# taz.de -- Umstrittene Personalie in Köln: Ohne Kompass in der Klüngelstadt | |
> Schwarz-grüne Strippenzieher sind daran gescheitert, SPD- Fraktionschef | |
> Börschel einen lukrativen Job im Stadtwerke-Konzern zuzuschanzen. | |
Bild: Hat vergeblich auf ein 500.000-Euro-Jahresgehalt gehofft: SPD-Mann Martin… | |
Köln taz | Am Samstag schien in Köln die Sonne – nur für die Grünen nicht. | |
130 Mitglieder des Kölner Kreisverbands hatten sich drei Stunden lang in | |
einem Hörsaal der Universität versammelt, um sich ihrer Grundsätze zu | |
versichern: Transparenz, Chancen- und Geschlechtergerechtigkeit. „Wir | |
brauchen eine andere politische Kultur“, erklärte die Kölner | |
Parteivorsitzende Katja Trompeter im Anschluss an die Sitzung. Ihr Appell | |
richtet sich auch an einen ihrer Parteikollegen: Jörg Frank, langjähriger | |
Fraktionsgeschäftsführer der Kölner Grünen. | |
Seit fast drei Jahrzehnten sitzt Frank im Rat der Stadt, er gilt als einer | |
der mächtigsten Männer im Rathaus. Jetzt soll er abtreten, fordert seine | |
Partei. Der Personalwechsel müsse „schnellstmöglich eingeleitet“ werden, | |
beschlossen die Grünen auf ihrem Sonder-Delegiertenrat. | |
Denn Jörg Frank hatte kräftig geklüngelt – und ist damit gescheitert. Mitte | |
April wurde bekannt, dass der Kölner SPD-Fraktionsvorsitzende und | |
Landtagsabgeordnete Martin Börschel mithilfe Franks zum hauptamtlichen | |
Geschäftsführer beim Kölner Stadtwerke-Konzern erkoren wurde, zu dem unter | |
anderem das Nahverkehrsunternehmen KVB, die Rheinenergie und die | |
Müllbetriebe AWB gehören. | |
## 500.000 Euro jährlich für neuen Geschäftsführerposten | |
Börschel sitzt dort seit 14 Jahren im Aufsichtsrat, zuletzt als | |
Vorsitzender. Bis zu 500.000 Euro jährlich sollte der 45-jährige Jurist ab | |
September erhalten – für einen Posten, den es bislang nicht gibt und der | |
ohne Ausschreibung und Bewerbungsverfahren besetzt werden sollte. | |
Ein Gremium des Stadtwerke-Aufsichtsrats, der „Ständige Ausschuss“, hatte | |
ihn kurz zuvor eingerichtet. In dem saßen neben dem – mit einem | |
SPD-Parteibuch ausgestatteten – amtierenden Aufsichtsratsvorsitzenden und | |
einem CDU-nahen Arbeitnehmervertreter, beide von der Gewerkschaft Verdi, | |
noch zwei schwarz-grüne Lokalpolitiker: Kölns CDU-Chef Bernd Petelkau und | |
der Grüne Frank. Ein Hinterzimmer-Deal. | |
Zustande kam der, weil Börschel der Verlierer bei einem anderen | |
Hinterzimmer-Deal gewesen war. Bis vor Kurzem war er | |
Vize-Fraktionsvorsitzender der SPD im Düsseldorfer Landtag – mit Ambitionen | |
auf den Chefposten. Weil aber der designierte NRW-Parteivorsitzende | |
Sebastian Hartmann aus demselben SPD-Bezirk kommt wie Börschel, musste er | |
zurückstecken – und organisierte sich einen neuen Job. | |
## Oberbürgermeisterin Reker stoppte anrüchigen Deal | |
Antreten kann er ihn aber nicht. Anfang vergangener Woche hat die | |
parteilose Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker bei einer Sitzung des | |
Stadtwerke-Aufsichtsrats das Verfahren gestoppt. Jetzt soll erst einmal | |
geprüft werden, ob der neue Geschäftsführerposten überhaupt nötig ist. | |
Am Donnerstag traten die Beteiligten zum Büßergang im Stadtrat an. Martin | |
Börschel entschuldigte sich. Er hätte auf einer Ausschreibung der Stelle | |
bestehen müssen: „Das war ein Fehler – zwar nicht juristisch, aber | |
politisch.“ CDU-Chef Petelkau erklärte im Rat, er wolle nun verlorenes | |
Vertrauen wiedergewinnen. „Ich entschuldige mich vor der Bürgerschaft | |
ausdrücklich“, sagte Petelkau, der bereits zuvor aus dem | |
Stadtwerke-Aufsichtsrat zurückgetreten war. | |
Ebenso wie der Grüne Frank. „Solche Dinge schwitzt man nicht einfach in den | |
Anzug aus“, sagte der und bedauerte den „großen Fehler“. Seine | |
Parteikollegin Kirsten Jahn, ebenfalls Mitglied im Stadtwerke-Aufsichtsrat, | |
sagte, die Grünen hätten „ihren Kompass“ verloren. „Das wird nicht mehr | |
passieren“, versicherte sie. Nur: Über die Hintergründe, die zu ihrem | |
