| # taz.de -- Vergabe der Fußball-WM 2026: USA-United vs. Marokko Club | |
| > Am Mittwoch vergibt die Fifa die WM 2026 an Marokko oder an die USA, die | |
| > mit Mexiko und Kanada antreten. Der Ausgang scheint klar. Oder? | |
| Bild: Sehnsucht nach dem großen Fußball: Mohammed (l.), 13, Straßenkicker au… | |
| Tijuana taz | Ein Tweet kann viel Unheil stiften, vor allem, wenn es | |
| US-Präsident Donald Trump ist, der zwitschert. Am Mittwoch, einen Tag vor | |
| Eröffnung der WM in Russland, entscheiden die Mitgliedsverbände des | |
| Weltfußballverbandes Fifa darüber, wer die sogenannte | |
| „Fifa-Weltmeisterschaft“ 2026 – von Fußball ist im Namen schon seit 1998 | |
| keine Rede mehr – austragen soll: die USA gemeinsam mit Kanada und Mexiko | |
| oder doch lieber Marokko? | |
| Es ist die erste Wahl seit jenem ominösen 2. Dezember 2010, der Wahl von | |
| Russland als Ausrichter der Weltmeisterschaft 2018 und von Katar (2022). Es | |
| geht um einen Krimi. Es ist die erste Wahl, bei der nicht mehr ein kleiner | |
| Zirkel von maximal 24 Exekutivkomitee-Mitgliedern entscheidet, sondern der | |
| gesamte Fifa-Kongress, also alle Nationalverbände, abzüglich der | |
| beteiligten vier Verbände (und Kosovo, deren Fußballpräsident am Samstag | |
| verstarb). | |
| Es ist die Wahl zur ersten WM mit 48 statt 32 Teams, die Medien gern als | |
| „Mammut-WM“ bezeichnen. Kurzum: Sie dauert länger, braucht mehr Stadien und | |
| kostet mehr. Vor allem aber ist es eine Wahl, deren Ausgang absehbar war | |
| und dann plötzlich doch noch zu einer hochspannenden wurde. Und das hat | |
| viel mit Sportpolitik zu tun: Am Anfang steht vor allem ein Mann. Sunil | |
| Gulati. Der ehemalige Präsident des US-Fußballverbandes ist der Initiator, | |
| das Mastermind hinter der Bewerbung der USA, zusammen mit Mexiko und | |
| Kanada. | |
| Der Dozent der hoch angesehenen Columbia University in New York entwarf für | |
| die Bewerbung den Titel „United 2026“. Vereint will man sein und der Welt | |
| zeigen, dass die USA auch noch was anderes können als Unilateralismus à la | |
| Trump. Allerdings widerspricht sich die Bewerbung direkt mal selbst. Nur je | |
| 10 der 80 Spiele würden in Kanada und Mexiko stattfinden, die restlichen 60 | |
| und alle entscheidenden ab dem Viertelfinale in den USA. Es ist eine | |
| US-Bewerbung mit generösem Abstecher nach Norden und Süden. | |
| ## Mexikos Geschichte und Fußballkultur | |
| Während viele Kanadier stolz sind, überhaupt dabei zu sein, ist die | |
| Stimmung in Mexiko eine komplett andere. Fragt man auf den Straßen Mexikos | |
| oder bei einem Spiel der mexikanischen Liga-Fans, sind die meisten | |
| enttäuscht. „Wenn du eine gemeinsame WM machst“, sagt ein Fan der Xolos, | |
| des Erstligisten im nordmexikanischen Tijuana an der Grenze zu San Diego, | |
| „dann muss die doch auch fair aufgeteilt sein.“ Und ein anderer meint: „D… | |
| USA wollen doch nur die Sympathie der Mexikaner und der Welt bekommen.“ | |
| Die meisten Fans verweisen außerdem auf die Fußballhistorie Mexikos, | |
| Austragungsort der Weltmeisterschaften 1970 und 1986. Mexiko wäre das erste | |
| Land der Geschichte, das zum dritten Mal eine WM ausrichten würde. „Bei uns | |
| hier ist es viel leidenschaftlicher als in den USA, der Fußball dort ist | |
