# taz.de -- Tarifkonflikt Deutsche Post: Schweres Paket zu verhandeln | |
> Die Tarifverhandlungen zwischen der Post und Verdi gehen in die zweite | |
> Runde. Ein Zusteller wünscht sich mehr Lohn und bessere | |
> Arbeitsbedingungen. | |
Bild: Menschen schicken immer weniger Briefe, bestellen aber mehr Pakete. Die m… | |
Berlin taz | Markus Franke ist später nach Hause gekommen als geplant. „Es | |
ist immer stressig bei uns, jede Woche wie Weihnachten“, sagt er. Er | |
arbeitet als Zusteller bei der Deutschen Post und heißt eigentlich anders, | |
möchte aber anonym bleiben – zu oft schon hätten Kolleg:innen, die sich | |
öffentlich für ihre Rechte einsetzten, Abmahnungen oder Kündigungsdrohungen | |
schlucken müssen. | |
In seinem Zustellbezirk in einer ostdeutschen Großstadt wohnen vor allem | |
Menschen mit überdurchschnittlich hohem Einkommen, erzählt Franke. Wo die | |
Kaufkraft hoch ist, werde viel bestellt: Täglich trage er rund 130 Pakete | |
aus, die bis zu 31,5 Kilogramm wiegen können. Er ist in der sogenannten | |
Verbundzustellung tätig: Weil immer weniger Briefe verschickt werden, | |
lohnen sich reine Briefträger:innen für die Post kaum noch. Also | |
verteilen immer mehr Beschäftigte sowohl Briefe als auch Pakete. | |
Seit Anfang Januar ist die [1][Gewerkschaft Verdi in Tarifverhandlungen mit | |
der Deutschen Post.] Die erste Verhandlungsrunde endete ohne Einigung, am | |
18. und 19. Januar geht es weiter. In Deutschland verdienten Beschäftigte | |
von Post-, Kurier- und Expressdiensten 2021 im Monat durchschnittlich 3.022 | |
Euro brutto – rund 1.000 Euro weniger, als ein:e Arbeitnehmer:in pro | |
Monat im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt bekam. Zu Beginn des Jahres | |
2022 wurden die Löhne der Postbeschäftigten zwar um 2 Prozent erhöht, die | |
Inflation lag im gleichen Jahr allerdings bei fast 8 Prozent. | |
Für die rund 160.000 Mitarbeiter:innen des Konzerns fordert Verdi | |
deswegen: 15 Prozent mehr Lohn bei einer Vertragslaufzeit von zwölf | |
Monaten, außerdem eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung um monatlich 200 | |
Euro für jedes Ausbildungsjahr. Laut der Gewerkschaft sind die | |
Tarifforderungen „notwendig, gerecht und machbar“ – vor allem, weil die | |
Deutsche Post AG für das Jahr 2022 mit einem Rekordgewinn von 8,4 | |
Milliarden Euro rechnet. | |
Auf Anfrage der taz erklären Dirk Klasen und Alexander Edenhofer, Sprecher | |
der Deutsche Post DHL Gruppe, man wolle den Mitarbeitenden Tariferhöhungen | |
„nicht verweigern“. Aber: „15 Prozent für zwölf Monate sind vom Unterne… | |
nicht zu leisten.“ Die Sparte Post und Paket (P&P) in Deutschland mache mit | |
rund 13 Prozent nur einen kleinen Teil des operativen Gewinns aus. Den | |
Großteil hätten das internationale Geschäft und Expresslieferungen | |
beigetragen. | |
Im Bereich Post und Paket habe der Konzern in Deutschland im Jahr 2022 | |
weniger Gewinn eingestrichen als im Vorjahr. Das liege vor allem daran, | |
dass immer weniger Briefe verschickt werden. Der Onlinehandel boomt und die | |
Paketzahlen steigen, erst recht in Pandemiezeiten – ein vollbezahlter Brief | |
spüle der Post jedoch immer noch deutlich höhere Gewinnmargen in die Kasse | |
als ein Paket. | |
Thorsten Kühn, Leiter des Bereichs Postdienste bei Verdi, überzeugt das | |
nicht. „Erstens macht die Sparte Post und Paket in Deutschland immer noch | |
fast 1,5 Milliarden Euro Gewinn“, sagt der Gewerkschafter der taz. | |
„Zweitens ist es eine einfache Verteilungsfrage. Andere DAX-Konzerne geben | |
