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# taz.de -- Unruhen in Gabun: Machtkampf und Staatsterror
> Die Regierung bestätigt Massenverhaftungen. Oppositionsführer Ping
> erklärt sich zum Präsidenten und bittet Frankreich um Hilfe.
Bild: Präsident Ali Bongo will Präsident bleiben
Berlin taz | In Gabun verschärft sich die politische Krise nach den
schweren Unruhen, die auf die amtliche Verkündung des Wahlsiegs von
Präsident Ali Bongo am vergangenen Mittwoch folgten. Während das
Innenministerium am Wochenende von einer allmählichen Rückkehr zur
Normalität sprach, warnte Oppositionsführer Jean Ping vor einem
„generalisierten Chaos“.
Ping bekräftigte am späten Freitagabend, er sei der gewählte Präsident des
Landes, und bat Frankreich um Hilfe. Die Afrikanische Union (AU), deren
Kommissionsvorsitzender Ping 2008 bis 2012 war, rief zum „Dialog“ in Gabun
auf. Weltweit sammelten sich am Sonntag gabunische Emigranten zu
Protestkundgebungen und Gebetsveranstaltungen.
Das offizielle Wahlergebnis hatte Amtsinhaber Bongo zum Sieger mit 49,8
Prozent der Stimmen vor Ping mit 48,2 Prozent erklärt, nachdem in Bongos
Heimatprovinz angeblich fast 100 Prozent der Wähler zu den Urnen gegangen
waren, überall sonst im Land aber weniger als 60 Prozent.
Eine gerichtliche Anfechtung dieses selbst in Gabuns Wahlkommission
umstrittenen Ergebnisses lehnt Ping ab, weil er das Verfassungsgericht
nicht für neutral hält: „Wir werfen uns nicht wie Kinder dem Wolf zum Fraß
vor“, sagte sein Wahlkampfmanager Jean-Gaspard Ntoutoume. Die Opposition
verlangt eine Veröffentlichung der Ergebnisse jedes einzelnen Wahlbüros, um
die Zahlen der Wahlkommission überprüfen zu können.
Das Ausmaß der Gewalt, die Gabun seit Mittwoch abend in Reaktion auf Bongos
Machtverbleib ergriffen hat, bleibt weiterhin unklar. Die Regierung hat das
Internet abgestellt – nach Angaben aus Regierungskreisen, um eine
„Facebook-Revolution“ wie beim Sturz des Langzeitherrschers von Burkina
Faso im Jahr 2014 durch einen Volksaufstand zu verhindern.
## Unklare Lage
Sieben Tote sind nach einer Zählung der französischen Nachrichtenagentur
AFP bestätigt, aber die meisten Quellen gehen von weitaus mehr aus. In
Oppositionskreisen zirkuliert sogar eine Aufstellung von 539 Toten, davon
126 in der Hauptstadt Libreville und 347 in der zweitgrößten Stadt
Port-Gentil, dem wichtigsten Hafen des Landes und traditionell aufsässig.
Diese Zahlen lassen sich in keiner Weise bestätigen, aber die katholische
Kirche berichtete aus Port-Gentil von verbreiteten Plünderungen und
Straßensperren aufständischer Jugendlicher. In der nördlichen Stadt Bitam
sollen Aufständische die Kontrolle über Polizeiposten übernommen haben. Aus
mehreren Städten, auch aus Oppositionsvierteln der Hauptstadt, werden
nächtliche Razzien und Hinrichtungen berichtet.
Unstrittig sind inzwischen die Vorgänge bei der Erstürmung von Jean Pings
Wahlkampfzentrale in Libreville durch die Präsidialgarde, nachdem
Demonstranten zuvor das Parlamentsgebäude angezündet hatten. Der aus
Protest gegen das Wahlergebnis zurückgetretene Vizepräsident der
Wahlkommission, Paul-Marie Gondjout, der sich dort befand, berichtete
gegenüber französischen Medien telefonisch über den Angriff gegen 1 Uhr
früh in der Nacht zum Donnerstag: „Sie durchbrachen das Tor und schossen
mit M16-Sturmgewehren in alle Richtungen. Man sieht die Einschusslöcher in
den Mauern und die Blutspuren im Gebäude. Die Fensterschreiben zerbrachen.
Ich sah zwei Tote und sieben Personen am Boden, von denen ich nicht weiß,
ob sie noch leben. Die Garde nahm die Leichen mit.“
## Oppositionsführer eingekesselt
24 auf dem Gelände angetroffene Oppositionsführer wurden bis Freitag abend
im Hof der Wahlkampfzentrale unter freiem Himmel festgehalten. Am
Donnerstag erlaubte die gabunische Staatsanwaltschaft, sie zu versorgen,
aber erst nachdem in der Nacht zum Freitag der höchstrangige UN-Vertreter
in Gabun das Gelände besuchte und den UN-Sicherheitsrat alarmierte, hob die
Garde auf Bitten Frankreichs die Einkesselung am Freitag abend auf und ließ
die Oppositionsführer ziehen. Unter ihnen befanden sich mehrere altgediente
wichtige Politiker, unter anderem ein ehemaliger Vizepräsident Gabuns,
einige über 70 Jahre alt.
Insgesamt sind nach offiziellen Angaben bis Samstag 1.100 Menschen
verhaftet worden – viel für ein Land mit 1,7 Millionen Einwohnern – und die
Jagd nach „Banditen“ und „Terroristen“ geht laut Regierung weiter. 800
Festnahmen gab es in Libreville, wo die Häftlinge nach Angaben der
gabunischen Anwaltsvereinigung unter „entwürdigen und unwürdigen“
Bedingungen festgehalten werden.
Da es nur 120 Anwälte in Libreville gebe und die Behörden keine Listen der
Namen und Haftorte der Festgenommenen zur Verfügung stellten, gestalte sich
die juristische Betreuung sehr schwierig, sagte Rechtsanwalt Jean-Pierre
Akumbu.
4 Sep 2016
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Gabun
Ali Bongo
Jean Ping
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