# taz.de -- Debatte Europa: Nur der Ouzo würde billiger | |
> Griechenlands Ausstieg aus dem Euro wäre fatal – Europa gehört jetzt zur | |
> Wirtschaftsunion ausgebaut. Die Medien haben die Ignoranz gegen | |
> Griechenland befeuert. | |
Bild: Griechenland braucht Hilfe – sonst verelendet die Wirtschaft. | |
Mitgliedsländer, die ihre Staatsschulden nicht mehr aus eigener Kraft | |
bedienen können, sollten aus der Eurozone aussteigen, [1][forderte jüngst | |
Thilo Bode] in der taz. Für Griechenland hieße das, die Drachme würde | |
wieder eingeführt und eine scheinbar souveräne Notenbank etabliert. | |
Geteilt wird diese Auffassung vom Ifo-Chef Hans-Werner Sinn, dem | |
selbsternannten D-Mark-Retter, Hans-Olaf Henkel sowie den Dauerklägern vor | |
dem Bundesverfassungsgericht, Wilhelm Hankel und Joachim Starbatty. | |
Ärgerlich sind die naiven Vorstellungen, die über die angeblich | |
segensreichen Wirkungen einer frei schwankenden Drachme verbreitet werden. | |
Wie soll Griechenland mit seiner strukturell schwachen Exportwirtschaft | |
denn wettbewerbsfähig werden? Wie soll die abgewertete Drachme zu | |
innovativen Produkten für den Export führen? | |
Letztlich verbilligt sie nur die alte Produktpalette. Wahrscheinlicher ist, | |
dass Griechenland damit zu einer dauerhaften Elendsökonomie mit Hilfe aus | |
dem EU-Gemeinschaftshaushalt verurteilt würde. | |
## Der Ouzo würde billiger | |
Die Wechselkursmechanik, mit der Bode argumentiert, gehört ins | |
Vorglobalisierungszeitalter. Selbst in international hochgradig | |
konkurrenzfähigen Ländern wie Deutschland hätten Wechselkurse kaum Einfluss | |
auf die Exportstärke: Da zählen die Qualität der Produkte und deren | |
Innovationskraft. Übersehen wird auch der Einfluss der Spekulanten auf die | |
Entwicklung der Wechselkurse. Eine massive Abwertung der griechischen | |
Drachme wäre allein zum Vorteil der Touristen, für die der Ouzo dann | |
spottbillig wäre. Für die Griechen dagegen würden viele Importprodukte | |
unbezahlbar. | |
Auch die EU-Rettungsschirme kommen bei Bode nicht gut weg. Folgt man seinem | |
neoklassischen Staatspessimismus, schaffen sie nur Anreize, "weiter | |
Schulden zu machen und damit die gefährliche Dynamik der starren | |
Wechselkurse zu verstetigen". | |
Weniger vornehm bedienen die Massenblätter die Stammtische mit | |
vergleichbaren Vorwürfen: Dort wird behauptet, sie förderten eine | |
Abzockerei zulasten des deutschen Steuerzahlers. Die Frage, was diesen ein | |
Zerfall der Eurozone kosten würde, bleibt unbeantwortet. Um sich selbst zu | |
widerlegen, hätte Thilo Bode nur zum jüngsten Länderreport der OECD für | |
Griechenland greifen müssen. Dort werden die intensiven Sparbemühungen der | |
griechischen Regierung gelobt und die medial gezüchtete Ignoranz in vielen | |
Euroländern wird kritisiert. | |
## Eine Reform ist unerlässlich | |
Richtig ist, dass mit dieser Austeritätspolitik in souveräne Staaten | |
eingegriffen wird. Aber eine durchgreifende Reform von Staat und Wirtschaft | |
dieser Länder ist unerlässlich. Ärgerlich ist, dass diese | |
Sanierungspolitik, die massive soziale Proteste provoziert, auch noch die | |
Gesamtwirtschaft belastet. Eine neue Studie des Internationalen | |
Währungsfonds belegt, dass kurzfristige fiskalische Restriktionspolitik die | |
gesamtwirtschaftliche Produktion schwächt. Warum kritisiert Bode diesen | |
