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# taz.de -- Trump-Fans in Israel: Eine unheilige Allianz
> In Donald Trumps zweiter Amtszeit als US-Präsident rücken christliche
> Evangelikale und Israels rechtsradikale Hardliner näher zusammen.
Bild: Ohne Clown keine Party: Mike Evans und Anhänger*innen der „Friends of …
Jerusalem taz | Kurz bevor Donald Trump am 20. Januar als 47. Präsident der
USA in Washington vereidigt wird, stehen in Jerusalem Hunderte Menschen vor
dem evangelikalen Friends-of-Zion-Museum Schlange. An der Fassade hängt ein
großes Transparent mit einem Foto des Wiedergewählten und den Worten:
„Congratulations Donald Trump, Israel Loves You!“ Der Ansturm ist so groß,
dass es einen Einlassstopp gibt. Viele der jüdischen und christlichen
Gäste, die „Make America Great Again“-Basecaps oder Trump-Kippot tragen,
müssen enttäuscht draußen bleiben.
Im Museum platzt die Party zu Trumps Amtseinführung aus allen Nähten, es
gibt Chickenwings, Coca-Cola und Freedom Fries. „YMCA“ von den Village
People, die einstige Schwulenhymne, die sich Trump als Wahlkampfsong
angeeignet hat, läuft in Dauerschleife. Die Stimmung ist euphorisch.
Auf der Bühne behauptet Museumsgründer Mike Evans, ein christlicher
Evangelikaler, der extra aus Texas eingeflogen ist, dass Evangelikale Trump
2016 die Präsidentschaft versprochen hätten, solange er beim Thema
Abtreibung und Israel liefern würde. „Und alles, was wir auf unserer Liste
hatten, hat er übertroffen. Er hat es übertroffen!“, verkündet der Mann mit
den weißen Haaren und dem grauen Schnurrbart, während das Publikum jubelt.
Trumps zweite Amtszeit werde wie die erste sein, aber „auf Steroiden“, sagt
er.
Die Freude unter Evangelikalen ist groß. Denn zum Auftakt seiner zweiten
Amtszeit hat Trump christliche Hardliner für Schlüsselpositionen nominiert,
die die Zukunft des Nahen Ostens stark prägen könnten. Der Einfluss der
christlichen Evangelikalen wächst, und das ist selbst in Jerusalem zu
spüren.
## Radikal evangelikal
Gegründet wurde das evangelikale Museum 2015 als multimediale Einrichtung,
die christliche Zionisten und ihre Unterstützung Israels über die Jahre
zelebriert. Über vier Etagen wird hier die biblische Geschichte Israels
erzählt – digital, interaktiv, teils in 3D und mit reichlich musikalischem
Pathos, der an Trailer für Hollywoodfilme erinnert. Im Fokus stehen auch
die Geschichten von Christen, die schon lange vor der Staatsgründung 1948
an die Idee eines jüdischen Staates glaubten, von William E. Blackstone bis
Arthur Balfour. „Israel wäre ohne die christlichen Zionisten nicht möglich
gewesen“, sagt Benjamin Netanjahu in einem Teil der Ausstellung mit tiefer,
dröhnender Stimme auf einer riesigen Leinwand.
Bereits 2017 und 2018 startete das Museum Plakatkampagnen in Israel, die
Trump unterstützten. Und nur Stunden nach dessen Wahlsieg Anfang November
tauchten in Tel Aviv und Jerusalem mehrere Werbetafeln mit Glückwünschen
auf: „Congratulations! Trump, Make Israel Great Again“.
Der Evangelikalismus ist eine missionarische Strömung innerhalb des
Christentums, die die Bibel größtenteils beim Wort nimmt. Laut dem
Meinungsforschungsinstitut Pew Research Center identifizierten sich im Jahr
2021 rund 24 Prozent der Erwachsenen in den USA als „evangelikal“ – [1][d…
sind etwa 80 Millionen]. Viele von ihnen verstehen sich auch als Zionisten,
denn die Staatsgründung Israels 1948 war aus ihrer Sicht die Erfüllung
biblischer Prophezeiung. Und der jüdische Staat im heiligen Land der Bibel
sei die Voraussetzung für die Parusie, die Rückkehr des Messias Jesus
Christus – und das Armageddon. In Bezug auf die Sicherheitspolitik des
jüdischen Staates vertreten Evangelikale damit oft kompromisslose, weitaus
radikalere Positionen als viele konservative Juden in den USA.
Das kommt rechten Nationalreligiösen in Israel, die aktuell Teil der
Regierung sind, gelegen. Denn sie empfinden viele jüdische Stimmen in den
USA als zu kritisch, was die Politik Israels angeht. Auch Trump sagte 2021
in einem Podcast mit dem israelischen Journalisten Barak Ravid über die
USA: „Evangelikale Christen in diesem Land lieben Israel mehr als Juden.“
## Evans pflegt eine enge Beziehung zu Netanjahu
Mike Evans, der Gründer des Friends-of-Zion-Museums, steht sinnbildlich für
diese Allianz. Er beriet Trump während seiner ersten Amtszeit zum Thema
Israel und gehörte auch dessen „evangelikalem Beirat“ an. Das Museum
wiederum verlieh Trump 2018 den Friends-of-Zion-Preis. Inzwischen hat Evans
Trump allerdings scharf kritisiert, was vielleicht erklärt, warum er die
Amtseinführung in Jerusalem und nicht in Washington feierte.
