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# taz.de -- Kolumne Trikottausch 12: Schwänze, Schwänze, Schwänze!
> "Müssen jetzt alle Frauen-Fußball gut finden?", fragte Frank Plasberg –
> ein skandalöser Tiefpunkt des Männer-Geredes über Frauen-Fußball.
Was ist da los? Da findet eine FRAUEN-(!)-WM statt, und wer darf massiv
darüber reden? "Die einzige Fernseh-Kommentatorin ist Claudia Neumann (47)
beim ZDF", berichtet taz-Expertin Ulrike Winkelmann (40). Ansonsten setzt
MANN voll auf die Männer-Karte! Die top-qualifizierten Fach-Moderatorinnen
[1][Katrin Müller-Hohenstein (49)] und Valeska Homburg (35), die
Ex-Spitzen-Kickerinnen Nia Künzer (31) und Silke Rottenberg (39) – gerade
mal gut für die Pipi-Piccolöchen-Pause!
Und das ist nur die Spitze des frauen-feindlichen Eisbergs! Denn im
Blätter-Wald der Zeitungs-Landschaft rauscht es noch zappen-dusterer:
[2][Frauen spielen, Männer schreiben.] FRAU kann nicht mehr in Ruhe zeitnah
Frauen-Fußball gucken, ohne ständig auf Schwänze, Schwänze, Schwänze zu
stoßen – ekelhaft, HimmelFRAUgott!
Das Pulverfass zum Überlaufen brachte dann Frank Plasberg (54) mit seiner
Talk-Show "HART(!), aber fair" im HERREN-Sender ARD: "Das verordnete
Sommermärchen – Müssen jetzt alle Frauen-Fußball gut finden?", war der
abstoßende Titel der mit der Aura des provokativ-quer-denkerischen
Pseudo-Tabu-Bruchs ("brisantes Thema") inszenierten Sendung. Aber, HERR
Plasberg: Es hat mit Quer-Denken nichts zu tun, unterste
Stammtisch-Schubladen-Sprüche ("Spiel zu langsam", "TRIKOTTAUSCH") reißen
(zu lassen), skandalöse alte Fernseh-Kommentare von Wim Thoelke ("Decken,
decken, nicht Tisch decken", zum Glück tot) herauszukramen und damit für
viel Ha-Ha und Hi-Hi und Ho-Ho zu sorgen! Und es ist kein Tabu-Bruch, den
Spagat zwischen Äpfel und Birnen zu probieren und ernste Probleme des
Frauen-Fußballs (kein Geld!) mit billigen Klischees ("keine Athletik") und
dummen "Witzen" ("La Ola heißt jetzt Dauerwelle") in einem Soßen-Topf zu
verrühren!
Vor allem aber: Würde ein HERR Plasberg jemals fragen: "Müssen jetzt alle
Männer-Fußball gut finden?" Natürlich nicht – obwohl das ein echter
Tabu-Bruch wäre! Denn: Wie viele Jungs spielen nur aus Gruppen-Druck
Fußball? Wie viele erleiden Woche für Woche auf den Bolz-Plätzen draußen im
Lande tiefe seelische Kränkungen, nur weil das gesellschaftliche
Geschlechter-Rollen-Modell es so vorsieht? Wie viele leiden noch als
erwachsene Männer, wenn sie ständig Bundesliga und Champions League gucken,
um ja nicht "unmännlich" zu wirken? Wie viele Männer interessieren sich
nicht für WM oder EM, sondern nur für H&M oder S/M, dürfen das aber nicht
sagen? Und die springende Gretchen-Frage: Wer muss die Suppe hinterher
ausbaden? Die Frauen!
Statt aber solche Fragen kritisch zu hinterfragen, ließ sich Plasberg
willig vor den Sexisten-Karren spannen. Nur zwei seiner sechs Gäste waren
Frauen (peinliche 33,33-Prozent-Frauen-Quote!). Und Plasberg stärkte seinem
Gast Hajo Schumacher (47, Porno-Fön-Frisur, "Journalist") den Rücken, indem
er ihm den Rücken freihielt, sodass dieser schwanz-gesteuerte Sexist
("Sport und Erotik gehören zusammen") die ganze Sendung über Rückenwind
hatte und Oberwasser behielt.
Öl ins Feuer goss auch Uli Stein (56), Ex-National-Ersatz(!)-Torwart (nur 6
Einsätze, nur unwichtige Spiele!), heute Torwart-Trainer von Aserbaidschan
(Welt-Rangenlisten-Platz 112!), der über die angeblich "mangelhafte
StrafraumbeHERRschung" der Torhüterinnen fach-simpeln durfte. (Hallo, HERR
Stein! Vielleicht wollen Frauen nichts beHERRSCHen!)
Die schmierigsten Sexismen aber durfte ein HERR Joachim Llambi (47,
Börsenmakler, selbsternannter Tanzlehrer, "Jury"-Mitglied bei einer
"Casting-Show" im ANALphabeten-Sender RTL) vom Stapel lassen: "Ich schaue
mir gern hübsche junge Damen an, besonders wenn die auch noch gut spielen
und eine gewisse Spannung (!) dabei ist." Selbst diesem HERRN zeigte
Plasberg nicht im Kreuzfeuer der Kritik die Rote Karte, sondern
signalisierte grünes Licht und blieb bei seinem Schmusekurs.
Die kritischen Stimmen von Sabine Töpperwien (50, Moderatorin im
Sparten-Medium Radio) und Bärbel Wohlleben (67, 1974 deutsche
"Damen"-Meisterin mit TuS Wörrstadt) wurden nicht gehört und gingen im
Abseits unter. Stattdessen durfte ausgerechnet Ex-Fernseh-Moderator Rolf
Töpperwien (60, reklamierte nicht bezahlte Bordell-Rechnung auf
ZDF-Briefpaper!) mit Vorstößen vorpreschen, um den Sexisten das Wasser
abzugraben und eine Lanze für die Frauen zu brechen bzw. vor ihnen zu
punkten. Aber: Auf so einen Frauen-Fußball-Versteher kann FRAU gern
verzichten! Und: Auf eine solche Schwanz-Vergleichs-Show kann FRAU ebenso
verzichten!
Diese Plasberg-Sendung hat gezeigt: Wenn Frauen die letzten
Männer-Bastionen ins Visier nehmen und beginnen, ihre Visionen ansatzweise
umzusetzen, rudern die Männer nicht zurück, sondern wittern Handlungsbedarf
und forcieren ein zugespitztes gesellschaftliches Roll-Back (Englisch für:
"Rolle rückwärts"). Die Weichen sind zwar gestellt, aber die sexistische
Kuh ist nicht vom Eis, der Macht-Poker im Gender-Tauziehen um die
Diskurs-Hoheit noch längst nicht in trockenen Tüchern! Emanzipation bleibt
ein massiver Wettlauf um die hängende Zitterpartie – auch im
(Frauen-)Fußball!
[3][Doch die Lunte in die Herzen ist gelegt.] Bleibt zu hoffen, dass der
zündende Funke überspringt und zum flächendeckenden
Frauen-(Fußball-)Flächenbrand wird!
7 Jul 2011
## LINKS
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[2] /1/sport/die-wm-kolumnen/artikel/1/lasst-die-baelle-rollen/
[3] /1/sport/wm-2011-aufm-platz/artikel/1/vier-tore-in-die-herzen/
## AUTOREN
Deniz Yücel
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