# taz.de -- Strengere Verkehrsregeln für E-Scooter: Ende der Anarchie | |
> Achtlos auf Gehwegen abgestellte E-Roller ärgern nicht nur Sehbehinderte. | |
> Immer mehr Städte gehen nun gegen die mobilen Stolperfallen vor. | |
Bild: Immer wieder blockieren Roller die Gehwege in Städten | |
taz | BERLIN „So kann es nicht bleiben“, twitterte die parteilose Kölner | |
Oberbürgermeisterin Henriette Reker schon vor mehr als einem Jahr. Anlass | |
waren achtlos abgestellte E-Scooter überall in der Stadt, etliche Hundert | |
mussten auch aus dem Rhein gefischt werden. In immer mehr deutschen Städten | |
und Kommunen erhalten daher Regeln Einzug für das Abstellen von E-Scootern | |
– wie etwa in [1][Berlin] oder auch Köln. | |
Von den Rollerverleihern werden dort mittlerweile sogar sogenannte | |
Sondernutzungsgebühren eingefordert. Für einen E-Roller innerhalb des | |
Berliner S-Bahn-Ringes zahlen Verleiher nun 36 Euro pro Fahrzeug im Jahr an | |
die Stadt. In Köln sind es sogar bis zu 130 Euro, wenn der Roller in der | |
Innenstadt unterwegs ist. Geregelt wird dies per Satzung: Die E-Roller | |
werden als „Sondernutzung“ der Straße eingestuft. | |
„Wir zahlen solche Gebühren in mittlerweile über 40 Städten in | |
Deutschland“, sagt Patrick Grundmann, Sprecher vom Verleiher Tier, der | |
sowohl in Berlin als auch in Köln seine ersten E-Roller anbot. | |
„Grundsätzlich sind wir gar nicht gegen eine Gebühr“, meint Grundmann im | |
Gespräch mit der taz. „Aber sie muss verhältnismäßig sein.“ | |
Eine Klage von Bolt, LimeBike und Voi und dem Verleiher Tier vor dem | |
[2][Verwaltungsgericht Köln] gegen die Zahlungen, die die | |
nordrhein-westfälische Stadt im Sommer 2022 verhängte, ist kürzlich | |
gescheitert. Ebenso wie der dort eingereichte Eilantrag von Tier – das | |
Unternehmen machte auf die großen Gebührenunterschiede aufmerksam. Für | |
einen E-Roller fällt in Köln eine bis zu dreizehnfach höhere Jahresgebühr | |
an als für ein Leihfahrrad, monierte Tier. | |
## Verleiher klagten gegen Rollergebühren der Stadt | |
In vielen Städten scheint das Problem mit den Scootern aber nicht anders in | |
den Griff zu bekommen sein. Das Verwaltungsgericht hat bestätigt, dass die | |
von der Stadt Köln veranschlagte Gebühr für die Fahrzeuge gerechtfertigt | |
sei. Sie trage dem Umstand Rechnung, „dass es immer wieder zu Behinderungen | |
auf Fuß- und Radwegen durch nicht ordnungsgemäß abgestellte oder | |
umgefallene E-Scooter“ komme. Köln hatte schon zuvor versucht, die Anzahl | |
der Roller in der Innenstadt auf 500 pro Verleiher zu begrenzen, und | |
Abstellverbotszonen im ganzen Stadtgebiet eingerichtet. | |
„Für viele wird der E-Roller noch immer mehr für den Spaß genutzt“, sagte | |
Silvia Josten vom Bundesverband eMobilität (BEM) der taz. „Und nicht als | |
ein ernstzunehmendes Verkehrsmittel wie das Fahrrad, wo jeder die Regeln | |
schon im Kindesalter lernt.“ | |
Dabei unterliegen die Scooter, die seit 2019 auf deutschen Straßen | |
offiziell zugelassen sind, der Straßenverkehrsordnung. Gehwege dürfen | |
demnach für das Abstellen von E-Rollern nur dann genutzt werden, wenn diese | |
damit nicht versperrt werden. Das Parken auf Radwegen ist nicht erlaubt. | |
Dass Städte wie Köln oder Berlin nun [3][Gebühren] von den Verleihern | |
einfordern, „trifft eigentlich die Falschen“, findet Josten. „Nicht die | |
Anbieter, sondern diejenigen, die die E-Roller nicht ordnungsgemäß nutzen, | |
