# taz.de -- Wohnprojekt von Räumung bedroht: „Geordneter Leerzug“ | |
> Der Trailerpark am Hönower Wiesenweg soll verschwinden. So will es das | |
> Bezirksamt Lichtenberg. Von einer Räumung ist aber vorerst keine Rede | |
> mehr | |
Bild: Ohne Strom, ohne Warmwasser: Die Tage des Trailerparks sind gezählt | |
BERLIN taz | Es wird ernst für die Bewohner*innen des [1][Trailerparks | |
am Hönower Wiesenweg]. Die befürchtete Räumung mit einem massiven | |
Polizeiaufgebot scheint zwar vorerst vom Tisch. Dennoch will das Bezirksamt | |
Lichtenberg am Montag und Dienstag dieser Woche versuchen, die | |
Bewohner*innen des Trailerparks in Karlshorst zum Auszug zu bewegen – | |
pünktlich zum Beginn der „Lichtenberger Wochen für Menschenrechte“. | |
Einer Ankündigung zufolge werden Shuttlebusse zur Verfügung stehen, um | |
alle, die das wollen, in ein Wohnheim zu bringen. 40 Menschen hätten | |
signalisiert, das Angebot anzunehmen, teilt das Bezirksamt mit. An einer | |
Lösung für die Trailerpark-Bewohner*innen mit Haustieren werde noch | |
gearbeitet. Zur Begründung für die geplante Räumung des Geländes heißt es, | |
diese sei nötig, weil ansonsten „erhebliche Gefahren für Leben und | |
Gesundheit“ drohten. | |
Am Hönower Wiesenweg ist die Stimmung unmittelbar vor den per Aushang | |
verkündeten Umzugstagen angespannt. Von den ursprünglich rund 200 | |
gemeldeten Menschen sind nur noch einige Dutzend vor Ort. Eine Frau | |
verstaut ihre Habseligkeiten in einem Auto, jemand sucht sein Handy. An | |
einer kleinen Feuertonne steht ein großer, hagerer Mann mit stechendem | |
Blick. Er sagt, auf dem Platz herrsche „eine Mischung aus Unverständnis, | |
Ärger und Frust“. Er selbst wolle nicht in ein Wohnheim, sein Arbeitgeber | |
wiederum will verhindern, dass er wieder auf der Straße landet: „Ich muss | |
noch darüber nachdenken.“ | |
Vorausgegangen war der Räumungsankündigung [2][ein monatelanges Tauziehen] | |
zwischen dem Bezirksamt und Ulrich Ziegler, dem Eigentümer des Grundstücks. | |
Ende September und Mitte Oktober ließ das Bezirksamt beide Stromanschlüsse | |
sperren. Die Zähler seien manipuliert worden, es sei „eine Gefahr für Leib | |
und Leben von der auf dem Gelände befindlichen elektrischen Anlage“ | |
ausgegangen, so der Bezirk. | |
## Kein Strom und Wasser | |
Seither gibt es auf dem Areal keinen Strom und kein Warmwasser. Der | |
Eigentümer, dem das Amt mit markigen Worten Zwangsmaßnahmen angedroht hat, | |
lässt sich nach Auskunft der Bewohner*innen schon länger nicht mehr auf | |
dem Platz blicken, auch auf taz-Anfrage reagiert er nicht. Dafür hat er die | |
Müllabfuhr und die Abwasserentsorgung abbestellt. Der Platz ist komplett | |
unwohnlich geworden. | |
Zugleich wird demnächst auch der Trailerpark in Grünau geräumt. Auch der | |
gehört Ziegler. [3][Dort hat die Stromnetz Berlin am 14. November den Strom | |
abgestellt], einen Tag später verfügte das Bezirksamt Treptow-Köpenick die | |
„Untersagung der Wohnnutzung“ auf dem Grundstück am Adlergestell. Auch hier | |
wird eine gerichtlich bestätigte „Gefahr für Leib und Leben“ als Grund | |
angegeben. Spätestens ab 28. November darf niemand mehr auf dem Gelände | |
wohnen. | |
Bislang seien 45 Menschen in einem Hotel und einer Pension untergebracht | |
worden, 11 davon mit Haustieren, teilt die Sprecherin des Bezirksamts der | |
taz mit. Die Unterbringung sei zwar befristet, aber man setze auf eine | |
soziale Lösung: „Von einer inhumanen und technokratischen Lösung kann hier | |
keine Rede sein.“ | |
Zurück nach Lichtenberg. Die letzte Sitzung der dortigen | |
Bezirksverordnetenversammlung – eigentlich eine eher freudlose | |
Veranstaltung – am vergangenen Donnerstag war nicht zuletzt aufgrund der | |
angedrohten Trailerpark-Räumung überraschend gut besucht. Lichtenbergs | |
Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU) verteidigte bei der Gelegenheit | |
noch einmal die Zwangsmaßnahme: „Wir müssen jetzt handeln zum Wohl dieser | |
Menschen.“ | |
## Kein Zuhause, sondern Unterbringung | |
Auch Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD) nahm an der Sitzung teil, obwohl er | |
„vom Dienst freigestellt“ ist. Statt ganz vorn saß er nun hinten in der | |
Publikumsecke. Hönicke hatte vor bald drei Jahren die umstrittene Räumung | |
des Obdachlosencamps an der Rummelsburger Bucht bei Minustemperaturen | |
veranlasst. Dennoch schrieb er jetzt zum Hönower Wiesenweg auf X, vormals | |
Twitter: „Dieses Vorgehen des Bezirksbürgermeisters entspricht null meinem | |
Vorgehen.“ Von einer „einmaligen Chance“ sprach hingegen Schaefer. Im | |
Wohnheim sei alles „nagelneu“, er habe sich selbst davon überzeugt. Die | |
Unterkunft sei „allemal besser“ als der Trailerpark. | |
Tatsächlich ist das „Wohnungslosenwohnhaus“ des Berliner Wohnforums im | |
Lichtenberger Ortsteil Friedrichsfelde frisch renoviert, die letzten | |
Arbeiten laufen noch. Es ist noch etwas steril, aber der erste Eindruck ist | |
gut. Das Haus nehme alle auf, die von der Wohnhilfe vermittelt werden, | |
erklärt Andrea Koppelmann vom Wohnforum. Der Hintergrund der Menschen oder | |
eine Drogensucht seien egal, nur innerhalb des Hauses dürfe nicht | |
konsumiert werden. Die Bewohner*innen könnten ihre Zimmer abschließen | |
und in Gemeinschaftsküchen kochen, es gebe soziale Beratung und Betreuung. | |
„Die Menschen hatten vorher ein Zuhause, jetzt werden sie untergebracht“, | |
sagt dagegen ein Nachbar des Trailerparks. „Ich will da nicht weg. Das ist | |
mein Zuhause“, ergänzt eine hagere Platzbewohnerin. „Ich war fünf Jahre a… | |
der Straße, und das ist das Maximum an Nähe, das ich zulassen kann.“ | |
Wer überhaupt schuld ist an der Situation? Der Bezirk, der Eigentümer oder | |
die Immobilienfirma Bonava? Klar ist, der Projektentwickler Bonava baut | |
aktuell 1.000 Wohnungen genau gegenüber vom Trailerpark. Er soll Ziegler | |
auch ein Kaufangebot gemacht haben. Für das Nachbargrundstück hat er | |
bereits einen Bauantrag gestellt. Dafür müsste die Lichtenberger BVV | |
allerdings den Flächennutzungsplan ändern. | |
## Bezirk will noch von Räumung reden | |
Während der BVV-Sitzung vergangene Woche kam mit Dennis S. auch ein | |
Bewohner des Trailerparks zu Wort. S. sprach vor allem für die | |
Räumungsbedrohten mit Haustieren, Menschen wie er selbst. „Wir wissen nicht | |
weiter“, sagte S. Die Bewohner*innen seien mit der Situation | |
überfordert. „Manche schaffen es auch psychisch nicht mehr“, berichtete er | |
den Bezirksverordneten. Und fügte hinzu: „Wir lassen es nicht zu, dass wir | |
am Dienstag unser Hab und Gut verlieren.“ | |
Tatsächlich sieht es seit Donnerstag nicht mehr danach aus, als könnte die | |
Räumung einfach durchgedrückt werden. So beschlossen die BVV-Fraktionen der | |
Linken, Grünen und SPD einen gemeinsamen Antrag, der anstelle einer | |
„Hauruckaktion“ einen schrittweisen Leerzug bis Ende Mai 2024 fordert. | |
Inzwischen melden auch Berlins Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe und | |
Innensenatorin Iris Spranger (beide SPD) Bedenken an. Selbst die Polizei | |
will eine Räumung nicht unterstützen. | |
Er habe die Lage neu zu bewerten, sagt Bezirksbürgermeister Schaefer am | |
Sonntag zur taz. Es gehe nicht um eine Räumung, sondern um ein „Schließen | |
der Anlage“. | |
Er möchte die Menschen „motivieren“, mit einem am Montag und Dienstag | |
bereitgestellten Bus in die Unterkunft gebracht zu werden. Polizei sei | |
nicht geplant. Alles Weitere werde im Zuge einer Lagebewertung besprochen. | |
19 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Darius Ossami | |
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