| # taz.de -- Verfassungsklage gegen Rettungsschirm: Professoren wittern die Euro… | |
| > Die Kläger sprechen von einem "Staatsstreich". Am Mittwoch urteilen die | |
| > Karlsruher Richter über die Verfassungsmäßigkeit der Euro-Rettung. | |
| Bild: Die Beschwerdeführer Wilhelm Hankel (v.l.), Karl Albrecht Schachtschneid… | |
| BERLIN taz | Der Kampf um den Euro nimmt an Schärfe zu - nicht nur | |
| ökonomisch, auch rhetorisch. Wirtschaftsprofessor Wilhelm Hankel, der | |
| [1][vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Griechenland-Hilfe klagt], | |
| bezeichnete Europa am Montag als "Sowjetunion light". Finanzminister | |
| Wolfgang Schäuble titulierte Hankel als "lupenreinen Demokraten" - in | |
| Anspielung auf eine umstrittene Äußerung von Ex-Kanzler Schröder über | |
| Russlands Staatschef Putin. | |
| Mit vier weiteren Klägern stellte Hankel in Berlin das Buch "Die | |
| Rechtswidrigkeit der Euro-Rettungspolitik - ein Staatsstreich der | |
| politischen Klasse" vor. Die Pressekonferenz diente zur Untermalung des | |
| Urteils, mit dem das Bundesverfassungsgericht Mittwoch über die | |
| [2][Rechtmäßkeit der Finanzhilfen für Griechenland] entscheidet. | |
| Hankel und seine Kollegen hatten 2010 gegen das erste Kreditpaket geklagt, | |
| mit dem die EU den Bankrott Griechenlands verhindern wollte. Die politische | |
| Stoßrichtung der Kläger geht dahin, dass starke Staaten wie Deutschland | |
| arme Euro-Mitglieder nicht mit großen Summen unterstützen sollen. Hankel | |
| plädiert dafür, die Euro-Zone auf wenige, ökonomisch stabile Länder zu | |
| schrumpfen oder gleich ganz zur D-Mark zurückzukehren. Drei Hauptargumente | |
| führen die Kritiker ins Feld. | |
| 1. Demokratiedefizit | |
| Hankels Kollege, der emeritierte Juraprofessor Albrecht Schachtschneider, | |
| belegte die Eurorettung mit Begriffen wie "Diktatur" und | |
| "Entparlamentarisierung". Die Kritiker behaupten, der Bundestag werde | |
| zunehmend entmachtet. Hilfen in Höhe von Hunderten Milliarden Euro würden | |
| ohne ausreichende Mitwirkung der gewählten Volksvertreter von den | |
| Regierungen in Berlin und Brüssel beschlossen. Gegenargument: Der Bundestag | |
| hat den bisherigen Hilfen zugestimmt und muss dies auch künftig tun. Bei | |
| der Ausweitung des europäischen Stabilitätsfonds wird das Parlament | |
| vermutlich erweiterte Mitwirkungsrechte durchsetzen. | |
| 2. Inflationsgefahr | |
| Die Kläger sagen, durch die Hilfskredite spülten die Regierungen zuviel | |
| Euros auf die Märkte, wodurch die Inflation anziehe. Damit stiegen die | |
| Preise und die Kaufkraft der Deutschen sinke. Hankel und seine Mitstreiter | |
| sehen deshalb einen unerlaubten Eingriff des Staates in das Eigentumsrecht | |
| der Bürger. Gegenargument: Bislang steigt die Inflation nur leicht an. Die | |
| Europäische Zentralbank willden Geldwert auch künftig stabil halten, indem | |
| sie die Zinsen erhöht. | |
| 3. Überschuldung | |
| Griechenland kann seine Schulden nach Ansicht der Kläger mit der bisherigen | |
| Therapie nicht reduzieren. Deshalb, so Hankel, solle Athen aus dem Euro | |
| aussteigen, zur Drachme zurückkehren und diese abwerten. Dadurch werde die | |
| Wirtschaftsleistung wieder wachsen und die Verschuldung langsam auf ein | |
| erträgliches Maß reduziert. Gegenargument: Der Ausstieg Griechenlands | |
| könnte den Euro insgesamt in Gefahr bringen. | |
| Die Kritiker haben aber Recht mit ihrem Hinweis, dass Athen in der Falle | |
| sitzt. Die Sparmaßnahmen der Rettunspakete strangulieren das Wachstum statt | |
| es zu fördern. Eigentlich braucht Griechenland eine Umschuldung: Einen Teil | |
| der alten Schulden müsste man dem Land erlassen. | |
| 5 Sep 2011 | |
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| [1] /Euro-Skeptiker-ziehen-vor-Gericht/!73642/ | |
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| ## AUTOREN | |
| Hannes Koch | |
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