| doch noch in der Entwicklung“, sagt der Chef der Ultras der Xolos de | |
| Tijuana, während der Lärm im Stadionblock seine Worte fast verschluckt. | |
| „Diese Bewerbung“, sagt er noch nach einer kurzen Pause, „diese Bewerbung | |
| vergisst Mexikos Fußballkultur mit den zwei bisherigen | |
| Weltmeisterschaften.“ | |
| Trifft man Sunil Gulati, den ehemaligen Präsidenten des | |
| US-Fußballverbandes, und fragt ihn nach dem Missverhältnis der Spielorte, | |
| sagt der nur: „Wir hätten es auch allein machen können. Mexiko und Kanada | |
| müssten für die alleinige Ausrichtung neue Stadion bauen.“ Und dann gibt er | |
| doch ehrlich zu: „Aber natürlich sind Kanada und Mexiko positiv für unser | |
| Image. Lateinamerika ist dann dabei, und Kanada ist angesehen in der Welt. | |
| Klar, das ist hilfreich.“ | |
| ## Marokko als Gegenspieler | |
| Und dann kommt Marokko. Und ein Tweet von Donald Trump. In letzter Sekunde | |
| bewirbt sich Marokko als Gegenspieler der United-2026-Bewerbung. Monatelang | |
| ist von der Bewerbung nichts zu hören. Monatelang fehlt es an | |
| Informationen, [1][was Marokko eigentlich anzubieten hat]. Mittlerweile ist | |
| klar: 14 Stadien in 12 Städten im gesamten Land sollen die WM tragen. Von | |
| den 14 Stadien müssen 9 neu gebaut, die restlichen 5 renoviert werden. Kein | |
| einziges ist fertig. Auch die sonstige Infrastruktur fehlt: ausreichend | |
| Hotelkapazitäten für eine WM mit 80 Spielen und dementsprechend vielen | |
| Millionen Fans. Trainingsplätze für die 48 Teams. Straßen und | |
| Eisenbahnnetze sollen neu entstehen. Selbst Krankenhäuser, gibt der | |
| marokkanische Fußballverband in seiner Bewerbung offen zu, müssten noch | |
| gebaut werden, um sich ausreichend um Fans und Beteiligte der WM kümmern zu | |
| können. | |
| Knapp 14 Milliarden Euro plant Marokko auszugeben. Der König steht hinter | |
| der Bewerbung. Und man verweist auf die Vorteile: Alle Spielorte seien in | |
| einem Radius von 550 Kilometern um Casablanca. Die Stadien seien rückbaubar | |
| und so umweltfreundlich wie bei keiner WM zuvor. Das Land sei sicher. Und | |
| das gesamte Turnier würde in einem Währungsraum und vor allem in einer | |
| Zeitzone stattfinden, der Zeitzone Zentraleuropas. | |
| Es ist der fünfte Versuch Marokkos, eine Fifa-WM auszurichten. So was | |
| nennt man wohl einen Dauerkandidaten. Und der hat auf einmal gute Chancen. | |
| Mit der Bewertung einer Task Force des Weltfußballverbandes hat das nichts | |
| zu tun. Das fünfköpfige Gremium bewertet Marokko so schlecht wie selten | |
| einen Bewerber zuvor. Mit 247,9 von 500 möglichen Punkten liegt man weit | |
| hinter der Nordamerika-Bewerbung (402,8). | |
| Alleine bei drei untersuchten Punkten wird der Bewerbung Marokkos ein | |
| „hohes Risiko“ zugeschrieben, bei Unterbringung, Transport und Stadien. Bei | |
| Nordamerika gibt es laut der Task Force kein hohes Risiko. Im Bericht heißt | |
| es, die Bewerbungen seien „fast die beiden Extreme des Spektrums“. Gemeint | |
| ist: Selten war eine Bewerbung so schlecht und selten eine andere so gut. | |
| ## Trumps Einfluss auf den Weltsport | |
| Damit wäre alles klar. Wäre da nicht Donald Trump. In der Nacht vom [2][27. | |
| April um 1.39 Uhr] drückt der US-Präsident, der häufig früh morgens oder | |
