# taz.de -- UNO schlägt erneut Klima-Alarm: Bis zu fünf Grad mehr in der Arkt… | |
> Selbst wenn der CO2-Ausstoß drastisch sinkt, wird das Eis am Nordpol | |
> weiter schmelzen. Das bedroht nicht nur die Arktis, sondern den ganzen | |
> Planeten. | |
Bild: Schon jetzt zu wenig fester Boden unter den Füßen: Das Eis an der Arkti… | |
Die Arktis steht nach einem neuen Bericht der UNO vor einer drastischen | |
Erwärmung und tiefgreifenden Veränderungen. „Selbst wenn die jetzigen | |
Versprechen der Länder zum Klimaschutz eingehalten werden, werden sich die | |
Temperaturen über dem arktischen Ozean bis Mitte des Jahrhunderts um 3 bis | |
5 Grad Celsius erhöhen“, heißt es [1][dem Bericht „Global Linkages“], d… | |
das UN-Umweltprogramm Unep veröffentlicht hat. Weil der Permafrostboden | |
auftaue und weitere Treibhausgase freisetze, sei das Ziel des Pariser | |
Klimaabkommens gefährdet. „Die Veränderungen in der Arktis nehmen deutlich | |
an Geschwindigkeit zu, und das hat globale Auswirkungen auf uns alle“, | |
erklärte die geschäftsführende Generalsekretärin der Unep, Joyce Msyuya im | |
Vorwort des Berichts. | |
Die Erwärmung in den nördlichen Polargebieten geht deutlich schneller als | |
im weltweiten Durchschnitt. Während sich die globale Atmosphäre seit 1880 | |
bisher [2][um 0,8 Grad Celsius erwärmt hat], steigen die Temperaturen in | |
der Arktis [3][doppelt so schnell] an. Schon bis 2050, so „Global | |
Linkages“, werden sie im Winter um 3 bis 5 Grad steigen – selbst dann, wenn | |
sofort mit drastischen Reduzierungen bei den Emissionen begonnen werde. | |
Die erste Version des Berichts hatte für Verwirrung in der Fachwelt | |
geführt. Denn darin war behauptet worden, eine Erwärmung um bis zu 9 Grad | |
Celsius sei nicht mehr zu vermeiden, selbst wenn das Pariser Abkommen | |
erfüllt werde. Ein [4][„Faktentcheck“ der Internetseite „CarbonBrief“] | |
hatte allerdings darauf hingewiesen, dass diese Rechnung nicht zu halten | |
ist. Denn sie stützte sich auf Modellrechnungen, die den höchsten möglichen | |
CO2-Ausstoß berechneten und vernachlässigten, dass das Pariser Abkommen von | |
den Staaten fordert, die globale Erwärmung bei „deutlich unter 2 Grad“ zu | |
halten und 1,5 Grad anzustreben. Weil auch die taz diese drastischen | |
Warnungen der Unep zitiert hatte, wurde dieser Artikel nachträglich | |
geändert. | |
Zwischen 1982 und 2011 ging die Zahl der Tage mit Schnee auf dem Boden im | |
eurasischen Teil der Polgebiete um 12,6 Tage im Jahr zurück. Das arktische | |
Meer reagiere auch besonders anfällig gegenüber einer Versauerung durch die | |
Aufnahme von CO2. Da es kälter sei und mehr Süßwasser durch geschmolzenes | |
Eis enthalte als andere Meere, binde es mehr Kohlenstoff und versauere die | |
Lebensräume von Korallen, Mollusken und Plankton. | |
## „Ein schlafender Riese erwacht“ | |
Die Erwärmung ist laut Unep-Bericht in Teufelskreisen gefangen: Weniger | |
Schnee und Eis bedeuten mehr dunkle Land- und Meeresgebiete, die sich | |
stärker aufheizen, weil sie weniger Wärme reflektieren als weiße Flächen. | |
Mehr Wärme führt zu einem Auftauen der bislang ewig gefrorenen | |
Permafrostböden, die die Klimagase Kohlendioxid und Methan ausgasen – was | |
wiederum die Erwärmung der Atmosphäre befeuert. | |
„Ein schlafender Riese erwacht“, warnt der Bericht: „Neue Daten legen nah… | |
