ist das Scheitern der coolen App ein Vorbote. Die | |
| Cafébetreiberin zeigt die neue App, die funktioniere. „Es gibt in Berlin | |
| Hotels und Hostels, die ausschließlich Bitcoin akzeptieren. Wenn man in | |
| einer Stadt überall mit Bitcoin bezahlen kann, dann werden zusätzlich | |
| diejenigen Touristen angelockt, die das machen wollen. Dadurch werden | |
| weitere Bitcoins ins System gespült.“ Diesen Zusammenhang hat sie im | |
| Bitcoin-Informationszentrum in Berlin gelernt, dem Ort, wo sich auch lokale | |
| Unternehmen Unterstützung holen und Bitcoin-Nerds Geschäftsideen | |
| entwickeln können. | |
| Und diese Bitcoin-Community musste vermutlich schlucken, als das | |
| salvadorianische Parlament im Januar kleinlaut das Ende des Bitcoin als | |
| offizieller Währung beschloss. Der Internationale Währungsfonds hatte einen | |
| zwei Jahre dauernden Kampf gewonnen. El Salvador will einen Kredit von 1,4 | |
| Milliarden US-Dollar. Der Internationale Währungsfonds (IWF) sorgte sich um | |
| die Finanzstabilität und den Verbraucherschutz. Kritiker:innen hatten | |
| beklagt, Geld könne mit dem Bitcoin zu einfach gewaschen werden. Der IWF | |
| forderte, dass die Liquiditätsreserven der Banken erhöht werden, dass es | |
| freiwillig sein soll, den Bitcoin zu verwenden, und dass die Regierung ihre | |
| Ausgaben reduziere. Zudem solle sie ihre Entscheidungen transparenter | |
| machen. Das klingt nach einer Ohrfeige. | |
| Damit könnte der IWF erreicht haben, was Menschenrechtler:innen und | |
| andere bisher nicht schafften: das Kartenhaus des „coolsten Diktators der | |
| Welt“ zum Einsturz zu bringen. Derzeit ist El Salvador ein Land auf | |
| Bitcoins Schneide. | |
| 27 Mar 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Abschiebungen-in-den-USA/!6073153 | |
| [2] /Praesidentschaftswahlen-in-El-Salvador/!5990027 | |
| [3] /Kampf-gegen-Bandenkriminalitaet/!6046177 | |
| [4] /Praesidentschaftswahlen-in-El-Salvador/!5990027 | |
| [5] /Kryptowaehrung-in-El-Salvador/!5778276 | |
| ## AUTOREN | |
| Diana Seiler | |
| ## TAGS | |
| El Salvador | |
| Bitcoin | |
| Kriminalität | |
| Lateinamerika | |
| Bandenkriminalität | |
| Nayib Bukele | |
| GNS | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| El Salvador | |
| Donald Trump | |
| Lateinamerika | |
| El Salvador | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Demokratieabbau in El Salvador: Rette sich, wer kann | |
| Vor laufenden Kameras wird El Salvadors Demokratie peu à peu begraben. Mit | |
| einer Verfassungsänderung will Präsident Nahib Bukele seine Macht sichern. | |
| Abschiebungen in den USA: Abgeschoben und ausgeliefert | |
| US-Präsident Trump ordnet die Deportation mutmaßlicher Gangmitglieder nach | |
| El Salvador an. Er setzt sich damit über ein Bundesgericht hinweg. | |
| Facebook, Whatsapp und X: Die gefährliche Allmacht von Social Media in Lateina… | |
| Soziale Medien sind in Lateinamerika im Alltag praktisch unverzichtbar. | |
| Viele betrachten sie deshalb unbeschwert – trotz Desinformation. | |
| Kampf gegen Bandenkriminalität: Der permanente Ausnahmezustand des Nayib Bukele | |
| In El Salvador sitzen mehr als 82.500 mutmaßliche Bandenmitglieder ohne | |
| Verfahren im Gefängnis. Das ist populär – und trifft auf massive Kritik. |