| # taz.de -- Waldbrände in der Türkei: Das zerstörte Paradies | |
| > So lange so heiß und so trocken war es in der türkischen Region Marmaris | |
| > noch nie. Weder Marmaris noch Ankara war sie auf Waldbrände vorbereitet. | |
| Bild: Feuer bei Cokertme in Bodrum in der Türkei am 2. August | |
| Istanbul taz | Hasan B. weint hemmungslos. Er ist Imker, seine Bienenstöcke | |
| sind verbrannt. Auf einem Video der Zeitung Bir Gün ist zu sehen, was von | |
| seiner Zucht übrig ist: verkohlte Kästen. Das Video zeigt den Ort Osmaniye. | |
| Dieser war bis vor einer Woche, als die Brände begannen, das Zentrum der | |
| Bienenzucht im Raum Marmaris. Es gab sogar ein Bienen- und Honigmuseum. | |
| Osmaniye liegt in den jetzt völlig verbrannten Pinienwäldern in den Bergen | |
| oberhalb der Touristenstadt Marmaris. | |
| Marmaris ist in der Türkei als „Yesil Marmaris“, das grüne Marmaris, | |
| bekannt. Die Stadt am Meer ist – beziehungsweise war – von grünen Bergen | |
| eingerahmt und einer der schönsten Küstenorte der Türkei. Das gilt vor | |
| allem auch für die Wälder rundherum, die nun brennen. Sie gehören zu den | |
| ökologisch wertvollsten Waldgebieten der türkischen Küste und ziehen sich | |
| nördlich von Marmaris entlang des Gökova-Golfes über die Halbinsel Hisarönü | |
| bis zu dem westlich gelegenen Küstenort Datca. | |
| Neben den Pinien wachsen hier Platanen und der wegen seiner ätherischen Öle | |
| schon in der Antike berühmte orientalische Amberbaum, der nur hier und auf | |
| Rhodos existiert. Keine Nadelholzplantagen, sondern ein in Jahrhunderten | |
| natürlich gewachsener Wald in zerklüfteten Bergen, der forstwirtschaftlich | |
| nur wenig genutzt wurde. | |
| Dieses Paradies ist nun [1][in weiten Teilen vernichtet]. Außer Osmaniye | |
| sind die Bergdörfer Bayir und Turgut teilweise verbrannt, im größten Ort | |
| westlich von Marmaris, in Hisarönü, brennt es seit Montag, der große | |
| Touristenost Turunc, südlich von Marmaris, musste vollständig evakuiert | |
| werden. Es ist ein Desaster bislang ungekannten Ausmaßes, und es ist immer | |
| noch nicht zu Ende. | |
| ## Viele glauben, dass Erdoğan sie absichtlich alleinlässt | |
| Weiterhin zeigt das Thermometer 40 Grad Celsius und mehr an. Normal für den | |
| Hochsommer sind in der Region rund 35 Grad, an eine Hitzeperiode von mehr | |
| als 40 Grad über mehrere Wochen können sich auch die älteren Leute in der | |
| Region nicht erinnern. Die Regierung versucht nun – um vom eigenen Versagen | |
| abzulenken –, angeblichen Brandstiftern, vorzugsweise kurdischen | |
| „Terroristen“, die Schuld für die Katastrophe in die Schuhe zu schieben. | |
| Dabei kündigen die Brände [2][nichts anderes an als den Klimawandel]. Seit | |
| drei Jahren hat es hier zu wenig geregnet. Bereits 2019 gab es im Winter zu | |
| wenige Niederschläge, 2020/2021 waren es 50 Prozent weniger als im Schnitt | |
| der Jahre 1980 bis 2010. Schon im Juni/Juli wurde um Marmaris das | |
| Trinkwasser knapp und musste rationiert werden. | |
| Zu dem weniger werdenden Regen kommen eine wachsende Bevölkerung und | |
| Zehntausende Touristen, die immer mehr Wasser verbrauchen. Die Stadt und | |
| ihre Tentakel fressen sich immer tiefer in die bewaldeten Berghänge hinein. | |
| Die Brandbekämpfung ist dilettantisch. Unter der Regierung von Präsident | |
| Recep Tayyip Erdoğan wurde die gesamte ehemalige Flotte von Löschflugzeugen | |
| ausgemustert und nicht ersetzt. Jetzt müssen mühsam Löschflugzeuge im | |
| Ausland erbettelt werden, wobei Ankara aus politischen Gründen | |
| Hilfsangebote aus dem nahen Griechenland abgelehnt hat. Viele Bewohner der | |
| Region glauben, dass die Regierung sie bei der Brandbekämpfung alleinlässt, | |
| weil Erdoğans AKP dort noch nie Wahlen gewinnen konnte. | |
| Doch tatsächlich war auch die Region auf eine effektive Brandbekämpfung | |
| kaum vorbereitet, geschweige denn auf die Vorboten des Klimawandels. Es | |
| gibt kein effektives Wassermanagement, viel zu viel Wasser wird | |
| verschwendet, die früher gebräuchlichen Zisternen sind verrottet. Auch der | |
| Tourismus als Wachstumsmodell muss dringend korrigiert werden. | |
| 3 Aug 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jürgen Gottschlich | |
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