Im Jahr 2022 schickte Evans einen Essay an die Washington Post. Die Zeitung
zitiert daraus: „Wir alle wussten, dass Trump charakterliche Schwächen hat,
aber wir betrachteten unsere Beziehung zu ihm als transaktional.“ Und
weiter: „Er hat uns benutzt, um das Weiße Haus zu gewinnen. Wir mussten es
hinnehmen, wenn er Dinge sagte, die uns entsetzten.“ Dazu sei Evans nicht
mehr bereit.
Eine engere Beziehung pflegt Evans bis heute noch zum israelischen Premier
Netanjahu. „Bibi Netanjahu ist der einzige Mann auf der Welt, der die
Evangelikalen vereint“, sagte Evans 2021. Und als der Netanjahu-Block im
selben Jahr die Knessetwahl verlor und durch eine breite Einheitsregierung
aus diversen Parteien ersetzt werden sollte, nannte Evans diese „tollwütige
Hunde“, die Netanjahu „kreuzigen“ wollen würden – was in Israel für l…
Kritik sorgte. Auf eine taz-Anfrage reagierte Evans nicht.
Inzwischen ist Netanjahu wieder an der Macht und Trump ist erneut ins Weiße
Haus gezogen. Das Thema Abtreibung ist in den USA abgeräumt, der Backlash
vollzogen, nachdem die Rechtsprechung „Roe v. Wade“, die jahrzehntelang das
Recht auf Abtreibung in den USA bestätigte, 2022 vom Obersten Gerichtshof
gekippt wurde. Die Evangelikalen können sich nun also auf das Thema Israel
konzentrieren. Und Evans sieht in Trumps zweiter Amtszeit wohl eine so
große und einmalige Chance, dass er bereit zu sein scheint, einstige
Bedenken wegen dessen Charakter wieder beiseitezuräumen.
„Der Präsident kann sich weiterhin auf uns verlassen“, sagt Evans auf der
Party in Jerusalem. „Und auch auf einige andere.“ Dann nennt Evans etwa
Trumps [2][gerade vereidigten Verteidigungsminister Pete Hegseth] – einen
christlichen Nationalisten, der sich ein Jerusalemkreuz auf seine Brust
tätowieren ließ. Den neuen Außenminister Marco Rubio beschreibt Evans als
„unglaublich stark“.
## Ein radikaler Botschafter
Aber vor allem die Nominierung Mike Huckabees als US-Botschafter in Israel,
der noch vom Senat bestätigt werden muss, sorgt in evangelikalen Kreisen
für Jubel. „Huckabee glaubt an [israelische] Souveränität über Judäa und
Samaria“, sagt Evans auf der Party – Judäa und Samaria, das sind die
biblischen Bezeichnungen für das Westjordanland.
Huckabee, der selbst schon mehrmals im Museum zu Gast gewesen ist, nahm für
die Feier zu Trumps Amtseinführung bei den Friends of Zion sogar eine
exklusive Videobotschaft auf, in der er von einer „historischen
Gelegenheit“ sprach, „Frieden und Sicherheit in die Region zu bringen“.
Der ehemalige Baptistenpastor, Gouverneur von Arkansas und Fernsehmoderator
bei Fox News war nach eigenen Angaben bereits mehr als 100-mal in Israel.
Er hat zahlreiche Reisegruppen evangelikaler Christen dorthin begleitet.
Außerdem bricht Huckabees Nominierung mit einer amerikanischen Tradition:
Die Rolle des US-Botschafters in Israel ging in den vergangenen Jahren fast
ausschließlich an amerikanische Juden.
Für Huckabee dürfte der neue Job nichts Geringeres als eine spirituelle
Berufung sein. Er besuchte Israel zum ersten Mal als 17-Jähriger und
erinnerte in einem Interview mit den evangelikalen National Religious
Broadcasters: „Ich spürte eine überwältigende spirituelle Realität und
verstand, dass dies das Land ist, das Gott den Juden gegeben hat.“ In einem
Interview mit All Israel Newssprach er von einem „Jesaja-Moment“, nachdem
Trump ihm die Position angeboten hatte, und zitierte die entsprechende
Bibelpassage: „Hier bin ich, Herr, sende mich.“
## Ferienhausträume statt Zwei-Staaten-Lösung
Viele Evangelikale wie Evans hoffen, dass mit einem Botschafter Huckabee
Israel [3][das Westjordanland annektieren wird]. Den Begriff „Westbank“
lehnt Huckabee ab und verwendet stattdessen konsequent die biblische
Bezeichnung Judäa und Samaria. Er ist auch gegen eine Zwei-Staaten-Lösung
mit den Palästinensern, was er damit begründet, dass Gott das Land den
Juden versprochen habe. In illegalen Siedlungen ist Huckabee ein gern
gesehener Gast, dort organisierte er bereits Wahlkampfveranstaltungen und
träumt laut eigener Aussage von einem Ferienhaus.
Auch deshalb freuen sich in Israel nationalreligiöse und rechtsradikale
Hardliner wie Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich über die Nominierung von
Mike Huckabee als US-Botschafter. Die strategische Allianz zwischen ihnen
und christlichen Evangelikalen wird Trumps zweite Amtszeit prägen.
Gemeinsam propagieren sie eine messianische Außenpolitik, die Prophezeiung
über Pragmatismus stellt. Auch deshalb sieht es für den Friedensprozess im
Nahen Osten düster aus.
31 Jan 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Nicholas Potter
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