# taz.de -- Wissenschaftspolitik vor der Wahl: Die Zukunft der Hochschulen | |
> Die Wissenschaft hat in Berlin einen erstaunlichen Aufschwung erlebt. Im | |
> Wahlkampf ist sie trotzdem kein Thema. | |
Bild: Der Schein trügt: Hörsaal der Humboldt-Universität zu Berlin | |
Im Wahlkampf um das Berliner Abgeordnetenhaus klafft ein Themen-Loch: die | |
Wissenschaftspolitik kommt nicht vor. Berlin ist zwar reich an | |
Wissenschaft, aber die ist offenbar nicht sexy. Das gleiche gilt übrigens | |
auch für den Bundestag, die nächsthöhere Ebene. | |
Für Berlin als Landeshauptstadt ist der [1][kommunikative Blackout] | |
allerdings von größerer Bedeutung. Nicht nur weil die Wissenschaft im | |
öffentlichen Haushalt des Landes einen höheren Anteil als im Bund einnimmt. | |
Relevant ist das Thema in Berlin außerdem, weil sich hier ein personeller | |
Zeitenwechsel abzeichnet, dessen Folgewirkungen für die | |
Wissenschaftslandschaft gravierend sein dürften, was aber nirgends | |
thematisiert wird. | |
Es geht um die Nachfolge von Wissenschaftssenator Michael Müller, der | |
dieses Ressort in die Senatskanzlei geholt hatte und es neben seinem | |
Hauptjob als Regierender Bürgermeister wahrnimmt. Die meiste Arbeit zur | |
administrativen Betreuung der Hochschulen und Forschungsinstitute obliegt | |
dabei im Hintergrund seinem Staatssekretär Steffen Krach, dessen | |
professionelles Wirken in der Szene gelobt wird und den einige sogar als | |
„besten Senator, den Berlin nie hatte“ bezeichnen. | |
## Große Erfolge | |
Beide Sozialdemokraten haben ihre Stelle bereits „gekündigt“: Müller zieht | |
es am 26. September in den Bundestag, Krach möchte eine Woche zuvor in | |
Niedersachsen als Regierungspräsident der Region Hannover gewählt werden. | |
Unter dem Tandem Müller-Krach hat die Berliner Wissenschaft in den letzten | |
fünf Jahren eine bemerkenswerten Aufschwung genommen. Für Krach ist im | |
Rückblick der größte Erfolg, dass die drei Berliner Unis im bundesweiten | |
Wettbewerb den Exzellenztitel erlangen konnten, der mit einer zusätzlichen | |
Millionenförderung verbunden ist. Die Siegerkooperation wird jetzt mit dem | |
gewonnenen Geld in der „Berlin University Alliance“ fortgesetzt, an der | |
auch das Uniklinikum Charité partizipiert. „Das ist das spannendste und | |
ambitionierteste Wissenschaftsprojekt, das es bundesweit gibt“, sagte Krach | |
im Interview mit dem Tagesspiegel. „Das gibt es auch in Europa so kein | |
zweites Mal.“ | |
Müller gab am Wochenende im Gespräch mit der Berliner Zeitung bekannt, dass | |
er im Bundestag gern das Thema Bildung- und Wissenschaftspolitik vertreten | |
würde. „In der Wissenschaftspolitik ist auf Bundesebene wirklich nicht | |
allzu viel passiert in den letzten vier Jahren“, sagte Müller. Und wenn, | |
dann sei „Wissenschaftspolitik falsch verstanden“ worden, nämlich als | |
föderaler Konkurrenzkampf unter den Bundesländern. Tatsächlich aber säßen | |
für Deutschland die Wettbewerber in der Wissenschaft nicht in Hamburg oder | |
Karlsruhe, sondern in Boston oder Singapur. Müller: „Dieses Wissen würde | |
ich gerne mitnehmen in die Arbeit auf Bundesebene.“ Von manchen wird er | |
schon – entsprechende Koalitionen vorausgesetzt – als Nachfolger von | |
CDU-Bundesforschungsministerin Anja Karliczek angesehen. | |
## Keine Aspiranten | |
Zwar kommt das Wissenschaftsthema in den meisten Berliner Wahlprogrammen | |
pflichtschuldig vor. Aber in der öffentlichen Debatte haben sich noch keine | |
Aspiranten aus der alten oder möglichen neuen Koalition aufgebaut, die in | |
die Schuhe ihrer Amtsvorgänger schlüpfen könnten. | |
Die wesentlichen inhaltlichen Themen, über die zu diskutieren wäre, hat die | |
Berliner Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) schon im Januar | |
formuliert. „Die Hochschulen benötigen bessere Arbeits- und | |
Studienbedingungen, einen wirksamen Gesundheitsschutz, die Modernisierung | |
der digitalen und baulichen Infrastruktur und eine aufgabengerechte | |
Personalausstattung“, heißt es darin. Die Defizite in diesen Bereichen | |
seien gerade in der Corona-Pandemie besonders deutlich geworden und müssten | |
dringend beseitigt werden, so die Gewerkschaft. | |
Noch wird im Berliner Abgeordnetenhaus um ein neues Landeshochschulgesetz | |
gerungen, das vor allem für die Beschäftigten im akademischen Mittelbau, | |
die überwiegend mit Zeitverträgen beschäftigt werden, eine Verbesserung | |
bringen soll. Hier ist allerdings der Zeitplan der Beratungen so sehr ins | |
Rutschen gekommen, dass eine parlamentarische Verabschiedung vor September | |
ungewiss ist. | |
16 Aug 2021 | |
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## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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