# taz.de -- Ursula Schröder über die Ukraine: „Frieden ist harte Arbeit“ | |
> Die Debatte über die Unterstützung für die Ukraine sei zu sehr auf | |
> Waffenlieferungen fokussiert, findet die Politikwissenschaftlerin Ursula | |
> Schröder. | |
Bild: Kunst an der Wand des Straßenkünstlers TvBoy in Kyiv, das die Verteidig… | |
taz: Frau Schröder, ein Jahr Zeitenwende. Haben wir zu viel über Panzer und | |
Waffensysteme geredet? | |
Ursula Schröder: Die Debatte über [1][Panzer] war notwendig. Aber wir haben | |
zu viel über Waffensysteme geredet und zu wenig über politische Projekte. | |
Wir müssen über die Einbindung der Ukraine in eine nachhaltige europäische | |
Friedens- und Sicherheitsordnung sprechen. | |
Was heißt das konkret? | |
Bis ein Staat der [2][EU beitreten] kann, dauert es oft 10 bis 15 Jahre. Es | |
gibt bisher keine Möglichkeit dieses Verfahren wesentlich abzukürzen. Es | |
braucht daher eine politische Zusage, dass der Beitritt der Ukraine ernst | |
genommen wird. Und man müsste den Beitrittsprozess dynamischer gestalten. | |
Und Nato-Garantien für die Ukraine nach einem Frieden? Herfried Münkler | |
meint, dass diese Garantie nur die Androhung eines Krieges der Nato gegen | |
Russland sein kann – also das, was derzeit alle ausschließen. Wie bewerten | |
Sie das? | |
Sicherheitsgarantien werden eine der Kernfragen für eine zukünftige | |
Verhandlungslösung sein. Die müssen eine knallharte Unterstützungsgarantie | |
sein. Aber ohne boots on the ground. Die Ukraine muss militärisch in die | |
Lage versetzt werden, sich gegen externe Aggression zu wehren. Der | |
Nato-Artikel 5, die Beistandklausel, ist nicht die einzige mögliche | |
Sicherheitsgarantie. Es gibt einen entsprechenden Artikel in den | |
EU-Verträgen. Der ist sogar härter formuliert als der Artikel 5. | |
Sicherheitsgarantien könnten auch von einem Klub von Staaten ausgehandelt | |
werden, also nicht der Nato, sondern Staaten, die die Ukraine langfristig | |
militärisch und wirtschaftlich unterstützen. Damit die Ukraine als Staat | |
souverän bleibt. | |
Also Aufrüsten? | |
Ausrüsten und ausbilden. | |
Es wird viel diskutiert, ob ein Sieg der Ukraine oder keine Niederlage das | |
Kriegsziel ist. Wie deuten Sie das? | |
Diese Begriffe helfen nicht weiter. Es geht am Ende um das politische Ziel, | |
die souveräne Ukraine, nicht um das rein militärische Ziel. Die Formel, | |
dass Kiew gewinnen muss, könnte von russischer Seite auch so verstanden | |
werden, dass Russland insgesamt besiegt werden soll. Das wäre gefährlich. | |
Muss der Westen seine Ziele klarer definieren? | |
Die Kriegsziele verändern sich im Kriegsverlauf. Das ist normal. Man kann | |
sie nicht kleinteilig definieren. Man kann aber politische Ziele | |
definieren. | |
Es gab historische Vergleiche, etwa Hitler mit Putin. Ist das nützlich? | |
Schwierig, weil falsche Ähnlichkeiten vorgegaukelt werden. Ich vergleiche | |
lieber Muster, etwa Friedensabkommen, die funktioniert oder nicht | |
funktioniert haben. Insofern kann man etwas aus der Geschichte lernen. Aber | |
nicht mit Hitler-Analogien. | |
Werden Kriege in der Regel durch Verhandlungen beendet? | |
Ja. Nur 20 Prozent der zwischenstaatlichen Kriege im 20. Jahrhundert | |
endeten mit einem Sieg. Das ist also eher unwahrscheinlich. Viele Kriege | |
enden mit Verhandlungen und Friedensabkommen, die aber oft gebrochen | |
werden. Wir müssen uns auch in diesem Fall darauf einstellen, dass es keine | |
schnelle Lösung geben wird. Frieden ist nach Ernst-Otto Czempiels | |
Definition ein Prozess abnehmender Gewalt und zunehmender Gerechtigkeit. | |
Ein Weg zum Frieden in diesem Krieg bedeutet harte und lange Arbeit. | |
Wissen wir eigentlich, dass derzeit keine Verhandlungen stattfinden? | |
Nein. Aber auch die Friedensverhandlungen von Oslo zwischen Israel und der | |
palästinensischen PLO 1993 fanden geheim statt. Das hatte Vorteile für die | |
Vermittlung zwischen den Konfliktparteien. Ich glaube aber nicht, dass es | |
momentan Statusverhandlungen gibt. Die russische Seite ist dazu nicht | |
bereit. Bei künftigen Verhandlungen müssen wir eher Richtung Iran und | |
Atomabkommen denken. Also an eine konzertierte multilaterale Initiative mit | |
einem Set von Staaten unter Beteiligung der Vereinten Nationen. Solche | |
Verhandlungen sind ein hartes und hoch professionelles Geschäft, das gut | |
vorbereitet werden muss. | |
Verhandlungen lösen den Krieg nicht ab, sondern laufen parallel? | |
Ja, häufig. Erfolge und Misserfolge auf dem Schlachtfeld beeinflussen | |
massiv die spätere Position in Verhandlungen. Kriege enden nicht einfach | |
mit einem umfassenden, endgültigen Waffenstillstand. Das wahrscheinliche | |
Szenario für die Ukraine ist eine lange währende Konfliktsituation. Weder | |
Krieg noch Frieden, sondern etwas dazwischen. Wir kennen dieses Muster aus | |
anderen Kriegen. Konflikte werden befriedet und brechen wieder aus. Wo | |
einmal Krieg war, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er dort wieder | |
ausbricht, hoch. | |
3 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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