# taz.de -- Westsahara in Spanien: Polisario-Chef sagt aus | |
> Spaniens Justiz hat U-Haft für den Chef der Polisario, Brahim Ghali, | |
> abgelehnt. Die Entscheidung dürfte für Spannungen mit Marokko sorgen. | |
Bild: Protest gegen den Polisario-Chef Brahim Ghali am Dienstag in Madrid, Span… | |
MADRID taz | Der Vorsitzende der Befreiungsbewegung Polisario, Brahim | |
Ghali, wurde am Dienstag mehrere Stunden vor dem obersten spanischen | |
Strafgerichtshof, der Audiencia Nacional, vernommen. Der 75-Jährige ist | |
Präsident der Exilregierung der seit 1975 [1][von Marokko besetzten | |
ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara]. Seit Mitte April [2][wird er in | |
einem Krankenhaus im nordspanischen Logroño wegen Covid-19 behandelt]. Er | |
beantwortete die Fragen von Untersuchungsrichter Santiago Pedraz per | |
Videokonferenz. | |
Bevor Ghali vor vier Jahren an die Spitze der Polisario und der | |
Exilregierung in den sahrauischen Flüchtlingscamps in Südalgerien aufstieg, | |
war er unter anderem Verteidigungsminister und Botschafter in Algerien und | |
Spanien. Ihm werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Er | |
soll unter anderem Oppositionelle gefoltert haben. | |
Die Beschuldigungen stammen von zwei Sahrauis und der im von Marokko | |
besetzten Teil der Westsahara ansässigen Sahrauischen Vereinigung zur | |
Verteidigung der Menschenrechte (Asadeh), die sich um mutmaßliche | |
Menschenrechtsverletzungen in den Camps unter Führung der Polisario | |
kümmert, aber bei Vergehen der marokkanischen Besatzer wegschaut. „Die | |
Anklage wurde in Marokko fabriziert“, erklärte Ghalis Anwalt, der spanische | |
Spezialist für Menschenrechte und internationales Strafrecht, Manuel Ollé. | |
„Ghali folterte mit seinen eigenen Händen“, sagte dagegen der Hauptkläger, | |
der heute 66-jährige Dahi Aguai, gegenüber der konservativen spanischen | |
Tageszeitung La Razón. Er gibt an, 1975 selbst Opfer Ghalis geworden sein, | |
noch bevor Spanien aus der Westsahara abzog und Marokko einmarschierte. | |
Anschließend sei er gefesselt in der Wüste ausgesetzt worden. | |
Aguai, der die spanische Staatsangehörigkeit besitzt, berichtet außerdem | |
von einem angeblichen Plan der Polisario, all jene Sahrauis auszurotten, | |
„die unter spanischer Flagge geboren wurden, um ihre Identität an Algerier | |
weiterzugeben, damit im Fall der Unabhängigkeit Algerier in der | |
unabhängigen Sahara regieren“. | |
## Kein Passentzug | |
Die Polisario-Führung sei „eine kriminelle Bande“, argumentiert Aguai, | |
deren Mitglieder nicht aus der Westsahara stammten. Sie hätten Sahrauis in | |
den Kampf gegen Marokko geschickt und sie dort von hinten erschießen | |
lassen. „Anschließend heirateten sie ihre Frauen.“ | |
Ghali, der in der spanischen Kolonie geboren wurde und in jungen Jahren bei | |
den Nomaden-Truppen, die der spanischen Regierung unterstanden, diente, sei | |
23-mal verheiratet – etwas, was so nicht belegt ist. Ghali beteuerte am | |
Dienstag seine Unschuld und sprach von einem „politischen Manöver“. | |
Richter Pedraz lehnte den Antrag der Kläger auf Untersuchungshaft oder | |
zumindest Passentzug ab. Die Kläger hätten „keine Beweise geliefert, die | |
zumindest das Vorhandensein von Gründen belegen, um ihn für ein Verbrechen | |
verantwortlich zu machen“. | |
Diese Entscheidung dürften für neue diplomatische Spannungen zwischen Rabat | |
und Madrid sorgen. Ghalis Behandlung in Logroño hat bereits eine schwere | |
Krise ausgelöst. Marokkanische Grenzbeamte schauten tatenlos zu, [3][wie | |
Tausende Personen die Grenze in der spanischen Exklave Ceuta umschwammen]. | |
„Spanien lässt sich vom Willen leiten, Probleme zu schaffen, und die | |
Anstrengungen Marokkos, seine territoriale Integrität zu festigen, zu | |
vereiteln“, erklärte der marokkanische Regierungssprecher Saaid Amzazi im | |
Vorfeld der Vernehmung. | |
Für die Vereinten Nationen gehört die Westsahara nicht zu Marokko. | |
Allerdings [4][erkannte der ehemalige US-Präsident Donald Trump den | |
Anspruch Rabats auf die ehemalige spanische Kolonie an]. Sein Nachfolger | |
Joe Biden hat diesen völkerrechtswidrigen Standpunkt nicht revidiert. | |
Marokko versprach im Gegenzug, die Beziehungen zu Israel zu normalisieren. | |
1 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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