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# taz.de -- Urteil zum Eurorettungsschirm: Nicht ohne den Bundestag
> Das Verfassungsgericht hält die Hilfen für Griechenland für korrekt. Doch
> verlangt es, dass das Parlament jedem Rettungspaket für Eurostaaten vorab
> zustimmt.
Bild: Mussten eine Niederlage einstecken: die Beschwerdeführer in Karlsruhe.
KARLSRUHE taz | Die Verfassungsbeschwerden gegen den Eurorettungsschirm
sind gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht lehnte die Klagen von fünf
pensionierten Professoren sowie CSU-Querkopf Peter Gauweiler am Mittwoch
einstimmig ab.
Es forderte jedoch, dass der Bundestag jedem einzelnen Rettungspaket vorab
zustimmen muss. Das Urteil sei keine "Blankoermächtigung für weitere
Rettungspakete", sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle.
Konkret ging es um Kredite und Anleihen für Griechenland und andere
überschuldete EU-Staaten, die am Kapitalmarkt kein Geld mehr bekommen. Ihre
Zahlungsfähigkeit soll im Interesse der gemeinsamen Eurowährung - und damit
auch der deutschen Exportwirtschaft - erhalten bleiben.
Im Mai 2010 beschloss der Bundestag Kredite für Griechenland in Höhe von
bis zu 22 Milliarden Euro. Dazu kam ein Rettungsschirm für andere Staaten -
wie Irland und Portugal -, in dessen Rahmen Deutschland für Kredite und
Anleihen bis zu einer Gesamtsumme von 148 Milliarden Euro haftet.
## Angst um die politische Geltungsmacht
Die Kläger wandten sich bei der mündlichen Verhandlung im Juli gegen die
"drohende Aushöhlung" ihres Wahlrechts. Wenn Staaten wie Griechenland ihre
Kredite am Ende nicht zurückzahlen, verliere der Bundestag seine politische
Gestaltungsmacht. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts erklärte
die Klagen nun für zulässig, lehnte sie im Ergebnis aber ab.
Die Entscheidung über Einnahmen und Ausgaben des Staates müsse weiterhin in
der Hand des Bundestags bleiben. Das Budgetrecht des Parlaments sei von
"zentraler" Bedeutung für die Demokratie, so die Richter. Der Bundestag
dürfe deshalb keine unüberschaubaren Risiken eingehen, vielmehr müsse das
Parlament vor jeder Ausweitung der Risiken ausdrücklich zustimmen. Diese
Maxime rechnet Karlsruhe zum "unantastbaren" Kern des Grundgesetzes. Sie
dürfte also nicht einmal per Verfassungsänderung ausgehebelt werden.
Für die maximale Höhe der Bürgschaften machte Karlsruhe keine Vorgaben. Der
Bundestag habe hier einen "weiten Einschätzungsspielraum". Die
Parlamentarier dürfen also zunächst selbst beurteilen, wie wahrscheinlich
der Haftungsfall ist und welche Summen der Bundeshaushalt noch verkraften
kann. Immerhin ist das Haushaltsvolumen ja nicht statisch, sondern kann
durch Ausgabenkürzungen, Steuererhöhungen und vor allem durch Aufnahme
neuer Schulden auch verändert werden.
## Haftungsrisiken seien in der entsprechenden Größe gedeckelt
Karlsruhe will nur einschreiten, wenn der Bundestag die äußerste Grenze
seines Spielraums überschritten hat, wenn also im Haftungsfall die
politische Gestaltungsmacht des Parlaments für längere Zeit "völlig
leerliefe". Zudem wiesen die Richter aber auch darauf hin, dass die neue
Schuldenbremse im Grundgesetz ab 2016 generell ausgeglichene
Bundeshaushalte verlangt.
An diesen Maßstäben prüften die Richter nun die beiden Gesetze zur
Griechenlandhilfe und für den Rettungsfonds (EFSF). Dabei stuften sie beide
Gesetze als verfassungskonform ein. Die übernommenen Haftungsrisiken seien
in der Größe gedeckelt und enthielten auch keinen "nicht mehr steuerbaren
Automatismus", da die Beschlüsse der Euroländer einstimmig gefällt werden
müssen. Die derzeitige Höhe von insgesamt 170 Milliarden Euro hielten die
Richter auch noch für verantwortbar.
In einem Punkt waren die Richter aber sehr großzügig. Im Gesetz über den
Rettungsschirm heißt es, dass sich die Bundesregierung vor ihrer
Stimmabgabe über neue Rettungspakete um "Einvernehmen mit dem
Haushaltsausschuss des Bundestags" bemühen muss. Die Richter sagten jetzt,
dass bloße Bemühungen nicht genügen, der Haushaltsausschuss müsse zwingend
zuvor zustimmen. Sie erklärten das Gesetz deshalb aber nicht für
verfassungswidrig, sondern legten es als "verfassungskonform" aus.
So verhinderten die Richter schlechte Schlagzeilen für die Bundesregierung.
Dietrich Murswiek, der Rechtsvertreter von Peter Gauweiler, schüttelte denn
auch den Kopf. "Eine Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes ist nicht
möglich."
## Gesetz über den Rettungsfond wird geändert
##
Große praktische Bedeutung hat die Karlsruher Korrektur aber nicht. "Auch
bisher hat der Haushaltsausschuss allen Rettungspaketen vorab zugestimmt",
sagte Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter (CDU) nach dem Urteil.
"In drei Wochen werden wir das Gesetz ohnehin ändern", ergänzte der
FDP-Abgeordnete Florian Tomcar, dann wird die vorherige parlamentarische
Zustimmung ausdrücklich im Gesetz über den Rettungsfonds verankert.
Zustimmen müsse dabei der Bundestag im Plenum und nicht nur der
Haushaltsausschuss. Das Parlament will also sogar über die Vorgaben aus
Karlsruhe hinausgehen.
Ende September wird der Bundestag auch der Aufstockung der deutschen
Haftung im Rettungsschirm von 148 Milliarden Euro auf 253 Milliarden Euro
zustimmen. "Dann prüfen wir eine neue Klage", sagte Karl-Albrecht
Schachtschneider, einer der Professoren-Kläger, nach der Urteilsverkündung.
Zu den EU-Verträgen äußerten sich die Richter nur am Rande. So werteten sie
eine "Vergemeinschaftung von Staatsschulden" als Verstoß gegen die
Verträge. Beobachter sehen darin die Ablehnung sogenannter Eurobonds",
gemeinsamer EU-Anleihen. Eine verfassungsrechtliche Vorgabe ist das
freilich nicht.
7 Sep 2011
## AUTOREN
Christian Rath
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