Aderlass nicht, den die "Retterstaaten" ausgelöst haben? | |
Was Griechenland jetzt braucht, ist ein Marshallplan, um die Wirtschaft | |
auch im Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen aufzubauen sowie die | |
Infrastruktur zu stärken: Ein solches mittelfristiges Sanierungskonzept | |
würde dem Land helfen, sich aus der aktuellen Schuldenfalle zu befreien. | |
Griechenland seinerseits muss seine – auch immer korruptionsanfällige – | |
Bürokratie abbauen sowie die effektive Besteuerung der Vermögenden und | |
Einkommensstarken durchsetzen. | |
## Rettungsschirme sind richtig | |
Die europäischen Rettungsschirme haben zwei Funktionen: Zum einen wird | |
damit bitter notwendige Zeit gekauft, zum anderen erfolgt eine Abschottung | |
gegenüber den Spekulanten auf den Kapitalmärkten. Sicherlich führt das | |
unzureichend koordinierte Krisenmanagement der EU zu kostentreibenden | |
Verzögerungen. Auch sind die Banken und Versicherungen bei den Regelungen | |
zur Beteiligung der Gläubiger viel zu gut weggekommen. Aber müsste | |
Griechenland die in diesem Jahr fälligen Staatsanleihen im Umfang von über | |
30 Milliarden über die Kapitalmärkte finanzieren, würden Spekulanten die | |
Kosten ins Unbezahlbare treiben. | |
Ein Schuldenschnitt würde eine politisch gewollte Teilenteignung der | |
Gläubiger - vor allem aus der Finanzbranche - erzwingen. Die aktuelle | |
Eurokrise mit Belastungen der Börsen lehrt auch, dass die rein spekulativen | |
Instrumente wie nicht gedeckte Leerverkäufe sowie der Handel mit | |
Kreditausfallversicherungen, hinter denen nicht einmal ein faktischer | |
Kredit steht, verboten werden müssen. | |
## Gründungsfehler des Euros | |
Was jetzt passiert, geht allerdings auf die schweren Gründungsfehler der | |
Euro-Währung durch Kohl und Mitterand im Maastrichter Vertrag zurück: Da | |
wurden bei völlig unterschiedlichen monetären und realökonomischen | |
Bedingungen in weniger als acht Jahren die Wechselkurse zum 1. 1. 1999 | |
"unwiderruflich" fixiert. Die damalige Illusion von der wachsenden | |
Konvergenz durch die Währungsunion ist geplatzt, die Spaltung im Euroland | |
eingetreten. Der Vertrag sah den Fall von insolventen Krisenländern nicht | |
vor: Es galt die eiserne Regel, dass keinem Land geholfen werde dürfe. | |
Jetzt erzwingt die tiefe Systemkrise des Euro einen brutalen, von | |
unterschiedlichen Interessen getriebenen Lernprozess. | |
Gelernt wird, dass die Währungsunion zu einem Europäischen Währungsfonds | |
ausgebaut und in eine Fiskal- und Wirtschaftsunion eingebettet werden muss. | |
Sollte dieses Projekt nicht vorankommen, dann würde der schrittweise | |
Rauswurfs von Ländern aus der Euro-Zone wohl unvermeidbar. Einem | |
Dominoeffekt vergleichbar würde das Euroland dann auf einen Kern von | |
Hartwährungsländern um Deutschland herum schrumpfen. Dann droht der EU eine | |
extrem gefährliche Renationalisierung. | |
In einem entscheidenden Punkt, der die demokratisch-parlamentarische Basis | |
der EU betrifft, hat Thilo Bode aber recht: Die richtige Antwort auf die | |
aktuelle Krise wäre daher, Europa zu einer echten politischen, sozialen und | |
ökologischen Union auszubauen. Dazu gehört die Übertragung von bisher | |
nationalstaatlichen Kompetenzen in die Verantwortung einer zukunftsfähigen | |
EU. | |
18 Aug 2011 | |
## LINKS | |
[1] /!76058/ | |
## AUTOREN | |
Rudolf Hickel | |
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