# taz.de -- Technische Neuerung Solarfolie: Ein Sonnenkraftwerk zum Ankleben | |
> Solarfolien sind eine vielversprechende Innovation. Eine Dresdner Firma | |
> will damit bald in die Serienproduktion gehen. | |
Bild: Die Dresdner Firma Heliatek fertigt organische Photovoltaik | |
Sie ist ultraleicht, superdünn und elastisch: Der letzte Schrei in der | |
Photovoltaik nennt sich „organische Solarzelle“. 15 Jahre hat die Firma | |
Heliatek in Dresden an der Entwicklung gearbeitet. Jetzt soll endlich der | |
Durchbruch gelingen. „Wir beginnen im Mai mit der Serienproduktion“, sagt | |
Martin Hermenau, Leiter der Produktentwicklung bei Heliatek. Derzeit würden | |
noch die Maschinen eingefahren und Personal eingestellt. Hermenau ist | |
jedenfalls bereit, die Solarwirtschaft zu revolutionieren. | |
Organische Solarzellen besitzen einen anderen Halbleiter als sonst üblich. | |
90 Prozent aller bislang hergestellten Module nutzen Silizium zur | |
Umwandlung der Sonnenenergie, die restlichen machen sich kristalline | |
Verbindungen wie Galliumarsenid zunutze. „Wir hingegen verwenden organische | |
Materialien“, sagt Martin Hermenau. Der Strom wird also von | |
Kohlenwasserstoff-Verbindungen erzeugt, „ganz ohne Silizium, ohne Blei und | |
andere Schadstoffe“. Deshalb sei der ökologische Fußabdruck der Dresdner | |
Zelle sehr viel kleiner als der von herkömmlichen Photovoltaik-Modulen. | |
Außerdem sind Material-Engpässe wie beispielsweise bei den Seltenen Erden | |
ausgeschlossen. | |
Der Wirkungsgrad organischer Solarzellen ist zwar bislang generell geringer | |
als der ihrer herkömmlichen Äquivalente, aber die Dresdner werben mit | |
anderen Vorteilen. „Wir stellen Solarfolien her, die leicht, dünn und sehr | |
flexibel sind und dazu noch leicht zu installieren“, sagt Stephan Kube, bei | |
Heliatek für Marketing zuständig. Überall dort, wo „normale“ Module zu | |
schwer sind oder zu unflexibel, könnte die Dresdner Klebefolie aufgebracht | |
werden. In Spanien wurde schon der [1][Turm eines Windrads beklebt], in | |
Frankreich das Leichtbaudach einer Mittelschule, in Donauwörth die Fassade | |
eines Getreidesilos, in Berlin die Waben einer Traglufthalle. | |
Nicht nur die Firma selbst schwärmt von ihrem Produkt. Enorme Vorteile | |
bestätigt auch Birger Zimmermann, der am Fraunhofer-Institut für Solare | |
Energiesysteme ISE an organischen Solarzellen forscht. „Im Vergleich zu den | |
herkömmlichen Solarzellen sind die organischen tausendmal dünner“, sagt er. | |
Dadurch sei wesentlich weniger Materialaufwand notwendig, um zum gleichen | |
Ziel zu kommen. | |
## Flexibel einsetzbar | |
„Zudem sind organische Solarzellen extrem anpassbar an die verschiedenen | |
Anwendungsbereiche“, sagt der Wissenschaftler. Beispielsweise können die | |
neuen Zellen nur bestimmte Bandbreiten des Lichts in Strom umwandeln, etwa | |
jene, die für das menschliche Auge unsichtbar sind. „Man kann so | |
Fensterscheiben zu Sonnenkraftwerken umfunktionieren“, sagt Zimmermann. | |
Es ist die Molekülstruktur, die den Strom erzeugt, was der Freiburger | |
Forscher als „Fluch und Segen zugleich“ bezeichnet: Einerseits sind durch | |
neue Moleküle immer neue Anwendungen möglich. Anders als bei den | |
siliziumbasierten Solarzellen lässt sich andererseits die Lebensdauer der | |
neuen Sonnenkraftwerke nicht mit Gewissheit vorhersagen. „Die ist für jedes | |
neue Material neu zu prüfen“, sagt Zimmermann. Er sieht die Dresdner Firma | |
aber gut aufgestellt. „Heliatek hat schon sehr stabile Zellen | |
demonstriert.“ | |
## Neuer Impuls für die deutsche Solarbranche? | |
Der französische Konkurrent Armor allerdings habe bei seinen organischen | |
Solarzellen einen wesentlich höheren Wirkungsgrad erreicht, sagt | |
Zimmermann. Die Dresdner beschreiben ihre Produktionsziele denn auch nicht | |
in Megawatt Leistung, die installiert werden, sondern in verkauften | |
Quadratmetern. Auf eine Million davon ist die junge Fabrik ausgelegt. | |
Innovationen wie die organische Photovoltaik aus Dresden könnten der | |
deutschen Solarbranche einen neuen Impuls geben. Vor gut zehn Jahren gab es | |
in Deutschland [2][noch mehr als 350 Solarzellen-Produzenten], heute – nach | |
dem Kahlschlag der unionsgeführten Bundesregierungen – sind davon kaum noch | |
ein paar Dutzend übrig. | |
Könnten neue Produkte den Wirtschaftszweig wiederbeleben? „Wir hoffen es“, | |
sagt Wissenschaftler Zimmermann. „Allerdings müsste dafür ein | |
entsprechendes Wirtschaftsumfeld geschaffen werden, so wie es die rot-grüne | |
Bundesregierung einst mit dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz gemacht hat.“ | |
Derlei, sagt er, sei aber zurzeit nicht in Sicht. | |
28 Apr 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.heliatek.com/de/referenzen/ | |
[2] /Nix-mit-Solarenergie-made-in-Germany/!5588101 | |
## AUTOREN | |
Nick Reimer | |
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