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# taz.de -- Wirtschaftsnobelpreis: Es kommt Bewegung in den Wahnsinn
> Die Volkswirtschaftslehre ignorierte lange Probleme wie Ungleichheit und
> Klimaschutz. Die neuen Nobelpreisträger stehen für ein Umdenken.
Bild: Daron Acemoglu, Simon Johnson und James A. Robinson
Was würden Laien wohl sagen, wenn man sie fragte, was die drei wichtigsten
Themen sind, um die sich Volkswirte kümmern sollen? Die Antwort dürfte
eindeutig ausfallen: Ungleichheit, Geld, Klimaschutz.
Doch zu diesen Themen kam von den meisten Volkswirten lange nichts
Vernünftiges. Die dominierende Neoklassik hatte sich in ihrem Glauben an
den „Markt“ gemütlich eingerichtet. Zum Thema Ungleichheit behauptete sie,
dass jeder verdient, was er verdient. Die Armen seien arm, weil sie
„unproduktiv“ seien. Das Phänomen Macht kam nirgends vor.
Ähnlich dämlich waren die Ansätze beim Thema Geld. Die weltweite
Spekulation wurde von den meisten Ökonomen konsequent ignoriert – und
stattdessen dekretiert, dass sich die Finanzmärkte niemals irren könnten.
Auch beim Klimaschutz ist dieser Marktglaube bis heute dominant: Ein
CO2-Preis soll alles richten. Die meisten Ökonomen fragen sich nie, ob es
physikalisch oder technisch überhaupt möglich ist, genug erneuerbare
Energie herzustellen, um ewiges Wachstum zu garantieren.
## Merkwürdiger Preis
Die Volkswirtschaftslehre ist also eine seltsame Wissenschaft – und die
Nobelpreise für Ökonomie sind sogar noch merkwürdiger. Sie wurden 1968 von
der Schwedischen Reichsbank erfunden, um neoliberale Theorien mit einem
hübschen Titel zu adeln.
Aber langsam kommt Bewegung in den Wahnsinn. Die weltweite Finanzkrise ab
2007 hat den Marktglauben erschüttert, und selbst die Schwedische
Reichsbank ist seit einigen Jahren bereit, realitätsnahe Ökonomen
auszuzeichnen.
Dazu gehören die diesjährigen Preisträger: Daron Acemoğlu, Simon Johnson
und James Robinson haben sich mit der Frage befasst, warum viele Länder arm
bleiben, obwohl sie sich entwickeln könnten. Die Antwort: Diese Staaten
werden von einer kleinen Elite ausgeplündert, wie das etwa in Lateinamerika
zu beobachten ist.
## Andere hätten es mehr verdient
Aber auch dieser „institutionelle“ Ansatz hat Schwächen: Die drei Ökonomen
konzentrieren sich vor allem auf Eigentumsrechte. Die Rolle von hohen
Löhnen, Gewerkschaften oder einer gerechten Steuerpolitik kommt nicht
vertieft vor. Diese Lücke wurde von anderen Ökonomen geschlossen – vor
allem von den beiden Franzosen Emmanuel Saez und Gabriel Zucman.
Sie haben völlig neue Datensätze erschaffen, die die globale Steuerflucht
und Steuergestaltung dokumentieren. Dieses Modell hätte den Nobelpreis für
Ökonomie tatsächlich verdient – aber dafür müsste das Nobelpreis-Komittee
in der Wirklichkeit ankommen.
14 Oct 2024
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
## TAGS
Wirtschaftsnobelpreis
Ökonomie
Postwachstumsökonomie
Steuern
Wohlstand
GNS
Steuern
Zukunft
Inflation
Steueroase
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