# taz.de -- Wechsel von Lionel Messi zu PSG: Teures Wunder | |
> Messi wechselt vom FC Barcelona zu Paris Saint-Germain. Der Transfer des | |
> millionenschweren Fußballers findet in Zeiten existenzieller Krisen | |
> statt. | |
Bild: Lionel Messi kann in Paris schon wieder lachen, seine neuen Arbeitgeber a… | |
Da ist ein Lionel Messi im Anzug, der gegen Abschiedstränen kämpft. Und da | |
ist ein Lionel Messi, der im „Ici c’est Paris“-Shirt („Das hier ist Par… | |
und breitem Grinsen feiernden Fans zuwinkt. Zwischen dem einen und dem | |
anderen Messi liegen knapp 1.000 Kilometer, zwei Tage und ein erfolgreich | |
abgeschlossener Millionenvertrag. Die eine Aufnahme aus Barcelona hat am | |
Sonntag die Runde gemacht, die andere aus Paris am Dienstag. Für Messi, | |
auch „La Pulga – der Floh“ genannt, haben Fans seit Sonntag am Pariser | |
Stadion Parc des Princes ausgeharrt. Dort wurde zur Begrüßung ein roter | |
Teppich ausgerollt. Messi hat schließlich in 21 Jahren in Barcelona 35 | |
Titel gewonnen, dabei in 778 Pflichtspielen 672 Tore geschossen. | |
„Das ist der Klub, den ich liebe, und das ist nicht der Moment, den ich so | |
erwartet habe“, hat Messi am Sonntag noch über Barcelona gesagt. Und obwohl | |
auch Barcelona ihn behalten wollte, musste er gehen. Denn der Verein ist | |
dermaßen verschuldet, dass er ihn sich nicht mehr leisten kann. Und selbst | |
wenn er sich ihn trotzdem leisten wollte, darf er das nicht; der FC | |
Barcelona würde die ligainterne Regel zum Financial Fair Play verletzen, | |
laut der Vereine nur bis zu 70 Prozent ihrer Einnahmen für Spielergehälter | |
ausgeben dürfen. Barcelona gab zum Saisonende 2020/21 110 Prozent aus. Bis | |
zum Auslaufen seines Vertrags hat Messi 100 Millionen Euro jährlich | |
verdient. Am Ende war seine Liebe zu Barcelona so groß, dass er auch für 50 | |
Millionen weitergespielt hätte. Aber selbst dieser Verzicht hätte nicht | |
ausgereicht, um die Regel einzuhalten. So verließ Messi Barcelona | |
(Marktwert [1][763 Millionen Euro]) ablösefrei und unterschrieb einen | |
Zweijahresvertrag bei Paris Saint-Germain (Marktwert [2][993,75 Millionen]) | |
mit Option auf Verlängerung um eine weitere Saison. Dort wird der | |
34-Jährige 40 Millionen Euro netto im Jahr plus Prämien verdienen. | |
Man kann jetzt enttäuscht sein von diesem Messi, vor allem als Fußballfan, | |
der immer großen Spaß an dessen Dribblings und Spielintelligenz hatte. Man | |
kann sich fragen: Ja, wenn dieser Messi den FC Barcelona so sehr liebt, | |
wieso verzichtet der reiche Sportler dann nicht einfach auf ein oder zwei | |
Jahresgehälter? | |
Aber das wäre realitätsfremd, wenn auch aus fußballromantischer Perspektive | |
verständlich. Lionel Messi macht, was er machen muss, lacht und weint, wann | |
er lachen und weinen muss. Schließlich ist Messi eine Charaktermaske in | |
einem Lebensbereich einer kapitalistischen Gesellschaft, der wie kein | |
anderer offenbart, nach welchen Prioritäten das gegenwärtige | |
Wirtschaftssystem funktioniert: Wachstum über alles; die Großen fressen die | |
Kleinen, wobei Barcelona sicher nicht zu den Kleinen gehört, aber PSG eben | |
größer geworden ist, seitdem der Verein vor zehn Jahren vom katarischen | |
Emirat mittels der Beteiligungsgesellschaft Qatar Sports Investment (QSI) | |
des Emir Tamim bin Hamad Al Thani gekauft worden ist. Insofern gilt auch im | |
Profifußball, der die Prinzipien des Kapitalismus auf seine Weise | |
radikalisiert: Don’t hate the player, hate the game. | |
## Kontrolle ist besser | |
Und das gilt noch mehr, wenn man sich einmal die aktuellen sozialen | |
Katastrophen weltweit vergegenwärtigt, deren Verhinderung und Bekämpfung | |
der gleiche Kapitalismus mindestens verhindert, wenn er nicht ohnehin | |
hinter ihnen steckt: Klimakrise mit Hochwassern und Waldbränden, die | |
Coronakrise und daraus resultierende soziale Verwerfungen, die globale | |
Ungleichheit und damit verbundene Kriege und Staaten wie Afghanistan, in | |
denen Menschen Unmenschliches erleben. | |
Dieser Zusammenhang zwischen Messi und den Taliban mag gerade auf den | |
Fußballfan, der sich auf die nächste Champions League mit dem Floh neben | |
Kylian Mbappé und Neymar freut, etwas konstruiert wirken. Aber vielleicht | |
hilft diese Gleichzeitigkeit ja auch irgendwie, Dinge zu hinterfragen. Man | |
sollte damit nicht allzu lange warten. Zu sagen, dass es schon zu spät ist, | |
wäre fatalistisch, auch wenn es dafür genug Gründe gibt. Für den Fußball | |
lässt sich festhalten, dass von den Verbänden unternommene Versuche, die | |
„schlimmsten Exzesse“ (Uefa) zu verhindern, bisher wenig erfolgreich waren. | |
So soll das Financial-Fair-Play-Reglement zwar sicherstellen, dass Vereine | |
nicht mehr ausgeben als sie einnehmen. Vergangenes Jahr hat das | |
internationale Sportschiedsgericht Cas in Lausanne aber [3][eine | |
Zweijahressperre gegen den Verein Manchester City] (im Besitz von Scheich | |
Mansour bin Zayed Al Nahyan aus Abu Dhabi) aufgehoben, die die europäische | |
Fußballunion Uefa wegen Verstößen gegen die Regeln ausgesprochen hatte. | |
PSG-Präsident Nasser Al-Khelaifi versicherte bei der Pressekonferenz mit | |
Messi am Mittwochmittag, dass man sich ans Financial Fair Play halten | |
wolle, und dass man vor der Verpflichtung Messis auch die Zahlen gecheckt | |
habe. | |
Auch hier gilt wie woanders auf dem Markt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist | |
besser. Und wenn die Uefa nicht kontrollieren kann, dann muss das halt eine | |
Instanz machen, die keine Marktinteressen verfolgt. | |
11 Aug 2021 | |
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## AUTOREN | |
Volkan Ağar | |
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