# taz.de -- Tunnel-Experte zur Räumung von Lützerath: Wie damals im Hambacher… | |
> Aktivisten in einem Tunnel bremsen die Polizei in Lützerath aus. Ein | |
> Ex-Aktivist weiß wie es ist, bei einer Räumung unter der Erde | |
> auszuharren. | |
BERLIN TAZ [1][Ein Tunnel zögerte am Freitag die endgültige Räumung von | |
Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier hinaus.] Dort wurde am Morgen | |
schon das letzte Gebäude im Weiler von der Polizei geräumt. Doch noch gab | |
es ein Problem: Eine besondere Unwägbarkeit seien zwei entdeckte Tunnel, in | |
denen sich offenbar noch zwei Personen befanden, sagte ein Polizeisprecher. | |
Es sei deshalb unklar, ob deren Räumung bereits am Freitag gelinge. Das | |
Technische Hilfswerk hatte in der Nacht versucht, die Aktivisten aus der | |
Erde zu holen – vergeblich. | |
Einer der weiß, wie es ist, tagelang in einem Tunnel auszuharren, ist | |
„Maulwurf“. Obwohl der 37-jährige ehemalige Aktivist aus Süddeutschland | |
nichts mit den aktuellen Tunnelgräbern zu tun hat, möchte er seinen Namen | |
nicht in der Zeitung lesen. 2012 harrte „Maulwurf“ fast vier Tage in einem | |
ähnlichen Tunnel aus, wie der, der auf dem [2][Video der Aktivisten von | |
Lützerath zu sehen ist] – damals noch unter dem Hambacher Forst. In den | |
Nachrichten habe er von der aktuellen Tunnelaktion mitbekommen: „Ich habe | |
mich gefreut, dass die Aktionsform weiterentwickelt wird“, sagt der | |
„Maulwurf“ der taz. | |
90 Stunden harrte er bei der damaligen [3][Räumung des Hambacher Forsts] | |
unter der Erde aus. Damals sei der Tunnel in sechs Metern Tiefe gewesen, | |
ein verwinkelter, 15,5 Meter langer Gang mit insgesamt sechs Türen. Fast | |
ein halbes Jahr hätte er daran gegraben, sagt „Maulwurf“. | |
In dem Tunnel ging es zwei Meter geradeaus, dann zwei Meter runter, wieder | |
zwei Meter geradeaus, und nochmal um die Kurve zu dem Raum, in dem | |
„Maulwurf“ damals ausharrte. Er erzählt, dass er gerade noch ausgestreckt | |
liegen konnte. „Ich hatte bei der Räumung den bequemsten Platz.“ Nur die | |
Langweile habe ihm zu schaffen gemacht. Versorgt hat er sich mit mehreren | |
Dosen Ravioli und einem Wasserkanister – nach den vier Tagen war davon noch | |
mehr als die Hälfte übrig. | |
## Sauerstoff über Gartenschläuche | |
Auf dem Video, das am Donnerstag veröffentlich wurde, sind zwei vermummte | |
Aktivist:innen zu sehen: „Pinky“ und „Brain“ nennen sie sich. Sie | |
tragen dunkle Mützen, Sonnenbrillen und Stirnlampen. „Wir sind hier im | |
Lützerather Tunnel“, sagt Pinky, „Willkommen“, ergänzt Brain. Im Video | |
kriechen sie durch Gänge, die etwa einen Meter hoch sind. Vorbei an | |
Holzstützen und grünen Schläuchen. | |
In einem Raum können sie aufrecht sitzen, neben ihnen lehnt ein altes | |
Fenster an der Wand. Sie ziehen Kaffee aus einem Loch und scherzen: „Mach | |
mal das Fenster auf, hier wird die Luft langsam dünn.“ Über einen Schlauch | |
bekommen sie aber neuen Sauerstoff. | |
Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach, der verantwortliche Einsatzleiter, | |
inspizierte am Freitagmittag die Eingänge zum Tunnel. und machte sich | |
Sorgen: Die Luftzufuhr sei auf Dauer „nur unzureichend gewährleistet“, sie | |
geschehe über schmale Gartenschläuche, so Weinspach. Die Feuerwehr | |
überprüfe aber „permanent den Sauerstoff- und CO2-Gehalt“ in der Tiefe. | |
So war es auch [4][2012 bei „Maulwurf“]. Über die Schläuche versuchte die | |
Polizei auch, mit ihm zu kommunizieren. Das habe aber er aber verweigert. | |
Er habe nur mit einer Person, die er gut kannte, gesprochen, „weil die | |
Polizei auch alles Mögliche erzählt, nur um die Person da unten | |
rauszukriegen.“ | |
## Weitere Blockaden erwartet | |
Schon damals war das Ziel der Protestaktion das gleiche wie das der | |
Aktivisten heute: Die Räumung hinauszögern und teurer machen. Spezialkräfte | |
sind notwendig, um die Aktivisten nicht in Lebensgefahr zu bringen. Damals | |
konnte die Polizei mithilfe eines speziellen Saugbaggers zu Maulwurf | |
vordringen. Ob das bei dem Tunnel unter Lützerath auch klappt, kann er | |
nicht sagen. Bei ihm sei der Boden sehr sandig gewesen, aber „der auf dem | |
Video sah sehr lehmig aus“, so „Maulwurf“. | |
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag hatten Polizei und das Technische | |
Hilfswerk versucht, den Tunnel zu räumen – zunächst aber ohne Erfolg. | |
„Maulwurf“ ist sich sicher, dass noch „weitere Blockadetechniken innerhalb | |
des Tunnels“ eingebaut wurden, um die Räumung weiter hinauszuzögern. Am | |
Freitagmorgen sperrte die Polizei den Eingang zum Tunnel weitläufig ab. | |
Die ersten Tunnelaktionen hätte es bereits bei Protesten in Großbritannien | |
in den 90er Jahren gegeben, erzählt „Maulwurf“. Damals versuchten die | |
Aktivist:innen, den Straßenbau zu blockieren. Es ist eine „sehr | |
seltene, aber sehr effektive Protestform“, sagt „Maulwurf“. Er habe sie | |
2008 bei den Protesten im Kelsterbacher Wald gegen den Ausbau des | |
Frankfurter Flughafens für sich entdeckt. | |
An den Tunneln bei der Räumung im Hambacher Forst 2018, die sogar elf Meter | |
tief gewesen sein sollen, war er nicht beteiligt. Die Räumung dauerte | |
damals drei Tage. „Das war schon ein großer Erfolg in der Geschichte der | |
Tunnelaktionen, weil es sechs Jahre gedauert hat, bis wieder eine | |
Tunnelaktion gelungen ist“, sagt „Maulwurf“. | |
13 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Tunnel-in-Luetzerath/!5908646 | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=xonrW2smPyg | |
[3] /NRW-Innenminister-zu-Hambach/!5536341 | |
[4] /Polizei-raeumt-den-Hambacher-Forst/!5079245 | |
## AUTOREN | |
Tom Burggraf | |
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