ihre Gewinne auch an die Beschäftigten weiter – unabhängig davon, in | |
welchen Bereichen der Profit entsteht.“ | |
Die Deutsche Post gibt an, Investitionen seien auch für die ökologische | |
Transformation des Unternehmens nötig. So sollen in diesem Jahr 300 | |
Millionen Euro in E-Fahrzeuge für den Bereich Post und Paket fließen, | |
weitere 300 Millionen Euro sind für umweltfreundlichen Bau oder die | |
Sanierung von Gebäuden angedacht. „Das ist natürlich wichtig“, bekräftigt | |
Kühn, „darf aber nicht gegen die faire Bezahlung der Beschäftigten | |
ausgespielt werden.“ | |
Der Verdi-Bereichsleiter kritisiert zudem die Einstellungspolitik des | |
Konzerns: Lange hätten zu viele Mitarbeiter:innen nur befristete | |
Verträge erhalten. 2022 liefen viele befristete Verträge aus – zum Beispiel | |
zu Jahresbeginn, als sich die Hochsaison der Paketbestellungen dem Ende | |
zuneigte, wie immer nach der Weihnachtszeit. | |
Das fiel der Deutschen Post später auf die Füße: Im Sommer stieg die Zahl | |
der Corona-Krankmeldungen im Unternehmen. Ersatz für die Ausfälle gab es | |
nicht. Bei der Bundesnetzagentur gingen 2022 [2][so viele Beschwerden] über | |
unzuverlässig zugestellte Briefe und Pakete ein wie nie zuvor. Die Post | |
habe gegengesteuert, neues Personal eingestellt und 10.000 Entfristungen | |
vorgenommen, wie Firmensprecher Edenhofer der taz erklärt – zuletzt seien | |
die Beschwerden wieder zurückgegangen. | |
Der nächsten Runde der Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi | |
blicken die Postsprecher positiv entgegen: „Wir sind sehr zuversichtlich, | |
dass wir zu einem Kompromiss kommen, der für beide Seiten akzeptabel ist.“ | |
Zusteller Markus Franke ist weniger optimistisch. Schon die Forderungen | |
Verdis sind aus seiner Sicht nicht ausreichend. „15 Prozent Lohnerhöhung, | |
die wahrscheinlich eh nicht erreicht werden – so sieht für mich kein | |
Arbeitskampf aus“, sagt er. | |
Angemessener findet er die Forderungen der Kommunikationsgewerkschaft DPV | |
(DPVKOM): Die Löhne der Beschäftigten in unteren Gehaltsgruppen sollten | |
demnach stärker erhöht und mehr Mitarbeiter:innen höher eingruppiert | |
werden. Bisher allerdings verhandelt die Deutsche Post nur mit Verdi. Vor | |
der ersten Verhandlungsrunde hatte die DPVKOM bereits einen kleinen | |
Warnstreik in Magdeburg organisiert. Weiteres Streiken schließen weder die | |
Kommunikationsgewerkschaft noch Verdi aus. | |
Die Inflation machte Franke wie vielen anderen auch finanziell zu schaffen. | |
Trotzdem kritisiert er, dass es Verdi in den aktuellen Verhandlungen nur | |
ums Gehalt geht: „Wir brauchen bessere Arbeitsbedingungen. Ich bin relativ | |
jung und sportlich, aber ich muss jeden Tag hundert Prozent geben, um die | |
Menge loszuwerden.“ Was nicht ausgetragen wird, muss zusätzlich zu den | |
neuen Sendungen am nächsten Tag bewältigt werden. Kaum zu schaffen, sagt | |
Franke: „Der Rattenschwanz wird nur immer länger.“ | |
Er schlägt vor, das Maximalgewicht der Pakete runterzuschrauben, um die | |
körperliche Belastung zu reduzieren, vor allem für Verbundzusteller:innen. | |
Und vernünftige Pausenräume in allen Arbeitsstätten einzurichten. Solange | |
es die nicht gibt, nehme er sich seine Pause selbst, manchmal auch draußen | |
während der Zustellung: „Ich atme fünf Minuten lang tief durch – dann kann | |
ich mich wieder fokussieren und den Stress bewältigen.“ | |
16 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Nanja Boenisch | |
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