| spät abends aus seinem Bett twittert, auf „absenden“. Und verändert damit | |
| die Welt rund um die Wahl an diesem Mittwoch. Er schreibt, dass die USA mit | |
| Kanada und Mexiko eine starke Bewerbung um die WM 2026 hätten. Und dann | |
| fragt er, warum die USA noch Länder unterstützen sollte, wenn diese sie | |
| nicht bei dieser Wahl unterstützen würden. | |
| Noch nie hat ein Politiker so deutlich öffentlich Einfluss auf eine Wahl im | |
| Weltsport genommen. Ab jetzt ist jedes Abstimmungsverhalten am Mittwoch | |
| auch eine Abstimmung für oder gegen die USA, für oder gegen Trump. Und das | |
| Problem für Marokko ist: Die Wahl ist öffentlich, die Fifa veröffentlicht | |
| anschließend, welcher Fußballverband wie abgestimmt hat. Die Frage ist nun, | |
| wie viele Fußballverbände sich auch als verlängerter Arm ihrer Regierungen | |
| sehen oder wie viele ganz absichtlich gegen Trump stimmen wollen. Bisher | |
| ist das völlig offen. | |
| Nur selten wird der politische Einfluss so deutlich wie beim Fußballverband | |
| Zimbabwes, der in einem Statement vor einigen Tagen schreibt, dass man | |
| „selbstverständlich“ Rücksprache mit der Regierung des eigenen Landes | |
| genommen habe, und die erwärme sich für United 2026, also stimme man auch | |
| so ab. Für Trump also. Klar ist bisher nur, dass ein Großteil der 54 | |
| afrikanischen Stimmen an Marokko gehen wird, zudem die Stimme des ein oder | |
| anderen muslimischen Landes und die Stimmen einiger Europäer, die wie | |
| Frankreich durch Einwanderung enge Verbindungen nach Marokko haben oder | |
| einfach auf die bessere Zeitzone für ihre Fans und Märkte setzen. Da ist es | |
| nicht mehr weit bis zu den 104 Stimmen, die man braucht. | |
| ## Das liebe Geld der Fifa | |
| Hinter den Kulissen kümmert sich vor allem Saudi-Arabien um Stimmen für den | |
| politischen Verbündeten USA und hat just vor der Entscheidung einen neuen | |
| Fußballverband für Südwestasien mit 13 Mitgliedern gegründet. Hinzu kommen | |
| jene vier US-Außengebiete Puerto Rico, Guam, die Amerikanischen | |
| Jungferninseln und Amerikanisch-Samoa. Wochenlang hatte Marokko versucht, | |
| das Quartett aufgrund von Befangenheit von der Wahl auszuschließen. Ohne | |
| Erfolg. | |
| Bei der Wahl steht auch für die Fifa und dessen Präsidenten, Gianni | |
| Infantino, viel auf dem Spiel. Die größere WM mit 16 zusätzlichen | |
| Mannschaften wird teurer. Und mit dem Geld ist das so eine Sache bei der | |
| Fifa, nachdem Infantino bei seiner Wahl im Februar 2016 jedem | |
| Mitgliedsverband mehr Geld, 5 Millionen US-Dollar pro Vierjahreszeitraum, | |
| versprach. Außerdem haben die Anwaltskosten nach den Skandalen um | |
| Stimmenkauf und Bestechung von Fifa-Offiziellen Millionen gekostet. | |
| Sponsoren sind derzeit mehr als vorsichtig, Geld ins Fifa-Geschäft zu | |
| pumpen. Da kommt die US-Bewerbung mit ihrem großen Markt und TV-Anstalten | |
| gerade recht. Über 14,3 Milliarden US-Dollar verspricht eine WM in | |
| Nordamerika zu erlösen. Eine WM in Marokko würde demnach nur 7,2 Milliarden | |
| bringen. | |
| 12 Jun 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Kolumne-Ueber-Ball-und-die-Welt/!5497067 | |
| [2] https://twitter.com/realDonaldTrump/status/989650212380692480 | |
| ## AUTOREN | |
| Florian Bauer | |
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