merkwürdigen Agieren geführt haben, schwiegen sich alle Beteiligten aus. | |
Für die Grünen ist die Affäre mehr als heikel: Köln ist eine ihrer | |
Hochburgen, in neubürgerlichen Stadtteilen wie Ehrenfeld und Nippes | |
erreichen sie bei Wahlen bis zu 30 Prozent. Möglich wurde dies, weil sich | |
die Grünen lange als Alternative zum Klüngel von SPD und CDU stilisieren | |
konnten. | |
## Probleme mit den „guten Sitten“ | |
Zur Wiedergutmachung fordert die Partei jetzt schärfere Regeln für die | |
Besetzung neuer Stellen. Für die Opposition liegt das Problem jedoch | |
woanders. „Was nützen die Gesetze uns, wenn gute Sitten fehlen“, zitierte | |
Linkspartei-Fraktionschef Jörg Detjen den römischen Dichter Horaz. | |
Für die guten Sitten erklärt sich derweil Oberbürgermeisterin Henriette | |
Reker zuständig: „Die Stadtwerke sind für die Daseinsvorsorge da und keine | |
Fundgrube für hochdotierte Jobs“, mahnte sie im Stadtrat. 2015 war Reker im | |
OB-Wahlkampf mit dem Versprechen einer neuen Kultur der Transparenz | |
angetreten. Unterstützt wurde sie dabei von einem Bündnis aus FDP, Grünen | |
und der CDU. Gerade Letztere hat sie jedoch in den letzten Monaten mehrfach | |
schlecht aussehen lassen. | |
Im Herbst verkündete der CDU-nahe Stadtdirektor Stephan Keller, dass er | |
eine unterirdische Fußgänger-Passage mit Kunsträumen am Ebertplatz gerne | |
zumauern würde, weil dort mit Marihuana gedealt würde. Reker war zu diesem | |
Zeitpunkt auf Dienstreise in Japan. Diesmal war sie auf dem Städtetag in | |
Augsburg, als sie die Nachricht erreichte, das ihre Unterstützer erneut | |
hinter ihrem Rücken gehandelt hatten. Sie legte Widerspruch ein – und geht | |
nun als Siegerin aus der Affäre hervor. | |
Reker hat einen klassischen Kölner Klüngeldeal verhindert. Als sicher gilt, | |
dass die Arbeitnehmervertreter sich mit ihrer Zustimmung die | |
Wiederbesetzung der bislang vakanten Stelle eines Arbeitsdirektors | |
gesichert hätten. Unklar ist bislang allerdings, welche Vorteile sich CDU | |
und Grüne davon versprochen haben, den SPD-Mann Börschel auf den Chefposten | |
bei den Stadtwerken zu hieven. Die grüne Parteichefin Trompeter spricht von | |
einem „wahrgenommenen Druck“ auf die Grünen von Seiten der CDU. | |
## Schwarz-grüne Kalamitäten | |
Die beiden Parteien regieren seit 2015 gemeinsam im Kölner Rat, aber ihre | |
Zusammenarbeit ist nicht frei von Konflikten. Aktuell droht die | |
Verkehrspolitik zu einer Zerreißprobe zu werden. Denn in Köln wird gerade | |
der Ausbau des überlasteten Stadtbahnnetzes in der Innenstadt geplant. | |
Die CDU möchte dafür gerne einen neuen U-Bahn-Tunnel bauen, den ersten seit | |
dem Einsturz des Stadtarchivs im Jahr 2009. Bis zu 1,05 Milliarden Euro | |
könnte die längste Variante kosten, frühestens Ende der 2030er Jahre könnte | |
er in Betrieb genommen werden. Die Grünen befürworten dagegen eine | |
Streckenführung an der Erdoberfläche und wollen Autospuren verkleinern, um | |
die Situation für Radfahrer und Fußgänger so schnell wie möglich zu | |
verbessern. | |
In der Kölner Politik wird spekuliert, dass dieser Konflikt durch einen | |
weiteren Deal beigelegt werden sollte. Die CDU-nahe Verkehrsdezernentin | |
Andrea Blome, Befürworterin des U-Bahn-Baus, könnte mit den | |
Aufsichtsratsstimmen von Grünen und SPD den Vorsitz der KVB übernehmen, der | |
2019 neu besetzt wird. | |
Die Grünen könnten dafür im Gegenzug das dadurch vakante Verkehrsdezernat | |
bekommen. Dies zeichnet sich im Moment dadurch aus, dass es Beschlüsse der | |
Ratsgremien für Verbesserungen für Radfahrer und Fußgänger nur schleppend | |
umsetzt. Das ärgert besonders die grüne Basis, die gerne neues Personal in | |
den zuständigen Ämtern sähe. | |
Im klassischen Kölner Klüngel gewinnen alle Beteiligten – auf Kosten der | |
Bürger und der Stadtkasse. Diesmal muss die Geschichte anders geschrieben | |
haben: Wer klüngelt, kann auch verlieren. | |
7 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Christian Werthschulte | |
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