Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Alexander von Humboldts 250.: „Die Natur muss gefühlt werden“
> Gerade feiert die Humboldt-Universität seinen 250. Geburtstag. Ein
> Interview mit Alexander von Humboldt aus einer gegenwärtigen Sicht.
Bild: Der Naturforscher Alexander von Humboldt vor seiner Uni
taz : Herr von Humboldt, wir sorgen uns heute im Jahr 2019 sehr um den
Bestand des Regenwaldes in Amazonien. Wie haben Sie bei Ihrer
wissenschaftlichen Erstbereisung den Dschungel erlebt?
Alexander von Humboldt: Vier Monate hindurch schliefen wir in Wäldern,
umgeben von Krokodilen, Boas und Tigern. In der Guayana, wo man wegen der
Moskiten, die die Luft verfinstern, Kopf und Hände stets verdeckt haben
muss, ist es fast unmöglich, am Tageslicht zu schreiben; man kann die Feder
nicht ruhig halten, so wütend schmerzt das Gift der Insekten. In Higuerote
gräbt man sich nachts in den Sand, sodass bloß der Kopf hervorragt und der
ganze Leib mit 3-4 Zoll Erde bedeckt bleibt. Man hält es für eine Fabel,
wenn man es nicht sieht.
Die im Amazonas-Gebiet lebenden indigenen Völker sind mehr denn je bedroht.
Wie haben Sie die Menschen dort erlebt?
Ich habe bei den sogenannten „wilden“ Völkern die erhabensten Begriffe von
Gott, Tugend, Freundschaft in den Anfängen ihrer Sprache gefunden, in deren
tiefe Wahrheit mich hinein zu denken mir nur gelang, wenn ich mich ganz von
europäischen Anschauungen, zumal von Äußerlichkeiten, im Geiste losmachte.
Die Naturerforschung ist auch heute noch wichtig, aber Sie betonen
außerdem, dass allein die intellektuelle Annäherung an die Natur nicht
ausreicht.
Die Natur muß gefühlt werden, wer nur sieht und abstrahirt, kann ein
Menschenalter, im Lebensgedränge der glühenden Tropenwelt, Pflanzen und
Thiere zergliedern, er wird die Natur zu beschreiben glauben, ihr selbst
aber ewig fremd sein.
Klimapolitisch und auch aus Tierschutzaspekten ist heute der hohe
Fleischkonsum sehr in die Kritik geraten. Nicht zuletzt wegen des immensen
Flächenverbrauchs, der für die Tierfutterproduktion auch die Brandrodung
der Amazonaswälder antreibt. Was meinen Sie dazu?
Dieselbe Strecke Landes, welche als Wiese, d.h. als Viehfutter, zehn
Menschen durch das Fleisch der darauf gemästeten Tiere aus zweiter Hand
ernährt, vermag, mit Hirse, Erbsen, Linsen und Gerste bebaut, hundert
Menschen zu erhalten und zu ernähren.
Es mehren sich die Signale, dass wir durch den Klimawandel in Deutschland
auf ein neues Waldsterben zusteuern. Wie sollten wir mit den Bäumen, in den
Wäldern, aber auch in den Städten, umgehen?
Habt Ehrfurcht vor dem Baum, er ist ein einziges großes Wunder, und euren
Vorfahren war er heilig. Die Feindschaft gegen den Baum ist ein Zeichen von
Minderwertigkeit eines Volkes und von niederer Gesinnung des einzelnen.
Die Beschreibung der menschengemachten globalen Umweltveränderungen wird
seit Kurzem unter dem Begriff Anthropozän zusammengefasst. Auch Sie haben
einen ganzheitlichen Blick auf das Ökosystem. Wie sieht dieser Blick aus?
Durch Trennung und Unterordnung der Erscheinungen, durch ahnungsvolles
Eindringen in das Spiel dunkel waltender Mächte, durch eine Lebendigkeit
des Ausdrucks, in dem die sinnliche Anschauung sich naturwahr spiegelt,
können wir versuchen, das All zu umfassen und zu beschreiben, wie es die
Würde des großartigen Wortes Kosmos, als Universum, als Weltordnung, als
Schmuck des Geordneten, erheischt.
29 Aug 2019
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
## TAGS
Humboldt-Universität
Alexander von Humboldt
Naturwissenschaft
Wissenschaftsjahr
Der Hausbesuch
Alexander von Humboldt
Alexander von Humboldt
Humboldt Forum
Artensterben
## ARTIKEL ZUM THEMA
Wissenschaftspolitik vor der Wahl: Die Zukunft der Hochschulen
Die Wissenschaft hat in Berlin einen erstaunlichen Aufschwung erlebt. Im
Wahlkampf ist sie trotzdem kein Thema.
Der Hausbesuch: Alles außer bleiben
Seit über vier Jahren ist Sebbe unterwegs. Als Eremit wandert er durch
Europa und wohnt überwiegend im Wald. Wie lebt es sich so?
250 Jahre Alexander von Humboldt: „Wir versuchen sachlich zu schauen“
Die Brüder Humboldt werden als Humanisten gefeiert. Doch ihre Biografien
sind durchaus widersprüchlich, sagen Bénédicte Savoy und David
Blankenstein.
250 Jahre Alexander von Humboldt: Wegbegleiter im Halbdunkeln
Naturforscher Aimé Bonpland begleitete Alexander von Humboldt nach
Lateinamerika – und mutierte dort zum frühen Hippie.
250 Jahre Alexander von Humboldt: Ein widerwilliger Berliner
Er hat Berlin gehasst und dennoch viel gegeben: Alexander von Humboldt. Zum
250. Geburtstag wird der Universalgelehrte geehrt.
Wissen um bedrohte Arten: Expeditionen ins eigene Archiv
In Berlin wurde das erste „Zentrum für Integrative
Biodiversitätsentdeckung“ gegründet. Gesucht werden neue Tier- und
Pflanzenarten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.