# taz.de -- Vermüllte Parks, Strände und Wiesen: Einfach mal so lassen | |
> Die Menschen schmeißen ihren Müll neben überfüllte Mülleimer, anstatt ihn | |
> mitzunehmen. Was tun? Mein Vorschlag wäre: Nichts – als | |
> Erziehungsprojekt. | |
Bild: So sieht's aus: Müll auf der Alsterwiese Schwanenwik in Hamburg-Hohenfel… | |
Es ist Sommer, es ist warm, da geht die ganze Welt in den Park. An die | |
Elbe, an die Alster, auf jedes Stückchen Grün setzt man sich, auch wenn das | |
Stückchen Grün ein staubiges, vertrocknetes Stück Rasen ist. Dann holt man | |
den Weißwein raus, die Plastikschalen mit dem eingelegten Gemüse, ein paar | |
Oliven, dazu ein paar Weintrauben, Baguette, Eis, Wasser, Saft, Chips, | |
Kartoffelsalat, Schokolade, Kuchen, Würstchen, Frikadellen, Senf, Saft und | |
Schorle, alles, alles in Plastikverpackung, und am Ende hat man einen Berg | |
Müll um sich herum. Hat dann ungefähr dreimal so viel Müll um sich herum | |
wie Kleidung am Körper. | |
Und das passt in die kleinen Mülleimer gar nicht rein, die an der Alster | |
stehen. Diese kleinen Mülleimer sind dafür gar nicht geplant, dass | |
dreitausend Menschen jeden Abend einen Berg von Flaschen und Verpackungen | |
da reinstecken. Selber schuld, sagt man sich – und weiß eigentlich gar | |
nicht, wer das sein soll, dieser selber, der jedenfalls mit meinem Müll | |
nicht gerechnet hat – und schmeißt den Müll daneben. Da ist ja schon | |
welcher. Da wirft man seinen Müll eben dazu und eine kleine Müllhalde | |
entsteht. Nicht schön, aber nun, was soll man denn sonst tun? Der kleine | |
Mülleimer ist ja voll. Voll, nä? | |
Niemand möchte diese jetzt nutzlosen und riechenden, vielleicht noch öligen | |
Verpackungen mit sich herumtragen. Erst schon, erst muss das sein und geht | |
auch irgendwie, wenn man diesen späteren Müll einkauft, im Supermarkt, das | |
ganze schöne mediterrane Essen in den Plastikschalen, man trägt es | |
problemlos auf die Wiese, man hat richtig Lust darauf, aber dann, später, | |
fühlt man sich plötzlich abgestoßen von dieser eben noch so | |
verheißungsvollen Verpackung. | |
Eben ist es noch meins gewesen, jetzt ist es – eures. Die ihr schuld seid, | |
wenn die Mülleimer zu klein für meinen Müll sind. Da kann ich ja auch | |
nichts machen. Man kann seine Verpackungen, seine Flaschen einfach nicht in | |
seiner Tasche wieder mit nach Hause nehmen, weil das unangenehm und | |
belastend ist, Müll mit sich herumzutragen. Man muss ihn schnellstmöglich | |
loswerden, die Verbindung zu ihm kappen, und dann liegt er da. Müllfelder | |
auf dem trockenen, ärmlichen Rasen. Not my cup of tea. | |
Mehr Mülleimer fordert die CDU jetzt, mehr Reinigungskolonnen für die | |
„Hotspots“ der Stadt, damit der Stadtpark nicht mehr so verschmutzt, die | |
Alster auch schön sauber bleibt. | |
Ich, als in dieser Beziehung abgehärtete Mutter, halte das für pädagogisch | |
falsch. Wenn das jugendliche Kind nicht mehr sein Zimmer aufräumen will, | |
gehe ich dann da rein und räume das selbst jeden Tag auf? Ich weiß, es gibt | |
Mütter, die tun so etwas. Die können es einfach nicht ertragen, dass ihre | |
Kinder in solch einem Dreck leben müssen. Sie gehen in die Zimmer ihrer | |
durchaus beweglichen, intelligenten, aber unwilligen und trägen Kinder und | |
räumen für sie den Dreck weg. Sie sagen, sie können es einfach nicht mit | |
ansehen. Ich kenne diesen Druck, dieses Unwohlsein, wenn man es einfach | |
nicht mit ansehen kann. | |
Aber man muss, denn es ist falsch, sich diesem Druck zu beugen. Auf gar | |
keinen Fall darf man diesen jungen Menschen den Dreck hinterherräumen. Sie | |
müssen eines lernen: Wenn sie nicht aufräumen wollen, müssen sie im Dreck | |
leben. So ist es dann, weil sie es so wollen, weil sie es sich selbst so | |
ausgesucht haben. | |
Ganz genau so würde ich auch auf den Alsterwiesen und im Stadtpark | |
verfahren. Der Müll muss bleiben. Er muss sich vollkommen gleichmäßig über | |
die beliebten Plätze verteilen. Mancher würde sich vielleicht wundern, und | |
es würde natürlich leider auch die Ordentlichen treffen, aber das ließe | |
sich nicht verhindern. | |
Am Ende wäre es ja zum Vorteil für alle, wenn die Menschen dann vielleicht | |
beginnen würden, sich wegen ihres eigenen Mülls unwohl zu fühlen. Wenn sie | |
sich wünschten, dass er nicht da läge, wenn sie sich sogar wünschten, sie | |
hätten ihn da nicht abgeladen. Das wäre doch ein ehrgeiziges Projekt | |
gesellschaftlicher Erziehung und ich würde es drauf ankommen lassen, für | |
mindestens zwei Wochen. | |
19 Aug 2020 | |
## AUTOREN | |
Katrin Seddig | |
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