dass der Permafrost viel schneller auftaut als bisher gedacht.“ Die Fläche | |
von Permafrost, die bislang 15 Millionen Quadratkilometer umfasse, werde | |
bis 2040 auf 12 Millionen zusammenschmelzen – und bis 2080 sogar auf 5 bis | |
8 Millionen Quadratkilometer zurückgehen. | |
„Das hat Konsequenzen nicht nur für die Menschen und das Ökosystem in der | |
Arktis, sondern wegen der Rückkopplung für den ganzen Planeten“, heißt es | |
in dem Bericht. Während die Freisetzung dieser Gase den Klimawandel noch | |
weiter beschleunigen könne, seien allerdings „Umfang und Zeitablauf dieser | |
Emissionen und ihre Auswirkungen noch weithin unbekannt“. | |
Jens Strauss, Geoökologe und Permafrost-Experte vom Alfred-Wegener-Institut | |
(AWI), weist darauf hin, dass auch bei den extrem tiefen Temperaturen im | |
arktischen Winter eine solche Erwärmung von 3 bis 4 Grad einen großen | |
Unterschied mache: „Der Permafrost braucht die kalten Winter, um die Sommer | |
zu überstehen“, sagt Strauss auf Nachfrage. | |
## Globale Konsequenzen zeichnen sich bereits ab | |
Die Erwärmung des arktischen Bodens gehe jetzt aber richtig los, hat der | |
Experte beobachtet: „Die Temperaturen im Boden steigen deutlich schneller | |
als in der Luft“, sagt er. Als Folge schmelze teilweise das Eis großflächig | |
im Boden, bilde Seen und hinterlasse nach dem Abfluss des Wassers Senken, | |
in denen die Landschaft „20 bis 30 Meter tiefer liegen kann“. Gebäude und | |
Straßen sacken weg. Der Unep-Bericht warnt davor, das könne in der Arktis | |
bis zu 4 Millionen Menschen und 70 Prozent der gesamten Infrastruktur | |
bedrohen. | |
Die ungewohnte Wärme am Pol bringt offenbar auch zunehmend das Wetter in | |
Eurasien und Nordamerika durcheinander. Anfang des Jahres belegte eine | |
[5][Studie] der US-Klimawissenschaftlerin Jennifer Francis eine „robuste | |
Beziehung“ zwischen einer sich schnell erwärmenden Arktis und einem | |
Abschwächen des „Jet-Streams“. Dieses Band aus starken Winden in der | |
Atmosphäre dominiert das Wetter rund um die Arktis und speist sich | |
teilweise aus dem Temperaturunterschied zwischen Arktis und Tropen. | |
Weil sich die Arktis schneller erwärmt, lässt dieser Unterschied nach. Die | |
Folge: Das Windband beginnt nach Nord und Süd zu „flattern“, wärmere Luft | |
gelangt weiter nördlich als normal, kalte Luft weiter südlich. „Unsere | |
Ergebnisse legen nahe, dass sich die Häufigkeit von Extremwetterereignissen | |
durch dauerhafte Jet-Stream-Muster erhöhen wird, wenn die Arktis sich als | |
Reaktion auf steigende Konzentrationen von Treibhausgasen weiter schneller | |
erwärmt als anderswo“, lautet das Fazit der Studie. | |
Update 29.03., 9:45 Uhr: Die ersten drei Absätze dieses Berichtes wurden | |
aktualisiert. | |
27 Mar 2019 | |
## LINKS | |
[1] http://wedocs.unep.org/bitstream/handle/20.500.11822/27687/Arctic_Graphics.… | |
[2] https://earthobservatory.nasa.gov/world-of-change/DecadalTemp | |
[3] https://www.ametsoc.net/sotc2017/SoC2017_ExecSumm.pdf | |
[4] https://www.carbonbrief.org/factcheck-is-three-five-celsius-of-arctic-warmi… | |
[5] https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/10/1/014005 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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