sollten eigentlich auch dafür die Kosten tragen“, meint sie. Gezielt | |
Bußgelder zu verhängen, ist für die Mitarbeitenden des städtischen | |
Ordnungsamts aber schwierig, da Kleinstfahrzeuge, zu denen die Roller | |
zählen, ohne Führerschein ausgeliehen werden können. | |
Viele der Anbieter, auch der Verleiher Tier, versuchen die Kosten daher in | |
anderer Form an die NutzerInnen weiterzugeben. So konfigurieren sie ihre | |
Apps so, dass der Mietvorgang nicht abgeschlossen werden kann, wenn die | |
Scooter falsch abgestellt werden. Im Anschluss fällt für die NutzerInnen | |
dann auch eine Zusatzgebühr an. | |
## Alle 77 Meter sind Gehwege blockiert | |
Allerdings sollten die Anbieter auch ein eigenes Interesse daran haben, | |
dass die Roller zu keinen Behinderungen etwa für FußgängerInnen im | |
Stadtgebiet führen. Im Zweifel müssen die Fahrzeuge von den Verleihern | |
schließlich selbst – wie schon etwa in Köln geschehen – aus den Gewässern | |
gefischt oder beim Falschparken eingesammelt und an geeigneten Orten wieder | |
abgestellt werden. | |
Laut einer Studie des Fußgänger-Lobbyvereins Fuss und des Allgemeinen | |
Blinden- und Sehbehinderten-Vereins in drei Berliner Bezirken blockieren | |
Leihräder, Scooter oder E-Mopeds im Schnitt etwa alle 77 Meter die Gehwege. | |
Blinde Menschen würden im Schnitt sogar alle 59 Meter von einem der | |
Fahrzeuge behindert, was zu einem erheblichen Sicherheitsrisiko führe, | |
argumentieren die beiden Vereine. | |
So erscheint es folgerichtig, dass Städte wie Köln oder Berlin nicht nur | |
die Nutzung der Scooter regulieren, sondern auch zusätzliche Stellplätze | |
für die Roller im Stadtgebiet schaffen wollen. Die Verkehrsverwaltung in | |
Berlin kündigte bereits an, dass E-Roller auch auf Autostellplätzen geparkt | |
werden dürften. Zudem soll es künftig sogenannte Sammelparkplätze der | |
örtlichen Verkehrsbetriebe für Scooter geben. In Köln wurden in der | |
Innenstadt ebenfalls zwei zentrale Abgabestellen eingerichtet. Allein Tier | |
bietet im gesamten Kölner Stadtgebiet aber rund 3.500 Scooter zum Verleih | |
an. | |
„Grundsätzlich unterstützen wir den Ansatz, Parkflächen einzurichten“, s… | |
Tier-Sprecher Patrick Grundmann der taz. Vor allem in den Innenstädten. | |
„Aber es passiert einfach viel zu langsam.“ Für die Außenbezirke strebten | |
die Verleiher aber weiterhin ein „free-floating“ Modell an, bei dem die | |
Scooter dezentral ausgeliehen und auch wieder abgestellt werden können. | |
Schließlich würden die FahrerInnen die Roller dort meist für die letzten | |
Meter bis zur Haustür nutzen. | |
Ob sich Tier in Zukunft wegen zu hoher Nutzungsgebühren mit seinem Angebot | |
aus Köln ganz zurückziehen könnte und lieber auf andere Städte wie etwa | |
Berlin konzentriere, wo außerhalb des S-Bahn-Ringes gar keine Gebühren für | |
die Roller anfallen, dazu könne man der taz derzeit nichts Konkretes sagen, | |
so das Unternehmen. Der Roller-Verleiher aber hält sich offen, gegen das | |
Urteil des Oberverwaltungsgericht Kölns in Berufung zu gehen. | |
26 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] /E-Roller-als-Stolperfallen/!5865362 | |
[2] https://www.vg-koeln.nrw.de/behoerde/presse/Pressemitteilungen/01_11012023/… | |
[3] /Streit-um-E-Scooter-in-Berlin/!5869670 | |
## AUTOREN | |
Nikola Endlich | |
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